«Das Naturrecht – Quellen und Bedeutung für die Gegenwart»

«Das Naturrecht – Quellen und Bedeutung für die Gegenwart»

Herbert Pribyl: Rechtsgewissen

uk. Professor DDr. Herbert Pribyl ist seit 2007 Ordinarius und Vorstand des Instituts für Ethik und Sozialwissenschaften an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. Heiligenkreuz. Er studierte katholische Theologie, Religionspädagogik, Philosophie, Politikwissenschaft, Geschichte und Rechtswissenschaft in Wien und Rom und ist Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Salzburg. In seinem Buchbeitrag «Das Naturrecht als Quelle der katholischen Soziallehre heute» weist der Autor auf das zunehmende Interesse am Naturrecht hin, das besonders auch durch das Wirken von Papst Benedikt XVI. gestärkt wurde. Pribyl bezieht sich auf die Sozialenzyklika «Caritas in veritate», worin ein «universelles Sittengesetz» als «feste Grundlage eines jeden kulturellen, religiösen und politischen Dialogs» im heutigen «vielfältigen Pluralismus» aufgezeigt wird. (S. 18) Der Autor geht auf verschiedene naturrechtliche Grundlagen und Bezüge ein: «Das Naturrecht erkennt der Mensch aus der Erfahrung in Verbindung mit dem Rechtsgewissen. Eine grosse Bedeutung der Vermittlung hat dabei die Familie, in der das Kind die ersten Rechtsbeziehungen, Rechtspflichten und Eigenrechte erlebt. […] Dieses Naturrecht als Menschenrecht oder die Menschenrechte vermag jeder Mensch auch ohne ausdrückliche Gotteserkenntnis zu erfassen.» (S. 23)

Karl Heinz Peschke: Gegen das Unrecht

Der emeritierte Professor und Priester Karl Heinz Peschke ist weltweit bekannt durch sein moraltheologisches Werk und Wirken und besonders durch seine Schrift «Christliche Ethik», die in viele Sprachen übersetzt wurde. Er dozierte in vielen Ländern der Welt. In seinem Buchbeitrag «Das letzte Ziel als orientierende Norm für das Naturrecht» würdigt er die Menschen, die sich gegen Unrecht eingesetzt haben, gegen unmenschliche Gesetze in «totalitären Systemen», bis zum «Opfer ihres Lebens». «Sie haben das auf der Grundlage eines höheren Rechtes getan, dem Recht der naturgegebenen Menschenwürde, welches das Naturrecht ist.» (S. 72) Peschke weist auch darauf hin, dass «der Begriff Naturrecht in Ethik und Moraltheologie in seinem vollen, umfassenden Sinn die Bedeutung von jener sittlichen Ordnung» hat, «die in der Natur des Menschen gegründet ist». (S. 72)

Josef Spindelböck: Familie als Erfahrungsort sittlicher Forderungen

Dr. Josef Spindelböck wirkt als Theologe, Priester und Professor für Moraltheologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Pölten. Er widmet sich in seinem Buchbeitrag dem wichtigen Thema «Die Familie in der Naturrechtstheorie Johannes Messners». Er bezieht sich auf die Grundfrage der griechischen Philosophie «Was ist der Mensch?» und betont die Würde des Menschen, die heute in zahlreichen Belangen bedroht ist und übergangen wird: «Die ‹natura humana› als Wesen des Menschen ist gleichsam jene Konstante, die uns alle zu einer einzigen Menschheitsfamilie gehören lässt und welche die einzelnen Menschen in der Gleichheit ihrer Würde verbindet. Diese Würde kommt jedem Menschen kraft seines Menschseins zu und besteht unabhängig davon, ob der konkrete Mensch bestimmte Fähigkeiten aktualisieren kann oder ob er daran durch Krankheit und Behinderung vorübergehend oder auf Dauer gehindert ist.» (S. 88) Gerade in der Familie kann sich die «Individual- und Sozialnatur» des Menschen voll entfalten. Spindelböck bezieht sich auf Mess­ners Werk «Kulturethik» und formuliert dazu eine Erziehungslehre, die heute immer mehr fehlt: «So erweist sich die menschliche Familie, welche auf die Ehe zwischen Mann und Frau gegründet ist, als ursprünglicher Lern- und Erfahrungsort des Menschen in seiner Personalisation und Sozialisation. Von Anfang an ist das Kind auf die liebende Annahme durch andere Menschen angewiesen (im Normal- und Idealfall eben zuerst durch die Eltern), um sich entfalten zu können. In der Familie lernt das Kind die Einsicht in wesentliche sittliche Forderungen, und zwar als Weg zur Selbstverwirklichung: dies jedoch nicht auf egoistische Weise, sondern in der Form der Selbsthingabe aus Liebe, also gerade in Bezug zu anderen Menschen: sowohl innerhalb als auch ausserhalb der eigenen Familie.» (S. 90f.)

Marie Raphaela Hölscher: Naturrecht­liche Einschränkung der Macht

Dr. Marie Raphaela Hölscher war in sozialcaritativen Einrichtungen tätig und als Religionslehrerin in Wien. Sie erinnert in ihrem Beitrag «Das Naturrecht bei ­Joseph Ratzinger/Benedikt XVI.» daran, «dass Regieren im Rechtsstaat nicht einfach Ausübung von Macht ist, sondern Schutz des Rechts eines jeden einzelnen und des Wohlergehens aller […].» Mit dem Naturrecht sei es auch möglich, sich «in einer säkularen pluralistischen Gesellschaft» über die grundlegenden «ethischen Prinzipien des Rechts» zu verständigen. (S. 106) Schon als Präfekt der Glaubenskongregation sei es Kardinal Joseph Ratzinger ein zentrales Anliegen gewesen, zu einer universalen Ethik im Sinne des Naturrechts beizutragen, welches von allen Kulturen und unabhängig von der Religion respektiert würde. Die Autorin weist auf die Publikation von Ratzinger «Wendezeit für Europa?» und den Artikel «Die Bedeutung religiöser und sittlicher Werte in der pluralistischen Gesellschaft» von 1992 hin, in denen er sich mit den Begriffen des Guten und Wahren entschieden gegen die gegenwärtige relativistische Position wendet. Diese Begriffe würden bewusst aus den Medien und der Politik ausgeklammert und das Naturrecht als «metaphysikverdächtig abgelehnt, um den Relativismus konsequent durchzuhalten». (S. 102)
Wolfgang Waldstein: Naturrecht als Grundlage europäischer Rechtsentwicklung und Demokratie
Wolfgang Waldstein lehrte von 1965 bis 1992 als ordentlicher Professor Römisches Recht und Rechtsphilosophie an der Universität Salzburg, später an der Päpstlichen Lateranuniversität. Seit 1999 ist er Mitglied des «Consiglio Direttivo» dieser Akademie. Er schreibt über die Naturrechtstradition, die über 2000 Jahre die gesamte europäische Rechtsentwicklung geprägt hat: «Aus dieser Tradition sind in Europa Ende des 18. und anfangs des 19. Jahrhunderts die sogenannten ‹Naturrechtsgesetzbücher› hervorgegangen, das preussische Allgemeine Landrecht von 1794, der französische Code civil von 1804 und das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811 (ABGB). Das AGBG ist noch heute in Teilen unverändert in Geltung, besonders in den das Naturrecht betreffenden Teilen. Es gibt also eine naturrechtliche Wirklichkeit in der europäischen Rechts­entwicklung, die keine Theorie aus der Welt zu schaffen vermag. Die europäische Rechtskultur ist ohne diese Wirklichkeit des Naturrechts nicht zu verstehen.» (S. 121) Professor Waldstein stellt auch einige wichtige Aussagen in päpstlichen Lehrschreiben vor, beispielsweise in «Caritas in veritate» von Benedikt XVI., und betont, dass «die Gerechtigkeit und das Gemeinwohl» notwendige naturrechtliche «Orientierungsmassstäbe» für die Entwicklung der Gesellschaft auf dem Weg zur Globalisierung sind. (S. 125) Waldstein warnt vor der Gefahr der Rechtsauflösung und vor dem heutigen Missbrauch des hohen Guts der Demokratie. Er bezieht sich auf Papst Benedikt XVI., der von einem «tyrannischen Staat» spricht, welcher sich anmasse, «im Namen der allgemeinen Nützlichkeit, die in Wirklichkeit nichts anderes als das Interesse einiger weniger ist, über das Leben der Schwächsten und Schutzlosesten, vom ungeborenen Kind bis zum alten Menschen, verfügen zu können.» (S. 137)

Rudolf Weiler: Würdigung von Herbert Schambeck

Der emeritierte Universitäts-Professor DDr. Rudolf Weiler würdigt in seinem Beitrag Professor Herbert Schambeck. Dieser hat 2013 das Buch  «Kirche, Politik und Recht» publiziert. Darin sind zahlreiche Beiträge von Schambeck nach seiner Emeritierung 2002 zu lesen, die von höchster Aktualität sind. Für Herbert Schambeck steht wie für Johannes Mess­ner das gute Verhältnis von Kirche und Staat im demokratischen Staatswesen im Zentrum. Ebenso wird sein politisch-ethisches Wirken und «seine gelebte christliche Gesinnung» gewürdigt, die auch «zu guten Kontakten mit dem Heiligen Stuhl in Rom» führten. (S. 238) Herbert Schambeck ist seit 1994 Mitglied der Päpstlichen Akademie.
Das Buch enthält weitere Beiträge, deren Lektüre ebenfalls sehr empfohlen werden kann. Der gehaltvolle Band regt zur Neubesinnung auf die wesentlichen Fragen des Zusammenlebens an und macht deutlich, dass das Naturrecht «uns allen ins Herz geschrieben ist».

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