Bildung für alle in Kakuma

Bildung für alle in Kakuma

In den ariden Grenzregionen Kenias liegen zwei riesige Flüchtlingslager: Dadaab – es ist das weltweit grösste – sowie dasjenige von Kakuma. Hunderttausende Vertriebene leben dort, teilweise seit Jahrzehnten. Das DEZA-Projekt «Skills for Life» in Kakuma vermittelt Berufsbildung und soziale sowie wirtschaftliche Kompetenzen – und damit Perspektiven für ein besseres Leben.

jlh. Im Flüchtlingslager von Kakuma im Norden Kenias leben rund 185 000 Menschen – etwas mehr als in der Stadt Basel. «Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in Flüchtlingslagern beträgt heute weltweit 17 Jahre», sagt Martina Durrer, Programmbeauftragte für das Horn von Afrika bei der DEZA. Was im Moment der Vertreibung als plötzliche humanitäre Katastrophe beginnt, droht im Lager in einen Dauerzustand überzugehen. Dies zwingt zu einer Kombination von Ansätzen der humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit: Die Menschen im Lager brauchen Perspektiven, Beschäftigung und ein gewisses Einkommen, um nicht vollständig von fremder Unterstützung abhängig zu sein. Das DEZA-Projekt in Kakuma vermittelt den Menschen denn auch verschiedene praktische Kompetenzen, um das Leben besser meistern und eine gewisse Unabhängigkeit erlangen zu können, sei dies im Lager selbst oder, im Falle einer Rückkehr, in der Heimat.

Weder Entschädigung noch Gratismahlzeit

«Flüchtlingslager in Randzonen entwickeln sich oft zu einem wirtschaftlichen Hub», sagt Martina Durrer. So auch in Kakuma. Dies hat aus Sicht der lokalen Bevölkerung, der es oft noch schlechter als den Menschen im Lager geht, seine guten Seiten. Denn dank den Flüchtlingen bilden sich Märkte, es gibt Handel und eine gewisse Infrastruktur. Doch zugleich stellt das Lager eine Konkurrenz um knappe Güter wie Wasser oder Brennholz dar. Während die Flüchtlinge sich oft nicht in den lokalen Arbeitsmarkt integrieren dürfen, hat die lokale Bevölkerung wiederum keinen Zugang zu den Hilfsleistungen an die Flüchtlinge.

Zur Entschärfung von Spannungen steht das Projekt «Skills for Life» in Kakuma deshalb den Menschen aus dem Lager ebenso wie der lokalen Bevölkerung offen. Frauen und Männer werden gleichermassen einbezogen. Die Teilnahme am Projekt ist freiwillig, es gibt weder Entschädigung noch Gratismahlzeiten – ausschlaggebend ist allein die Motivation, die eigene Situation zu verbessern. Für das Projekt arbeitet die DEZA vor Ort mit lokalen und internationalen Partnern zusammen.

Mit der operativen Führung des Projekts ist die Schweizer Stiftung Swisscontact beauftragt, die seit Jahrzehnten in der Berufsbildung in Entwicklungsländern tätig ist. «Die Herausforderung liegt darin», so -Katrin Schnellmann von Swisscontact, «die dualen Ansätze der Berufsbildung an den lokalen Kontext des Partnerlandes anzupassen.»

Einen zweiten wichtigen Partner bildet das Uno-Hochkommissariat für das Flüchtlingswesen (UNHCR), welches weltweit für das Management der Lager und die Versorgung der Flüchtlinge zuständig ist und die Arbeit der anderen vor Ort tätigen Organisationen koordiniert.

Möglichst rasch verdienen

Nach einer gemeinsam mit den lokalen Behörden und der Wirtschaft durchgeführten Marktanalyse konnte im Herbst 2013 die -Pilotphase des Projekts, welche bis Sommer 2016 andauerte, starten. Es geht um eine informelle und kostengünstige Ausbildung, bei der «learning by doing» im Vordergrund steht. Den Kern des Projekts bilden Lerngruppen mit mehreren Männern und Frauen mit ähnlichen Profilen (Interessen, Alter, Bildung) und zusammengesetzt aus Flüchtlingen und der lokalen Bevölkerung.

Insgesamt stehen zwölf Fachrichtungen zur Auswahl – von Landwirtschaft, Maurerei und Kehrichtmanagement über Computer- und Handy-Reparatur bis hin zu Wäscherei und Weberei. Jede Lerngruppe widmet sich einem der Themen. Als Ergänzung dazu gibt es eine Grundausbildung in Lesen und Rechnen sowie ein Training in wirtschaftlichen und sozialen Kompetenzen wie Unternehmertum, Verwaltung der Finanzen, Gesundheit und Prävention. Das Ziel ist eine Rundumausbildung, denn die Teilnehmenden sollen nach der Ausbildung möglichst rasch ein erstes Einkommen erzielen und idealerweise gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Lerngruppe ein kleines Unternehmen gründen können. Während einigen Monaten werden sie in einem Coaching begleitet und schrittweise in die unternehmerische Unabhängigkeit entlassen. Die Ausbildung dauert vier bis fünf Monate und endet für die Teilnehmenden mit viel Wissen und einem Zertifikat.

Erfolgreiche Pilotphase

Eine unabhängige Evaluation im Jahr 2015 sowie eine Beurteilung im Rahmen der Steuerungsgruppe (lokale Regierung, Uno, Partnerorganisationen und Begünstigte) hat aufgezeigt, dass die Pilotphase erfolgreich verläuft. Sehr gute Noten hat etwa die Ausbildung in den Lerngruppen erhalten.

Der Anteil der Frauen liegt dort bei rund 55 Prozent. Die nächste Projektphase von zwei bis drei Jahren dient dazu, aus den gesammelten Erfahrungen zu lernen und die Ausbildungsmethodik zu konsolidieren.

«Sehr erfreulich ist die Tatsache, dass sich mehrere Lerngruppen des Projekts bereits zu kleinen Unternehmen zusammengeschlossen haben», sagt Martina Durrer. Einige Gruppen haben Verträge abgeschlossen und sich feste Aufträge gesichert, etwa für das Kehrichtmanagement im Flüchtlingslager oder die Reparatur der IT der lokalen Regierung. «Nach der nächsten Phase möchten wir soweit sein», so Durrer, «dass wir dank dem Pilot in Kakuma ein Package-Modell für informelle Berufsbildung haben, welches sich in Zukunft in anderen Flüchtlingskrisen modulartig aktivieren lässt. Wir sind auf gutem Weg dorthin.»

Quelle: Eine Welt Nr. 3/September 2016

600 000 Flüchtlinge in Kenia, weltweit gab es 2015 laut dem Uno-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) rund 65 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene – so viele wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Die Türkei, Pakistan, Libanon, Iran, Jordanien, Äthiopien und Kenia beherbergen am meisten davon.

 In Kenia sind es rund 600 000 Menschen; rund 356 000 leben im Lager Dadaab, 185 000 in Kakuma. Weltweit gesehen leben jedoch rund zwei Drittel der Flüchtlinge und Vertriebenen nicht in Lagern, sondern in städtischen Gebieten. Auch dies stellt die Gastländer und lokalen Behörden vor grosse Herausforderungen, um eine minimale Grundversorgung in Bildung, Gesundheit oder Beschäftigung sicherzustellen.

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