Eine Zukunft für Europa - nicht ohne Russland

Eine Zukunft für Europa – nicht ohne Russland

Appell zum 75. Jahrestag des völkerrechtswidrigen Angriffs Deutschlands auf die Sowjetunion

Am 22. Juni 1941 – vor 75 Jahren – überfiel  Deutschland die Sowjetunion. Über 20 Millionen Bürgerinnen und Bürger der Sowjet­union fielen dem Verteidigungskampf gegen Deutschland und den systematischen Vernichtungsaktionen von SS und Wehrmacht zum Opfer. Der Krieg endete mit der Eroberung Berlins durch die Rote Armee. Nicht nur der gesamte europäische Teil der Sowjetunion, auch Deutschland war nahezu völlig zerstört. Die Lehren aus diesem Krieg wurden nach 1945 in Europa nicht in ausreichendem Masse gezogen. Der Kalte Krieg spaltete Europa in Ost und West. Erst Jahrzehnte später führte die Entspannungspolitik zu Beziehungen der Annäherung und des Dialogs. Die infolge des II. Weltkriegs entstandenen Grenzen wurden verbindlich festgeschrieben. 1990, nach der deutschen Wiedervereinigung, wurde das Ende des Ost-West-Konflikts in der «Charta von Paris für ein neues Europa» feierlich beschworen.
Heute im Jahr 2016 – 75 Jahre nach dem Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion – leben wir jedoch wieder in einer Zeit der Konfrontation und der neuen Hochrüstung. Der 75. Jahrestag des 22. Juni 1941 ist daher ein Tag aktueller Herausforderungen.
Wir rufen dazu auf, aus dem bislang schrecklichsten aller Kriege endlich die Lehren zu ziehen: für eine neue Qualität der deutsch-russischen Beziehungen.
Die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen sind für beide Länder von herausragender Bedeutung. Russische Kunst, Literatur, Musik und Ballett gehören ebenso zu den Säulen europäischer Kultur wie die deutsche. Dies kann die Basis sein für freundschaftliche Beziehungen, in denen offen und mit Verständnis für die jeweiligen Interessen der anderen Seite über unterschiedliche politische Konzepte im besten Sinne eines Diskurses gestritten werden kann. Das schliesst die wechselseitige Kritik an gesellschaftlichen Fehlentwicklungen und einseitigen Massnahmen ausdrücklich mit ein. Alle Gesprächsbeziehungen und Formate müssen dazu genutzt werden, für immer eine neue bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Deutschland und Russland auszuschliessen.

Atomare und konventionelle Abrüstung

Abrüstung ist notwendig, um die sozialen Herausforderungen zu bewältigen und einen Beitrag zur Lösung der globalen Probleme des 21. Jahrhunderts zu leisten. Eine völlige Abrüstung aller Atomwaffen ist erforderlich, um das Überleben der Menschheit zu sichern. Anstelle des Aufbaus von Raketenbasen in Osteuropa und der Entsendung deutscher Truppen an die Grenzen Russlands – wie bei dem derzeit geplanten Aufbau von vier NATO-Bataillonen in Polen und im Baltikum, davon eines in Litauen unter deutscher Führung – benötigen wir eine Stärkung von Institutionen der kollektiven Sicherheit wie der OSZE. In der NATO-Russland-Grundakte von Paris vom 27. Mai 1997 hat die NATO ausdrücklich auf die dauerhafte Stationierung von Kampftruppen in Osteuropa verzichtet. Alle Parteien des Vertrages haben sich dazu bekannt, dass sie keine Gegner sind und die Sicherheit aller Staaten in der euro-atlantischen Gemeinschaft unteilbar ist. Zu diesen Verpflichtungen und Erkenntnissen gilt es zurückzukehren, um mittelfristig auch die Politik der gegenseitigen wirtschaftlichen Sanktionen zu beenden. Zu Recht hat Helmut Schmidt in seinem Brief vom 18. Dezember 2014 an Helmut Kohl dazu ermahnt, der Westen müsse, genauso wie Russland und die Ukraine, aufpassen, dass wir nicht alles verspielen, was wir schon einmal erreicht haben.
An dem historischen Jahrestag des 22. Juni 2016 wenden wir uns daher an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und die deutsche Bundesregierung: Allein eine Politik der Verständigung mit Russland und der Lösung von Konflikten und Interessenwidersprüchen auf der Grundlage des Völkerrechts bietet die Perspektive einer friedlichen Zukunft für Europa.
Dabei wissen wir: Nur mit dem Engagement der Friedensbewegung und aller Bürgerinnen und Bürger, die an die friedliche Zukunft eines gemeinsamen europäischen Hauses glauben, können wir dieses Ziel erreichen.

Otto Jäckel, Vorsitzender IALANA Deutschland*
Dr. Peter Becker, Co-Präsident IALANA International
Katja Keul, Vorstandsmitglied IALANA Deutschland
Norman Paech, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats IALANA Deutschland
Reiner Braun, Geschäftsführer IALANA Deutschland
und mehr als 250 weitere Unterzeichner

Weitere Informationen unter www.ialana.de

*    Der hier abgedruckte Appell ist der Text einer Anzeige, welche die Juristenorganisation IALANA initiiert hat. Als internationale Juristen-Initiative gegen Atomwaffen wurde IALANA im April 1988 in Stockholm gegründet. Im Juni 1989 folgte in Bonn die Gründung der deutschen Sektion, eines gemeinnützigen Vereins. Der Aufgabenbereich wurde später erweitert auf biologische und chemische Waffen und um die gewaltfreie Friedensgestaltung.

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