Aus der Parlamentsdebatte: Wortwechsel auf hohem Niveau

«Die Initianten haben sich sehr ernsthafte Gedanken über das Problem der Ernährung der Weltbevölkerung gemacht. Sie möchten Not lindern und für alle den Zugang zu genügend Essen zu erschwinglichen Preisen möglich machen.»

Aus der Parlamentsdebatte: Wortwechsel auf hohem Niveau

Markus Ritter (CVP, SG): Wir diskutieren heute über eine Initiative, die ein ethisch sehr wichtiges Problem und auch eine Frage aufgreift, die uns in den kommenden Jahrzehnten weltweit stark beschäftigen wird, nämlich die Frage: Wie können sich Menschen ernähren, die über wenige Mittel verfügen und sich entsprechend auf dem Weltmarkt eindecken müssen, vor allem bei Engpässen? 
Jährlich wächst die Weltbevölkerung um rund 80 Millionen Menschen; das ist etwa die Bevölkerungsgrösse von Deutschland. Wir werden im Jahre 2050 auf dieser Erde, gemäss den Berechnungen der Uno und der FAO, rund 10 Milliarden Menschen zu ernähren haben. Bereits heute sind aber gegen 800 Millionen Menschen unterernährt und gehen jeden Abend hungrig ins Bett. […]
Die Initianten haben sich sehr ernsthafte Gedanken über das Problem der Ernährung der Weltbevölkerung gemacht. Sie möchten Not lindern und für alle den Zugang zu genügend Essen zu erschwinglichen Preisen möglich machen.

Grosse humanitäre Verantwortung der Weltgemeinschaft

Die Bedeutung dieses Anliegens sieht auch die CVP/EVP-Fraktion. Die Weltgemeinschaft wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten eine grosse humanitäre Verantwortung wahrnehmen müssen. Die Frage, die sich uns heute stellt, ist, ob die vorliegende Initiative das richtige Mittel ist, um diese Herausforderungen anzugehen. Diese Frage muss aus zwei Blickwinkeln mit Nein beantwortet werden: 
1. Die Initiative wäre das richtige Mittel, wenn die Problematik länder­übergreifend angegangen werden könnte, damit neue Standards gegen Spekulation auch wirklich durchgesetzt werden könnten. Auf die Schweiz begrenzt, erzielen solche Regulierungen keine Wirkung, da die betroffenen Firmen mobil sind und ihren Standort ohne weiteres verlegen können. 
2. Die Meinungen darüber, ob die Spekulation in Teilbereichen preistreibend wirkt, gehen auseinander. Die Gegner der Initiative haben Berichte und Gutachten ins Feld geführt, die belegen sollen, dass es nur eine gute Spekulation gibt. Diese Frage müsste auf internationaler Ebene vertieft geprüft werden.
Sicher ist, dass eine gewisse Lagerhaltung und Investitionen in Lager wichtig sind, damit Missernten gepuffert werden können. Dieser Bereich der Investitionstätigkeit ist gut und wichtig. Es gibt aber einen zweiten Bereich, die exzessive Spekulation. Kein Mensch kann uns erzählen, dass Hedgefonds, die in Rohstoffe investieren, nicht auch Geld verdienen möchten. Ich glaube, das liegt in der Natur der Sache.
Es muss festgestellt werden, dass diese Volksinitiative erhebliche Auswirkungen auf den Unternehmensstandort Schweiz haben könnte. In der Schweiz als Handelsplatz für Rohstoffe gibt es fast 600 Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind. Sie erwirtschaften mit 10 000 Arbeitskräften rund 3,4 Prozent des Bruttoinlandproduktes. Gerade in der jetzigen Zeit sollten wir in diesem Bereich keine unnötige Unsicherheit verbreiten.

Tragen wir unserem Kulturland Sorge

Wir haben in der Schweiz die Möglichkeit, etwas für die Ernährungssicherheit auf dieser Erde zu tun. Tragen wir unserem Kulturland Sorge, und produzieren wir jene Lebensmittel selber, die wir können! Alle Lebensmittel, die wir nicht auf dem Weltmarkt kaufen, stehen anderen Menschen zur Verfügung. Bekämpfen wir aktiv Food waste! Damit lassen sich viele Lebensmittel richtig verwenden, sie werden nicht weggeworfen. Helfen wir mit, dass die vielen Hundertmillionen Kleinbauern auf dieser Erde lernen, wie sie ihre landwirtschaftlichen Produktionsverfahren optimieren können! Dies muss unser Weg sein.
Cédric Wermuth (SP, AG): Herr Kollege Ritter, es überrascht Sie wahrscheinlich nicht, dass ich Ihnen hierzu eine Frage stelle. […]
Sie und die Bauernvertreter hier drin haben zu Recht immer argumentiert, es sei wichtig, dass wir in unserer Gesellschaft wieder ein Bewusstsein dafür etablieren, dass Nahrungsmittel nicht irgendein Handelsgut sind, sondern dass die Bauern – ich zitiere aus einem Text von Ihnen – «einen fairen Preis für ihre Produkte bekommen, ohne Spekulation, ohne unnatürliche Schwankungen».
Das war in einem Editorial der Zeitung des Bauernverbandes. Befürchten Sie nicht, mit einem Nein zu dieser Initiative genau das gegenteilige Signal auszusenden? Sie sagen den Bauern in der Schweiz auch: «Euer Produkt ist ein Handelsgut wie jedes andere. Wenn der Milchpreis jetzt an Boden verliert, dann ist das halt Pech; ihr seid selber schuld.»
Markus Ritter (CVP, SG): Ich sage Ihnen ein paar Worte als Bauer – ich habe jetzt für die Fraktion gesprochen. Wir tun uns sehr schwer damit, ich werde mich bei dieser Initiative auch der Stimme enthalten. Denn der Denkansatz, dass man etwas für die Nahrungsmittelsicherheit tut, dass die Lebensmittel immer wichtiger werden, ist für uns elementar.
Die Problematik dieser Initiative ist die gleiche wie beim automatischen Informationsaustausch. Wir können das Problem der extensiven Spekulation nicht alleine lösen, weil diese Firmen alle sehr mobil sind und ohne weiteres aus der Schweiz wegziehen können. Wenn wir das Problem alleine lösen könnten, müsste man die Initiative unter einem anderen Blickwinkel betrachten. Aber wir lösen mit dieser Initiative in diesem Sinn keine Probleme.
Was ich aber vom Bundesrat erwarte, ist, dass er sich auf internationaler Ebene für Lösungen einsetzt, dass er hierin auch versucht, einen Beitrag zu leisten, und dass man gerade im Bereich der Lebensmittelversorgung und der Ernährungssicherheit weiterkommt. So weit meine persönliche Haltung.

(Aus dem Wortprotokoll der Nationalratsdebatte vom 17.9.2015)    •

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