Editorial

Editorial

In den letzten 25 Jahren hat unter dem Diktat der sogenannten Globalisierung in vielen Bereichen eine fatale und unbrauchbare Verengung in der Betrachtung des Menschen Einzug gehalten. Im Kielwasser einer neoliberalen Wirtschaftstheorie ordneten gewisse Ökonomen alle Bereiche des menschlichen Lebens ihren Vorstellungen von Wirtschaft unter und reduzierten menschliches Fühlen, Denken und Handeln auf ein Kosten-Nutzen-Schema. Dem «homo oeconomicus» dieser Prägung wurden alle sozialen, geistig-kulturellen Dimensionen des Menschseins kurzerhand abgesprochen. Wie sehr solches Denken bereits unser aller Leben unmittelbar betrifft, zeigt exemplarisch der grundlegende Beitrag von Professor Giovanni Maio (S. 5), der sich nach Studien der Medizin und Philosophie sowie langjähriger klinischer Tätigkeit heute vor allem mit Medizinethik befasst. Seine Frage: «Wie verändern die ökonomischen Leitkategorien das Denken in der Medizin?» stellt sich entsprechend auch für alle anderen Fachbereiche – nicht zuletzt für die Ökonomie selber. Maio holt die menschliche Tätigkeit des Arztes zurück auf die Ebene der menschlichen Sozialnatur und verweist auf ihren ursprünglichen Sinn und ihre eigentliche Aufgabe: das zutiefst im menschlichen Sein und Leben verankerte Gefühl des Helfenwollens, ohne das menschliches Leben nie überlebensfähig war und ist. Was dem Menschen in seinem persönlichen Umfeld oft intuitiv selbstverständlich ist – dass es seine menschlichen Beziehungen sind, die das Leben tragen, die gegenseitige Hilfe im familiären und freundschaftlichen Umfeld, die menschliche Anteilnahme und Unterstützung – muss als anthropologische Gegebenheit wieder vermehrt ins Bewusstsein und in die öffentliche Diskussion geholt werden. Dies gilt für die Bereiche von Bildung und Erziehung genauso wie für die Wirtschaft selber. Mit dem Begriff der «Lebensdienlichkeit» hat zum Beispiel der Wirtschaftsethiker Peter Ulrich die Verhältnisse in diesem Bereich vom Kopf auf die Füsse gestellt: Die Wirtschaft hat – genauso wie das Geld als deren Schmiermittel und die Finanzwirtschaft – dem Menschen, dem menschlichen Leben, dem Gemeinwohl zu dienen, und nicht der Mensch der Wirtschaft. Wirklich wirtschaftlich wäre dann, wie Maio auch erwähnt, ein haushälterischer Umgang mit unseren menschlichen, natürlichen und wirtschaftlichen Ressourcen zum Wohle aller. Giovanni Maios Ausführungen regen weit über den Bereich ärztlicher Tätigkeit an, uns auf die Grundlagen menschlichen Lebens zu besinnen und uns zu vergegenwärtigen, dass sich, wie es in der Schweizerischen Bundesverfassung heisst, «die Stärke des Volkes am Wohl der Schwachen» misst.
Wie der nebenstehende Artikel zur Entstehung der Schweizerischen Nationalbank einmal mehr deutlich macht, haben wir mit unserer direkten Demokratie alle Möglichkeiten in der Hand, unser Finanz- und Wirtschaftsleben so zu gestalten, dass es dieser Forderung Rechnung trägt.

Erika Vögeli

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