von Dr. Vera Ziroff Gut
In der Ausstellung «Frieden schaffen 2015» der Sozialstation Hegau-West in Gottmadingen (D) zeigt der Konzeptkünstler Theo Dannecker (77) neue und bekannte Werke aus seinem langjährigen und reichhaltigen Schaffen. Seit dem Vietnam-Krieg beschäftigt den Künstler das Thema des Krieges und vor allem dasjenige des Friedens, des friedlichen Zusammenlebens, das Verständnis für den anderen Menschen, die anderen Kulturen, der Dialog mit anderen Kulturen. Gerade heute, da in mehreren Krisengebieten der Welt eine erhöhte Kriegsgefahr besteht und die Flüchtlingsströme bei uns ankommen, sind seine versöhnenden Werke zur Mitmenschlichkeit, zur Gerechtigkeit, zum gerechten Friedensschluss, aktueller denn je. Darüber hinaus gehören seine Bilder, Objekte und Installationen in der heutigen Welt der Kunst, in der es nicht oft um den Aufbau und Erhalt unserer gesellschaftlichen Werte geht, zu seltenen Ausnahmeerscheinungen. Die Werke von Theo Dannecker sollten in grossen Hallen, in Rathäusern, Schulen und Kirchen ausgestellt werden, so dass sich ein breites Publikum damit auseinandersetzen, davon anregen lassen und daran erfreuen kann.
Frieden schaffen ist das Thema von Theo Dannecker, einem Konzeptkünstler aus Zürich, der bewusst in dieser Welt lebt. Frieden schaffen ist der Titel der ersten Ausstellung in der Sozialstation Hegau-West hier in Gottmadingen. Ein schönes Zusammentreffen, dass diese Ausstellung gerade hier in der Sozialstation sattfinden kann, deren Mitarbeiter durch ihre Hilfeleistung für den Mitmenschen, für diejenigen, die bedürftig sind, täglich einen Beitrag zum Frieden leisten. Frieden schaffen muss auch unser aller Thema werden, wollen wir die Probleme unserer Zeit, die Krisenherde, die Kriege und daraus resultierenden Flüchtlingsströme, lösen.
Wenn Sie mit mir die Treppe heraufgekommen sind, dann haben Sie bereits in Bildern und Objekten die Fülle der Themen erkannt, die Theo Dannecker ansprechen möchte. Einige will ich in einem kurzen Überblick über die Ausstellung aufgreifen.
Theo Dannecker beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Krieg und Frieden. Hier zeigt er beim Betreten der Ausstellung den «Weinenden Kopf» von 1990, eine ausdrucksstarke Profilzeichnung, die den Zustand der Menschen betrauert, die auch nach dem Ende des sogenannten Kalten Krieges nicht in Frieden miteinander leben können. Der schwarzgraue Gipskopf, «das Mahnmal gegen den Krieg» von 2002, beklagt die Opfer der Schlachtfelder der vergangenen 25 Jahre in Gesamt-Jugoslawien, im Kosovo, in Bosnien, im Kongo, in Afghanistan, Irak, Palästina, Libyen, Syrien, Jemen … Es ist bereits eine lange Liste. Das Mahnmal wurde aus einem Stein heraus entwickelt, den der Künstler an jenem Tag in Venedig fand, als die Amerikaner Afghanistan zu bombardieren begannen. In seinen zerstörten Teilen symbolisiert er das Leiden der Kriegsopfer, in seinen Ausstülpungen und Aufwerfungen die Fratze der Aggressoren. Der kleine Stein, das Fundstück, gehört unmittelbar zum Mahnmal und veranschaulicht die Arbeitsweise des Konzeptkünstlers, dem es um Ordnung, um Klarheit im Ausdruck, um Verständlichkeit geht. Dannecker macht kein Geheimnis aus der Inspiration zu seinen Arbeiten. Es gehört vielmehr zur Konzeptkunst, dass Machart oder Entstehungsgeschichte offengelegt werden und das Kunstwerk somit genauer erfasst werden kann.
Aufgeständerte Objekte aus schwarzem Karton, die sich öffnen lassen, «Die Schande» genannt, machen die Taten, die unmittelbaren Folgen und langfristigen Auswirkungen der jüngsten Kriege sichtbar: Schwer bewaffnete Soldaten schiessen auf fliehende Kinder, hinterlassen zahllose Tote, verwüstete und verseuchte Landstriche und zeugen selbst – wie die jeweils einheimische Bevölkerung –gengeschädigte, missgebildete, Kinder «Ich schweige, du schweigst, wir schweigen», konjugiert Dannecker.
Bei der Schilderung des Elends und der Kriegsverbrechen bleibt Dannecker jedoch nicht stehen. Immer stellt er sich und dem Betrachter die Frage: «Was braucht es, damit wir aus dem derzeitigen Chaos herauskommen, dass wir Frieden schaffen können?» Und mit jedem Objekt gibt er eine Teil-Antwort: Hier, in dieser Ausstellung, führt uns der Künstler zunächst zu dem Objekt «Voneinander lernen» von 2015. Darin reflektiert er eine Textstelle aus der Erzählung die «Begegnung am Fudschijama» des kirgisischen Schriftstellers Tschingis Aitmatow von 1991. Aitmatow hatte sich den japanischen Philosophen und Buddhisten Daisaku Ikeda ausgesucht, um sein Leben und sein Werk zu reflektieren. Beide Männer erzählen ihr Leben, äussern Gedanken, Erfahrungen, Hoffnungen und Ängste, tauschen persönliche Erinnerungen aus und lernen so einander auch in den kulturellen Unterschieden verstehen; sie mahnen und denken über Auswege aus den politischen Irrwegen nach. Dannecker formte zwei vollplastische Köpfe aus rosa Keramik; das einheitliche Material repräsentiert das gemeinsame Anliegen. Beide gehören dem Jahrgang 1928 an und haben ihre Jugend während des Zweiten Weltkriegs erlebt, einer Zeit grösster Zersetzung der Werte. Beide sind in totalitären Systemen aufgewachsen. Aitmatow in der Stalin-Ära und Ikeda im supermilitaristischen Japan des Zweiten Weltkriegs. Beide berichten, dass ihnen ein Lehrer geholfen hat, aus dem ideologischen Gedankenkreis ihres Staates herauszutreten und sich damit auseinanderzusetzen. Aber während Ikeda bereits in jugendlichem Alter im Buddhismus Halt und einen Lehrer gefunden hat, dem er sich anvertrauen konnte und der ihn über längere Zeit anleitete, schreibt Aitmatow, dass das damalige totalitäre Regime der Sowjetunion die völlige Unterordnung des Menschen unter das Diktat des Staates forderte. Und dennoch fand Aitmatow einzelne Menschen, die ihn ermutigten und ihm damit halfen, den schweren Weg der subjektiven Auseinandersetzung mit der totalitären Gesellschaft zu gehen: «Zu meinem Glück», so schreibt er, «begegnete ich in früher Kindheit Menschen, die den Ideen des Totalitarismus innerlich trotzten. Sie beschenkten mich mit ihrem Mut, lehrten mich, trotz alledem stets Mensch zu bleiben und die Würde des Menschen über alles zu achten. Nie vergesse ich den Dorfschullehrer, der einmal die strengen Worte an mich richtete: ‹Blicke niemals zu Boden, wenn der Name deines Vaters fällt.›» Dazu muss man wissen, dass der Vater von Aitmatow, einer der ersten kirgisischen Kommunisten auf leitendem Posten in Moskau, hingerichtet worden war, weil er die Enteignungen Stalins nicht mittragen konnte. Die Familie musste zurück nach Kirgistan fliehen, sich in ihrem kleinen Heimatort verstecken und unter erbärmlichen Verhältnissen leben. Der Name des Vaters durfte nie mehr erwähnt werden. Dass der Dorfschullehrer unter Lebensgefahr das Schweigen gebrochen und den Namen seines Vaters mit Hochachtung genannt hat, blieb eine lebenslängliche Lehre für Aitmatow für Unerschrockenheit und Mut, die ihm das Rückgrat gestärkt hat für die Auseinandersetzung mit der eigenen Gesellschaft und allen Fragen der Menschheit. Viele seiner Altersgenossen konnten nicht aus dem Schatten der Stalin-Ära heraustreten. Aitmatow hingegen arbeitete später an der Perestroika von Gorbatschow mit und war von 1995 an Botschafter der Republik Kirgistan in Brüssel.
Während Ikedas Kopf mit dem feinsinnigen Lächeln bis zum Kragen und der Krawatte aus rosa Keramik gearbeitet ist, zeigt Theo Dannecker das gestärkte Rückgrat Aitmatows unter dem schwermütigeren Kopf mit den starken Stirnfalten durch einen Doppel-T-Träger aus Stahl. Durch die Nickelbrille beziehungsweise den Federhalter vor der jeweiligen Büste sind der Philosoph und der Schriftsteller einfach und klar gekennzeichnet. Zwischen ihnen liegt ein Band der Gesamtausgabe von Aitmatows Werken; aufgeschlagen ist das Gespräch am Fudschijama. Die Köpfe sind einander zugewandt und wenden sich doch gemeinsam an uns, die der Feindschaft, der Leiden und des Blutvergiessens müde sind. Dannecker kommentiert auf einer weiss gestrichenen Tannenholzplatte: «Wer erklärt uns das verstümmelte Bewusstsein unserer Gesellschaft» und auf roter Leiste heisst es: «Versuchen wir unsere Sprachlosigkeit zu überwinden.»
Vom «Voneinander lernen» führt uns Dannecker unmittelbar zum Lernen als einer Voraussetzung zum Frieden schaffen. Auf einer Styroporplatte, einem gewöhnlichen Baumaterial, sind zwei grossformatige Fotos aufgebracht. Sie stammen aus der Mappe «Wir Menschen und der Krieg», die Theo bereits 1977 veröffentlichte. Auf einem ist ein junger Lehrer zu sehen mit dem Zirkel in der Hand, der ganz offensichtlich einem Jugendlichen geometrische Probleme erklärt. Das zweite Foto zeigt zwei junge Mädchen, die miteinander in einen Atlas vertieft sind, geographische Probleme studieren. Die beiden Fotos sind durch den Text verbunden: «Nur der Mensch, der ganz ohne Zwang und Gewalt zu selbständigem Denken angeleitet wird, kann fähig werden, eine humane Welt einzurichten.» Diese beiden Gedanken, die Anleitung zum Lernen und das vertiefte Studieren und Üben, werden in einem Objekt mit dem Titel «Was uns die Erfahrung lehrt», das davor steht, noch einmal vertieft: Auf einer herkömmlichen Wandtafel, nicht auf einem Computer, ist eine klare Form, ein gleichseitiges Dreieck in den Grundfarben gelb, blau und rot aufgebracht. Die Grundfarben lassen sich nicht durch Mischung herstellen, aus ihnen und ihren Mischungen entstehen aber alle anderen Farben. Wir erfahren also inhaltlich etwas zur Farbenlehre, und gleichzeitig hat Dannecker die drei Grundfarben mit einer Bedeutung aufgeladen. Er verbindet mit ihnen drei Grundlagen des Lernens: Gelb, die hellste Farbe, steht für die Anleitung: Wenn der Lehrer – wie oben im Foto zu sehen – einen Stoff erklärt, wenn er zum Lernen anleitet, dann erhellen sich die Gedankenwelt und das Gemüt des Kindes. Es beginnt zu verstehen. Blau wie das beständig fliessende Wasser steht für die stetige Übung, die einen Gedanken, einen Stoff vertieft, der als Kenntnis, als Wissen Besitz des Kindes wird. Rot steht für das Wohlwollen des Lehrers, der sich mit seiner Persönlichkeit dem Kind zuwendet, um es zu fördern, damit es selbständiges Denken entwickeln kann und Inhalte begreift.
Zur Wandtafel kommt ein einfaches Fundstück dazu: ein Wanderstab, der vor der Wandtafel in einem Zementhohlblockstein steckt. Theo fand ihn auf einem Spaziergang. In seinem oberen Teil ist die Rinde mehrmals in dem schönen Verhältnis 1:2:3 eingekerbt, von einem Wanderer mit Überlegung, Sinn für Ordnung, Mass und Mathematik behandelt. Dannecker, der das Massverhältnis bemerkte und genau ausgerechnet hat, schreibt dazu: «Es gab schon sehr früh Menschen, die begannen, natürliche Erscheinungen genau zu betrachten und alles ausser dem Messbaren versuchten zu abstrahieren, wodurch sie zum Begriff der Zahlen gelangten, etwa 325 v. Chr. war dies Pythagoras.» Der einfache Wanderstab steht hier als Symbol für Zahl und Ordnung, für Mathematik, für den Inhalt des zu Erlernenden. Ebenso das kleine Objekt daneben, ein kleines Eisenstück, das den Goldenen Schnitt, ein sehr harmonisches Mass-, Zahlen- und Teilungsverhältnis aufzeigt, das schon die Antike kannte.
Das Erfassen, Verstehen und Vertiefen eines Stoffs lernt das Kind also über die wohlwollende Anleitung und Auseinandersetzung. Lernen ohne klar definierte Inhalte, ohne systematischen Wissensaufbau – das Googeln von Informationen oder die reine Kompetenzorientierung – bildet nicht, haben Bildungsforscher inzwischen festgestellt. Und herangebildet müssen unsere Kinder werden, wollen sie unsere christlich abendländische Gesellschaft, ihren Aufbau und ihre Werte verstehen lernen und zu ihrem Erhalt beitragen.
Mehrfach haben wir jetzt gesehen, dass Theo Dannecker mit Fundstücken und mit einfachen Baumaterialien, mit Styropor- oder Holzplatten, mit Zementhohlblock- oder Backsteinen, Zwingen und Doppel-T-Trägern arbeitet. Fast hat man den Eindruck, dass man in der Ausstellung auf eine Baustelle kommt. Das ist in unserer perfekten, hoch technisierten DesignWelt eine grosse Ausnahme, hat aber seinen tiefen Sinn. Der Künstler will den Betrachter anstossen, ihn anregen zur Auseinandersetzung mit Material, Form und Inhalt. Im Gegensatz zur gegenstandslosen Malerei, die ja das gesamte 20. Jahrhundert beherrschte, ist Dannecker der Inhalt seiner Objekte besonders wichtig. Er macht klare Aussagen, gibt dem Betrachter dennoch Raum, Texte zu lesen, sich einzudenken und mitzuempfinden. Es geht ihm immer um die Anregung zur geistigen Auseinandersetzung, und wenn der Betrachter sich darauf einlässt, dann entdeckt er tiefe menschliche Werte.
Ein übergrosser Findling, auf der Terrasse plaziert, steht für den Satz: «Der Stein der Gerechtigkeit muss gewälzt werden.» Eine Endlos-Schleife verkörpert die Grundlage der Menschenrechte: «Die Würde des Menschen ist unantastbar.» Und eine Kopffigur im Käfig, der der Mund zugenäht wurde, erklärt uns: «Keine Macht darf unsere Stimme der Gerechtigkeit zum Schweigen bringen.»
Auch der wirtschaftliche Aufbau der Gesellschaft wird bedacht, zum Beispiel durch den aus Ton geformten Kopf von Wilhelm Röpke, einem grossen deutschen Ökonomen der sozialen Marktwirtschaft. Als junger Mann wurde er im Ersten Weltkrieg verletzt und setzte sich Zeit seines Lebens als unerschrockener Kämpfer für Frieden und Freiheit ein.
Zu den Grundlagen unserer Gesellschaft gehören natürlich die Familie und die Mitmenschlichkeit. «Grossmutter ist krank» heisst ein Gemälde, in dem sich die gesamte Familie mit ihren Alltagsbeschäftigungen um das Bett der Grossmutter schart: Während eine junge Frau sie frisch bettet, sitzt der Grossvater daneben im Sessel und liest Zeitung. Die Enkel spielen auf dem Teppich vor ihrem Bett. Sogar ein junger Maler hat seine Staffelei aufgestellt und porträtiert sie. Die Bedeutung der Familie als Keimzelle und Ruhepol des gesellschaftlichen Lebens, die dem Einzelnen, auch wenn er alt und krank ist, Schutz, Geborgenheit und Rückhalt gewährt, kommt hier sehr schön zum Ausdruck.
«Das Samenkorn der Menschlichkeit legen» heisst ein grossformatiges Bild, das einen jungen Mann und einen Buben abbildet, die gemeinsam eine Frau im Rollstuhl schieben, mitmenschliche Haltung also ganz unmittelbar praktizieren. Die grossformatigen Figuren, die ganz unspektakulär daher kommen, drücken etwas Ruhiges und Selbstverständliches aus, so wie die Mitmenschlichkeit auch in diesem Hause, der Sozialstation, gepflegt wird.
Natürlich gibt es menschliche Haltungen und Eigenschaften, die diese natürliche Hilfeleistung verunmöglichen. Das verbirgt Theo Dannecker keineswegs. Davon zeugen die Untaten, die in Pieter Breughels moralischen «Sprichwörtern» interpretiert werden, oder das Objekt «Die Gier», eine Hommage an Pieter Breughels «angekettete Affen», in der der Mammon höher geschätzt wird als der Mensch.
Und dennoch «Das Samenkorn der Menschlichkeit legen» heisst in dieser Ausstellung aber auch einen Ausweg finden aus der Unmenschlichkeit des Krieges, einen Ausweg aus der Misere finden, in die uns Politiker gebracht haben, einen Weg zur Versöhnung mit den bekriegten Völkern finden.
Unter dem Titel »Frieden schaffen – das Völkerrecht gilt für Alle» entwickelte Theo Dannecker ein Beispiel, wie den gedemütigten und so schwer geschädigten Völkern durch den Friedensschluss die Würde zurückgegeben werden könnte. Im Hauptbild treffen Vertreter der westlichen Welt auf Vertreter aus Afghanistan, aus dem Irak, auf Angehörige afrikanischer Stämme. In dieser historischen Begegnung geht der westliche Politiker dem afghanischen mit den Worten entgegen: «Wir haben Unrecht getan.» Der erste Schritt geht also vom Westen aus. Das Eingeständnis von Schuld, die Bereitschaft zur Wiedergutmachung, das «einander zuhören und sich verstehen lernen» werden hier als Voraussetzungen für einen echten Friedensschluss genannt.
Um den Baldachin in der Raummitte, in den das Bibelwort aus der Bergpredigt «Selig sind, die da hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden» projiziert ist, gruppieren sich Objekte aus Holzlatten mit Zwingen zusammengeschraubt, ineinander gekeilt, die Eigenschaften symbolisieren wie «den aufrechten Gang, etwas aushalten, zusammenhalten und durchdringen», die es braucht, um Gerechtigkeit zu verwirklichen.
Wenn wir Theo Dannecker fragen, wie er dazu kommt und woher er die Sicherheit nimmt – im Gegensatz zu dem, was uns westliche Politiker versichern –, Frieden schaffen zu wollen ohne Krieg, ohne Präventionskriege, dann antwortet er mit seinem Atelierbild. Hier hat er all jene Menschen um sich versammelt, die ihn im Gedanken «Frieden schaffen» bestärkten:
Immanuel Kant zum Beispiel, der deutsche Philosoph, nannte seine Schrift von 1795, in der er eine erste Skizze zum Völkerrecht entwickelte, «Zum ewigen Frieden». Sie gilt als das bedeutendste Traktat zum Thema Krieg und Frieden in deutscher Sprache. Er beschliesst es mit dem bemerkenswerten Satz, «dass der ewige Friede keine leere Idee, sondern eine Aufgabe sei, die nach und nach gelöst werden muss». Im Atelierbild sitzt Kant am rechten Bildrand am Tisch. Friedrich Schiller, die halb überschnittene Rückenfigur am rechten Bildrand, war ein grosser Verehrer Kants und mit ihm zunächst von den Idealen der Französischen Revolution fasziniert. Als er aber von den Exekutionen erfuhr, wandte er sich empört von ihr ab und verfasste sogar eine Verteidigungsschrift für Louis XVI. So steht er hier nicht nur als der Dichter persönlicher und politischer Freiheit – als den wir ihn alle kennen –, sondern als Mann des Ausgleichs. Der Zeitgenosse Johann Heinrich Pestalozzi, Pädagoge und Sozialreformer dicht hinter Kant, setzt dem Protest gegen Krieg durch seine Hilfeleistung für die hinterbliebenen Kriegswaisen einen gewichtigen humanitären Akzent hinzu. Er will den ganzen Menschen durch eine naturgemässe Erziehung und Bildung stärken.
Auf die Bedeutung der Erziehung für das friedliche Zusammenleben wird in diesem Bild mehrfach hingewiesen. Die beiden prominenten Figuren in der Mitte des Vordergrundes, der elegant gekleidete Humanist Erasmus von Rotterdam mit der Schriftrolle und Leo Graf Tolstoi, im bescheidenen weissen Baumwollkleid, repräsentieren den pädagogischen Gedanken ebenso wie Alfred Adler, dessen Buch «Über den Sinn des Lebens» Sibil, Theos Frau und selbst Pädagogin, aus dem Bücherregal greift. Auf der Schriftrolle von Erasmus ist aus seiner pazifistischen «Klage des Friedens» der schöne Satz zitiert: «Ein Friede ist kaum einmal so ungerecht, dass er nicht dem anscheinend ‹gerechtesten› Krieg vorzuziehen wäre.» Erasmus hat sich der Erziehung des Regenten, des späteren Karl V., gewidmet, um eine friedliche und segensreiche Politik zu bewirken; Tolstoi gründete Schulen für seine Leibeigenen, für die Ärmsten, für das Volk. Alfred Adler seinerseits hat die pädagogische Problematik, die soziale Ausrichtung des Menschen, das Gemeinschaftsgefühl, grundlegend erforscht.
Meine Damen und Herren, ich überlasse es Ihnen, den Beitrag der anderen Persönlichkeiten zum Thema «Frieden schaffen» zu entdecken. Nur soviel noch: Theo Dannecker, den Künstler, erkennen Sie in Komplementärfarben zu seiner Frau Sibil gekleidet, wie er an der Staffelei gerade das Porträt von Käthe Kollwitz zeichnet, die – nachdem sie selbst einen Sohn im Ersten Weltkrieg verloren hatte – ihre ganze Kraft für den Frieden einsetzte. Ihr berühmtes Plakat «Nie wieder Krieg» von 1924 werden Sie sicher alle kennen.
Hier im Atelierbild sind also Menschen versammelt, die mit Feder und Pinsel, in Wort und Tat, gegen den Krieg protestierten, die an der Entwicklung der Volksbildung, der Pädagogik, der Menschenrechte, des Völkerrechts, der Gründung des Roten Kreuzes und der Guten Dienste mitgearbeitet und ihre Lebenskraft für politische Unabhängigkeit, für ein gewaltloses und friedliches Zusammenleben eingesetzt haben.
Meine Damen und Herren, Theo Dannecker, der Künstler, hat seine Arbeit getan, und die Sozialstation praktiziert den Gedanken der Hilfeleistung seit vielen Jahren in ihrer täglichen Arbeit. Dies verpflichtet auch uns. Greifen wir den Aufruf des Künstlers auf: Schaffen wir endlich Frieden. •
Ausstellung «Frieden schaffen 2015»
in der Sozialstation Hegau-West, Pfarrer-Adler-Platz 1, D-78244 Gottmadingen.
Die Ausstellung ist vom 1.–21. November von Dienstag bis Samstag von 15 bis 18 Uhr und Sonntag von
11 bis 18 Uhr geöffnet.
Führungen nach Vereinbarung, eventuell zusammen mit dem Künstler,
Tel. 0049 7731 9112404 (Jörg Sieg).
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