«In Zukunft werden nur jene Regionen erfolgreich sein, die genügend gute Arbeitskräfte ausbilden»

«In Zukunft werden nur jene Regionen erfolgreich sein, die genügend gute Arbeitskräfte ausbilden»

Ein Gespräch mit dem Diplom-Mathematiker Karl-Heinz Schmidt in Ilmenau

von Dieter Sprock

Der Diplom-Mathematiker Karl-Heinz Schmidt hat sich im Technologie- und Gründerzentrum Ilmenau bis zu seiner Pensionierung für die wirtschaftliche Entwicklung des Ilm-Kreises engagiert. Der Ilm-Kreis ist ein Landkreis in Thüringen, der die Grossräume der Städte Arnstadt und Ilmenau mit dem Erfurter Kreuz – dem grössten Industriegebiet Thüringens – und der Technischen Universität Ilmenau umschliesst. Im Zentrum seiner Arbeit stand die Förderung von Fachkräften in der Region. Er ist überzeugt, dass die Berufsorientierung ein langer Prozess ist, der bereits im Kindergarten und in der Grundschule beginnt. Karl-Heinz Schmidt verstand und versteht sich noch heute als Brückenbauer zwischen Wirtschaft, Universität und Schulen, wovon zahlreiche Projekte zeugen, die er in Zusammenarbeit mit dem regionalen Arbeitskreis Schule Wirtschaft Ilm-Kreis und dem Arbeitskreis Schule und Wirtschaft der Initiative Erfurter Kreuz e.V. umgesetzt hat (siehe Zeit-Fragen, Nr. 50, vom 12. Dezember 2011). Beide Arbeitskreise, der eine beim Landkreis und der andere bei den Unternehmen am Erfurter Kreuz angesiedelt, bemühen sich permanent um eine Verbesserung der Berufswahlvorbereitung.

Die Initiative Erfurter Kreuz e.V.

Der Initiative Erfurter Kreuz e.V. gehören gegen achtzig Unternehmen an, grosse Unternehmen, die auch politisch Gewicht haben. Da die Unternehmen die Ausbildungsplätze heute nicht mehr oder nur mit erhöhten Anstrengungen besetzen können, sei es, weil die Zahl der Schulabgänger rückläufig oder deren Qualität mangelhaft ist, sucht der Arbeitskreis Schule und Wirtschaft den Kontakt zu den Schulen und Schülern aus der Region. Er stellt den Schulen Koordinationspartner zur Verfügung, die gezielt die erforderlichen Praktika in den Unternehmen vermitteln, um damit die Unternehmen bei der Findung von geeigneten Nachwuchsfachkräften zu unterstützen. Der Arbeitskreis analysiert und strukturiert die Angebote und hat die Eltern eingeladen, ihre Gedanken einzubringen. Er hat Eltern und Kindern gezeigt, was in den einzelnen Betrieben passiert und welche Ausbildung dazu nötig ist. Herr Schmidt ist überzeugt, dass in Zukunft nur jene Regionen erfolgreich sein werden, die genügend gute Arbeitskräfte ausbilden.

Die Schulfrage angehen

Aus eben diesem Grund beschäftigt Karl-Heinz Schmidt auch das Bildungschaos in den Schulen sehr. Dieses kann er gerade hautnah bei seiner Enkelin mitverfolgen, die in der sechsten Klasse im Gymnasium ist. Häufig fehle es an einem systematischen Aufbau des Lernstoffes, und deshalb müsse zu Hause noch einmal der gleiche Aufwand betrieben werden wie in der Schule. Aber das könne es doch nicht sein, meint er, denn nur die wenigsten Eltern könnten dies sowohl zeitlich als auch fachlich leisten. Es kämen manchmal junge Bewerber in die Betriebe, die weder fachlich noch persönlich auf das Berufsleben vorbereitet sind. «Nehmen wir dagegen die chinesischen Studenten, die zu uns kommen, die bringen alle diese Voraussetzungen mit, die sind strukturiert, die sind fleissig, kaum zu beschreiben.» Das sei eben der Vorteil, den man habe, wenn man verschiedene Länder miteinander vergleichen könne. Die Schulfrage ist aus seiner Sicht einer der Hauptproblemkreise, um den wir uns zu kümmern haben, da wir sonst durch ein tiefes Loch marschieren, bis die Lücken, die hier entstehen, wieder aufgefüllt sind.

Eine Offensive für Studienabbrecher

An der Universität hören nach zwei oder spätestens vier Semestern ein Drittel der Studenten wieder auf. Dann stelle sich die Frage: Was wird denn aus den jungen Leuten? Herr Schmidt hat den Unternehmen vorgeschlagen, gemeinsam mit der Berufsschule eine Offensive zu starten und einen Lehrbereich einzurichten, in dem die Abbrecher zum Beispiel in zwei statt in drei Jahren eine Facharbeiterausbildung machen können. Für ihn sind das Edelfacharbeiter. «Sie haben mit zwei oder vier Semestern doch eine hervorragende Grundausbildung, und es wäre doch schade, wenn das einfach so versackt. Man muss ihnen doch zumindest eine Möglichkeit bieten unterzukommen.»
Das Problem sei noch nicht gelöst, aber er hat mit dem Prorektor gesprochen und angeregt, dass man die Namen der Studienabbrecher nicht mehr einfach aus dem Computer streicht, sondern sie auf einer Liste erfasst und diese dann mit dem Bedarf der Industrie abgleicht. Das sei mit wenig Aufwand machbar. Er kennt einige, die sich auf die Facharbeiterschiene begeben haben und sehr glücklich sind. «Sie haben eine ganz andere Basis und innere Bereitschaft mitgebracht und waren auch bereit, sich weiterzubilden. Man kann die jungen Leute bei dem Mangel an Fachkräften doch nicht einfach auf der Strasse liegen lassen.» Dieses Feld, sagt er, lasse sich noch weiter ausbauen, und er ist froh, dass seine Kollegin heute die Arbeit in diesem Sinne weiterführt. Sie sei in den Arbeitskreisen und baue die Brücke zur Universität und den Dingen, die jetzt im Rahmen von «Jugend forscht» anlaufen, weiter aus.

Verbindung von Theorie und Praxis

In der DDR war es sehr verbreitet, das Abitur mit einer Berufsausbildung zu verbinden, und das sei nicht verkehrt gewesen. Man habe neben der reinen Schulausbildung auch eine praktische Ausbildung, ein Stück des Lebens kennengelernt. Das sei eine ganz wichtige Sache. «Ich habe zum Beispiel in der ganz normalen Abiturzeit noch Werkzeugmacher gelernt.» Der Beruf habe ihm viele praktische Fähigkeiten eingebracht, die ihn sein Leben lang begleitet haben. «Ich konnte mir immer selber helfen, und darüber hinaus haben diese Fähigkeiten wichtige Denkanstösse gegeben. Ich habe dreidimensionales Denken gelernt, Werkzeuge zu bauen oder zu verstehen, wie eine Durchführung aussieht.» Dadurch habe er es im Studium leichter gehabt. Die Verbindung von Theorie und Praxis sei durch nichts zu ersetzen, und an dieser Verbindung habe er immer gearbeitet.
Die technische Universität Ilmenau hat einen guten Ruf. Da werden die Studenten von der Universität regelrecht weggeholt. An einer Messe, die von den Studenten organisiert wird, präsentieren sich die Firmen mit ihren Möglichkeiten. Sie sagen den Studenten, die in der Regel ihre Bewerbungsunterlagen gleich mitbringen, welche Fachrichtungen sie brauchen, und schliessen direkt Verträge mit ihnen ab. Dieses Know-how gelte es zu erhalten.
Im Gespräch fällt auf, dass Karl-Heinz Schmidt nie bei der Kritik stehenbleibt, sondern stets nach vorne denkt und Lösungen sucht. Ob dieser persönliche Ansatz auch etwas mit seiner sportlichen Vergangenheit als Skispringer zu tun hat? Er hat mir nämlich verraten, dass ihm das Skispringen unheimlich Spass gemacht hat.    •

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