Was ich von Donald Trump erwarte …

Was ich von Donald Trump erwarte …

Interview mit Prof. Dr. iur. et phil. Alfred de Zayas

Zeit-Fragen: Herr Professor de Zayas, Sie sind ein in der Schweiz lebender US-Amerikaner mit viel Erfahrung und Wissen in der internationalen Politik und vor allem im Völkerrecht. Sicher haben Sie auch die Wahlen in den USA mit grosser Aufmerksamkeit verfolgt. Entgegen allen Vorhersagen hat Donald Trump die Wahlen zum US-Präsidenten gewonnen. Hat Sie das Wahlergebnis überrascht?

Professor Alfred de Zayas: Wie alle anderen Menschen werde ich durch die Medien beeinflusst, und ich war vom Ergebnis der Wahl tatsächlich überrascht. Meine Kandidaten wären Bernie Sanders oder Elizabeth Warren auf der demokratischen Seite gewesen, Ron Paul oder Patrick Buchanan auf der republikanischen Seite. Die Gladiatorenkämpfe Trump gegen Clinton waren nichts für mich, und ich bin erleichtert, dass die Wahl vorbei ist. An sich bin ich seit meinen Harvard-Tagen ein registrierter Republikaner und war auch sehr aktiv im Harvard Republican Club. Was ich bei den Kandidaten suche, sind vor allem Aufrichtigkeit, Anstand, Ethik, Demut, Respekt für Andersdenkende und Friedfertigkeit.

Was bedeutet das konkret in der Politik?

Konkret möchte ich sehen, dass der US-Präsident die Souveränität anderer Staaten respektiert und die US-amerikanischen Vorstellungen nicht überall hin exportieren und mit Gewalt aufzwingen will. Man kann die «Demokratie» nicht exportieren, und wir sollten aufhören, Regime change in anderen Ländern zu verlangen oder gar zu finanzieren.

Was halten Sie von Donald Trump?

Egal, ob ich ihn mag oder nicht, man muss die Realitäten erkennen und versuchen, das Beste aus der neuen Situation zu machen. Seien wir optimistisch. Es wird nichts so heiss gegessen wie gekocht. Trump braucht vor allem gute Berater und keine rigiden Ideologen oder radikalen Alt-Antikommunisten. Leider hat er nach dem Tod Fidel Castros einige gehässige Worte von sich gegeben, die wirklich nicht angebracht waren. Anscheinend haben seine Berater noch eine Schwarz-Weiss-Perspektive aus den Jahren des Kalten Krieges. Die Worte des Papstes Franziskus waren gerade richtig.

Wie beurteilen Sie seine Aussenpolitik?

Eigentlich wissen wir zu wenig, um schon jetzt vorauszusehen, was auf die Welt zukommen wird. Auf der positiven Seite kann man verbuchen, dass Trump häufig gegen den bisherigen «Interventionismus» gesprochen hat. Er möchte die Nato nicht mehr als eine Interventionswaffe einsetzen und auch in keine neuen Abenteuer oder weitere Versuche des Regime change stürzen. Er wird wohl hoffentlich die amerikanische Rolle als «Welt­polizist» aufgeben. Das hielte ich für notwendig – wenn man bedenkt, was für Konsequenzen unsere Aussenpolitik in Afghanistan, im Irak, Libyen und Syrien gehabt hat: Katastrophe über Katastrophe.

Wie würden Sie sein Verhältnis zum russischen Präsidenten Wladimir Putin beurteilen?

Sie respektieren sich gegenseitig. Wichtig ist, dass Trump kein Interesse daran hat, Putin ohne Not herauszufordern oder zu provozieren. Eine Lösung der unsicheren Situation in der Ukraine wird gewiss unter Trump einfacher als unter Clinton.

Und wo sehen Sie Probleme in der künftigen Aussenpolitik?

Anscheinend will Trump das Atomabkommen mit Iran verändern. Dies halte ich für unklug. Ob wir es mögen oder nicht, Persien hat eine sehr alte Geschichte, und man muss ihnen auch Raum geben.

Wie beurteilen Sie die wirtschaftspolitischen Pläne von Donald Trump?

Trump ist selbst ein Unternehmer. Geschäftsleute haben häufig innovative Ideen. Jedenfalls hat er recht mit seiner Kritik an den Mega-Handelsverträgen wie Nafta, TPP, TTIP, TiSA usw. Diese Verträge bringen Vorteile für multinationale Konzerne, die nicht einmal ihre Steuern bezahlen; denn sie transferieren ihre Profite in Steuerparadiese. Man muss alle diese Verträge mit der Lupe untersuchen und gründlich überarbeiten, so dass die Globalisierung für alle etwas bringt – und nicht nur für die Eliten. Obwohl Trump selber ein Milliardär ist, hat er wohl seit langem Interesse am Schicksal der Mittelschicht in Amerika gezeigt und will gegen die Arbeitslosigkeit etwas unternehmen. Ich hoffe auch, er kann den Menschenrechten aller Amerikaner dienen, konkret gesagt, dafür sorgen, dass die «schweigende Mehrheit» nicht mehr von den Eliten-Medien systematisch belogen wird. Ich hoffe, er kann die alten amerikanischen christlichen Traditionen behaupten, so dass zum Beispiel Weihnachten eben christlich bleibt und nicht nur einen Markt für Konsumeristen bedeutet. Nicht einverstanden bin ich mit der Idee, eine Mauer zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko zu bauen. Es gibt ja auch andere Methoden, eine geregelte Immigration zu gewährleisten. Schliess­lich ist Amerika per definitionem ein Einwandererland, was die Vereinigten Staaten zum Beispiel von Deutschland oder der Schweiz unterscheidet.

Gibt es etwas Besonderes am US-amerikanischen Wahlergebnis?

Tja – vor allem, dass hier Millionen Amerikaner den etablierten Medien den Rücken gekehrt haben. Praktisch die gesamte Presse war gegen Trump eingestellt – und hat versucht, ihn zu diffamieren, hat falsch zitiert und gelogen – und trotzdem hat er gewonnen. Dies ist eine Revolution – vor allem der jüngeren Wähler – gegen das Establishment, gegen alles, was nach «politischer Korrektheit» riecht. Millionen Menschen haben «basta» gesagt – basta mit der Manipulation durch «New York Times», «Wall Street Journal», «Financial Times», «Washington Post», CNN usw. Anscheinend haben viele Wähler vor allem auf das Internet, auf Facebook und Twitter abgestellt.

Wird sich die Presse künftig anders verhalten?

Mal sehen. Die «New York Times» hat das Ergebnis noch nicht verdaut. Viele Kommentatoren in den «etablierten» Medien machen weiter so, als ob sie Trump doch noch stürzen könnten, und hoffen, dass eine neue Auszählung der Stimmen in Wisconsin oder Pennsylvania Hillary Clinton doch noch nach Washington bringen könnte. Seltsam. Sie gebrauchen sogar die alten Waffen, die «Reductio ad Hitlerum», die Vergleiche zwischen Trump und Hitler. Ich glaube, kein vernünftiger Mensch ist mehr bereit, auf solchen Unsinn einzugehen. Mit Beschimpfungen und falschen historischen Vergleichen werden diese Medien sich noch irrelevanter machen, als sie bereits sind.

Warum hat Hillary Clinton die Wahl verloren?

Sie war die Kandidatin des abgewirtschafteten Establishments. Alle haben «business as usual» unter ihr erwartet. Die tiefe Enttäuschung der US-Amerikaner über diese Eliten ist unterschätzt worden. Interessant ist auch die Tatsache, dass die Lobbys alle für Clinton waren – sowohl der sogenannte militärisch-industrielle Komplex als auch die Wall Street und die LGBT-Lobby. Trotzdem hat Trump gesiegt. Da gibt es viel zum Nachdenken.

Nach den Wahlen hat es viele Demonstrationen und Proteste gegen Donald Trump gegeben. Wie beurteilen Sie diese Proteste?

Wer mit der Politik des neuen Präsidenten nicht einverstanden ist, sollte konkrete Alternativvorschläge zur Diskussion stellen. Rowdytum und Anti-Trump-Agitation wird sich hingegen als kontraproduktiv erweisen.

Was erwarten Sie nun von den europäischen Politikern?

Ob sie es mögen oder nicht – sie werden sich anpassen müssen. Einige werden ihre Worte bedauern. Welche Arroganz zum Beispiel vom CDU-Politiker Norbert Röttgen, vor Trump «gewarnt» zu haben. Wie peinlich und banal das Wort des SPD-Politikers Ralf Stegner von der «Katastrophe» Trumps oder Frank-Walter Stein­meiers undiplomatische Bezeichnung für Trump als «Hass­prediger». ­Politiker sind aber oft Opportunisten und werden andere Worte finden. Man erwartet kein Verhalten wie von einem Vasallen, aber auch keine Intransigenz in Sachen TTIP und TiSA. Komisch wirkt die Äusserung des arroganten Chefs des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Ulrich Grillo, der nun den USA die Leviten liest und verlangt, dass «Rassismus, Chauvinismus, Populismus und Sexismus» ein Ende haben müssen. Und sollte Trump den «Freihandel» einschränken, so drohe ein Handelskrieg. Nanu?

Was würden Sie Donald Trump sagen, wenn Sie mit ihm sprechen würden?

Ich würde empfehlen, die Werte der US-Verfassung wiederzubeleben, soziale Gerechtigkeit anzustreben, mehr in Infrastruktur und Ausbildung der Jugend zu investieren. Ich würde ihm empfehlen, den Europäern zu sagen: Lassen Sie die Menschen in anderen Ländern ihren eigenen Weg in die Demokratie finden, hören Sie auf, sich in die inneren Angelegenheiten von Ländern wie Österreich, Ungarn, der Ukraine einzumischen. Geben Sie die politische Unkultur des Mobbing und der Erpressung auf. Ich würde ihm raten, Goldman Sachs und andere zur Kasse zu bitten. Ich würde ihm empfehlen, alle Handelsverträge zu überprüfen, so dass mehr Gerechtigkeit für alle gewährt wird.
Vor allem würde ich ihn für den Frieden gewinnen wollen – keine Abenteuer mehr, kein Krieg gegen Russland oder gegen China oder gegen Iran. Dann werden die Menschenrechte von sich aus gedeihen können. Ich wünsche ihm Erfolg – sowohl für die amerikanische Bevölkerung als auch für die Europäer und für die Welt. Natürlich wird sich Donald Trump kaum den Zwängen des politischen Alltags entziehen können, aber Schritt für Schritt kann er den Unsinn der korrupten amerikanischen (und vielleicht sogar europäischen) Eliten abbauen. Immerhin hat er es gewagt zu sagen: «Aber diese Eliten tragen keine Kleider!» Der Schwindel muss endlich auffliegen.

Herr Professor de Zayas, vielen Dank für das Gespräch.    •

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