Ost-Ausschuss fordert Abbau von Sanktionen

Ost-Ausschuss fordert Abbau von Sanktionen

Rücknahme von Sanktionen sollte Friedensprozess von Minsk begleiten, nicht an dessen Ende stehen – 150 000 Arbeitsplätze durch Exporteinbruch bedroht

Eineinhalb Jahre nach Beginn des Ukraine-Konflikts und zwölf Monate nach der Einführung von Wirtschaftssanktionen gegen Russ­land werden die wirtschaftlichen Folgen der Krise immer deutlicher. Nach einem Rückgang der deutschen Exporte nach Russland um 6,5 Milliarden Euro im Jahr 2014 rechnet der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft für 2015 mit einem Einbruch um weitere 9 Milliarden Euro. «Die aktuellen Zahlen übertreffen selbst unsere schlimmsten Befürchtungen. Die negative Entwicklung seit Beginn der Sanktionen bedroht in Deutschland unmittelbar 150 000 Arbeitsplätze», sagte Ost-Ausschuss-Vorsitzender Eckhard Cordes in Berlin. Innerhalb der EU zahle die deutsche Wirtschaft für die Krise mit Abstand den höchsten Preis. Vor allem mittelständische Betriebe in den neuen Bundesländern seien betroffen.
In den ersten vier Monaten 2015 waren die deutschen Exporte nach Russland um 34 Prozent zurückgegangen, deutsche Exporte in die Ukraine sanken um 30 Prozent. Nach Prognosen des Ost-Ausschusses werden sich die deutschen Exporte nach Russland im Vergleich zum Rekordjahr 2012 bis Ende 2015 halbiert haben und nur noch bei rund 20 Milliarden Euro liegen. Russland fiele damit in der Liste der wichtigsten deutschen Abnehmerländer hinter Länder wie Tschechien und Schweden auf Rang 15 zurück.
Während die russische Wirtschaft zunehmend deutsche Lieferungen vermeide, indem die Waren selbst hergestellt oder aus Ländern bezogen würden, die keine Sanktionen beschlossen haben, bleibe Deutschland auf russisches Öl und Gas angewiesen. «Während vor drei Jahren die Handelsbilanz mit Russland noch annähernd ausgeglichen war, steuert Deutschland 2015 im bilateralen Handel auf ein Defizit von zehn Milliarden Euro zu», sagte Cordes. Weltweit gebe es nur mit den Niederlanden ein vergleichbar hohes Handelsbilanzdefizit.
Trotz der Sanktionen und einer aktuellen, vor allem durch gesunkene Ölpreise bedingten Rezession, verfüge Russland weiterhin über einen ausgeglichenen Staatshaushalt, Währungsreserven von über 350 Milliarden Dollar und dazu einen mit 150 Milliarden Dollar gefüllten staatlichen Reservefonds. Angesichts dieser Zahlen wirkten die vor einem Jahr eingeführten Wirtschaftssanktionen zunehmend kontraproduktiv. «Die Wirtschaftsbeziehungen Russlands mit Deutschland und der EU schrumpfen, während sich Russland Partnern wie China, Indien oder Südkorea zuwendet. Mit jedem abgebrochenen Geschäftskontakt gehen aber gleich­zeitig politische Einflussmöglichkeiten in Russ­land verloren», warnte Cordes. Die EU neige dazu, die Wirkung der Sanktionen auf Russ­land zu überschätzen und die negativen Begleiterscheinungen zu ignorieren. Eine Änderung der russischen Ukraine-Politik sei so aber nicht zu erreichen. «Mit der Durchsetzung von Wirtschaftssanktionen auf EU-Ebene bis Ende Januar 2016 ist kein einziges Problem gelöst. Im Gegenteil: Die Gefahr, dass die Kämpfe in der Ostukraine wieder voll ausbrechen, ist gross, weil die Menschen in der Region keine wirtschaftliche Perspektive haben», sagte Cordes. «Damit der Friedensprozess endlich an Fahrt gewinnt, muss die EU ihre trilateralen Gespräche mit Russ­land und der Ukraine intensivieren und durch die Lockerung der Wirtschaftssanktionen begleiten. Wir brauchen den Einstieg in den Ausstieg aus den Sanktionen.»
Positiv bewertete Cordes den Vorschlag der Bundeskanzlerin, mit Russland und der Eurasischen Wirtschaftsunion langfristig über die Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums zu sprechen. «Länder wie die Ukraine brauchen beide Märkte. Die EU sollte sich daher mit der Eurasischen Wirtschaftsunion grundsätzlich über die Harmonisierung der Handelsregeln verständigen. Dazu sollte die EU-Kommission baldmöglichst ein Verhandlungsmandat erhalten.»
Cordes wies in seinem Statement auf die kritische Wirtschaftsentwicklung in der Ukraine hin. Trotz einseitiger Handelsvergünstigungen im Zuge des Assoziierungsabkommens sei der Export der Ukraine in die EU bislang nicht richtig in Gang gekommen, gleichzeitig würden ukrainische Exporte nach Russland massiv einbrechen. Aktuell werde deshalb für die Ukraine 2015 ein Rückgang des Bruttoinlandprodukts um 9 Prozent prognostiziert. «Um die Ukraine zu stabilisieren, werden dringend lokale und internationale Investoren benötigt.» Ohne einen dauerhaften Frieden in der Ostukraine sei es jedoch trotz erster Reformerfolge sehr schwer, grosse Investoren zu gewinnen. Cordes regte an, die Probleme bei der Umsetzung des Friedensabkommens möglichst bald in einer Minsk-Nachfolgekonferenz aufzuarbeiten und zu beseitigen: «Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie Minsk scheitert.»
Der Ost-Ausschuss versucht mit zwei Projekten die Reformen in der Ukraine zu unterstützen: Im Sommer kommen die ersten 15 Stipendiaten eines neuen Programms für ukrainische Hochschulabsolventen zu Praktika in deutsche Unternehmen. Zudem hat der Ost-Ausschuss gemeinsam mit Partnern wie der dena [Deutsche Energie-Agentur] Anfang 2015 eine «Initiative Energieeffizienz Ukraine» gegründet, die die energieeffiziente Sanierung des ukrainischen Wohnungs- und Kommunalsektors unterstützen soll.    •
Quelle: Pressemitteilung des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft vom 26.6.2015

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km. Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» höhnte am 26. Juni über eine Wirtschaftskonferenz im russischen St. Petersburg. «Besorgniserregend» fand die mittlerweile nur noch antirussische deutsche Tageszeitung, «die Einstellung vieler deutscher Unternehmer». Die Zeitung kritisierte vor allem junge deutsche Unternehmer, die in Russland tätig sind. Diese äussern gemäss der Zeitung: «Der ganze Ukraine-Konflikt basiere auf der Aggression der Amerikaner, bei denen sich ausserhalb Russlands niemand beschwere, wenn sie ihre geopolitischen Interessen verfolgten. Russland hingegen dürfe in den Augen des Westens keine Interessen haben. Gleichwohl brächten sich die Amerikaner, pragmatisch wie sie seien, schon wieder in Position, um mit Russland Geschäfte zu machen. Die EU drohe den Anschluss zu verlieren, nachdem sie jahrelang Russlands berechtigte Anliegen ignoriert habe.»
Solche Zitate der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» regen an, auch in eine andere Richtung als die von der Zeitung beabsichtigte nachzudenken. Ist es nicht interessant, dass der europäische und insbesondere deutsche Handel mit Russland stark eingebrochen ist, während es beim russisch-amerikanischen Handel Wachstum gibt? Und es ist auch interessant, wie deutsche Unternehmer vor Ort, also in Russland, die politischen Entwicklungen einschätzen.
Die Pressemitteilung des «Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft» ist ihre Lektüre wert. Hier kann man lesen, dass am Handel Interessierte auch den Frieden wollen. Ein gutes europäisch-russisches Verhältnis wäre in der Tat eine in vielerlei Hinsicht vorteilhafte «Win-win-Situation». Grund genug also, dem Diktat aus Washington nicht länger zu folgen, sondern einen eigenen Weg zu beschreiten.    •

Der Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft

Seit 1952 vertritt der Ost-Ausschuss die Interessen der deutschen Wirtschaft im östlichen Europa. Mit den Instrumenten der Wirtschaftsdiplomatie richtet er in Zusammenarbeit mit der deutschen Bundesregierung Gesprächsrunden zwischen osteuropäischen Regierungsmitgliedern und deutschen Unternehmen aus und repräsentiert die Interessen der deutschen Wirtschaft in bilateralen Gremien. Der Ost-Ausschuss organisiert zudem Fachseminare, Delegationsreisen, Mittelstandskonferenzen, Parlamentarische Abende und Empfänge und beteiligt sich an internationalen Messen.
Der Ost-Ausschuss steht für eine Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen mit den betreuten Ländern, eine Verbesserung der Handels- und Investitionsbedingungen für deutsche Unternehmen, eine Unterstützung marktwirtschaftlicher Strukturen und des europäischen Einigungsprozesses, die Weiterbildung und Vernetzung junger Fachleute und die Förderung der Osteuropa- und Zentralasienexpertise in Deutschland.
Träger des Ost-Ausschusses sind fünf Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft: Bundesverband der Deutschen Industrie, Bankenverband, Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, Aussenhandelsvereinigung des Deutschen Einzelhandels und Zentralverband des Deutschen Handwerks. Darüber hinaus können sich Unternehmen und Verbände um eine Mitgliedschaft bewerben. Aktuell gehören dem Ost-Ausschuss über 200 Mitgliedsunternehmen an – vom Mittelständler bis zum DAX-Unternehmen.(Stand: Juni 2015)

Quelle: <link http: www.ost-ausschuss.de ueber-uns>www.ost-ausschuss.de/ueber-uns

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