Direkte Demokratie und politische Rechte der Bürger, Föderalismus und Gemeindeautonomie, immerwährende bewaffnete Neutralität und damit verbunden die Verpflichtung zu Guten Diensten und humanitärer Hilfe – die Grundpfeiler des Schweizer Modells sind Vorbild und Hoffnungsträger für viele Menschen auf der Welt. Aber sie bestehen nicht von alleine weiter: Jede Schweizerin und jeder Schweizer trägt die Mitverantwortung für die Erhaltung der Grundpfeiler unseres Staatsmodells. Einige aktuelle Probleme, die im Schweizer Bundesstaat anstehen, sollen hier aufgegriffen werden.
Eine zurzeit drängende Frage ist das Spannungsverhältnis zwischen der direkten Demokratie und den Verträgen der Schweiz mit der EU. Zu diesem Thema soll hier nicht allzuviel gesagt werden, denn es wird in allen Schweizer und vielen ausländischen Medien schon genug hin- und hergewälzt. Nur eine grundsätzliche Überlegung drängt sich auf.
Die Mehrheit im National- und Ständerat sagt es klipp und klar: Wir sind nicht bereit, den Verfassungsartikel zur Steuerung der Masseneinwanderung mit einem adäquaten Gesetz umzusetzen. Wir sind nicht bereit, gegebenenfalls das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU neu zu verhandeln.
Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, dass die Kopfnicker endlich Farbe bekennen. Damit zwingen sie jede Bürgerin und jeden Bürger, sich ganz konkret und grundsätzlich der Frage zu stellen: Welche Zukunft will ich für die Schweiz? Wenn das Parlament sich schon heute weigert, den Volkswillen auszuführen, nur weil einer der über 100 bilateralen Verträge mit der EU einer neuen Schweizer Regelung entgegenstehen könnte – wie soll das dann werden, wenn die Schweiz sich noch enger an die EU anschliessen würde? Wenn wir einem institutionellen Rahmenvertrag zustimmen und uns damit direkt der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unterstellen würden – wie viel von unserer direktdemokratischen Staatsordnung wäre dann noch übrig? Wo schon die EU-Mitgliedsstaaten mit repräsentativer Demokratie seit Jahren beklagen, dass ihre nationalen Parlamente und erst recht die Parlamente der Gliedstaaten (zum Beispiel in Deutschland oder Österreich) kaum mehr etwas zu beraten und zu beschliessen haben, weil immer mehr zentral in Brüssel erledigt wird …
Abschied von der direkten Demokratie? Oder die Sache in den Kantonen selbst anpacken, wie es das Tessiner Stimmvolk mit der Volksinitiative «Prima i nostri!»1, im Einklang mit der Bundesverfassung vorgemacht hat. Es ist zu hoffen, dass die Tessiner sich gegen Bundesbern behaupten, wenn es um die Gewährleistung ihres neuen Verfassungsartikels geht. Andere Kantone werden sich gerne anschliessen.
Was die Bundesebene betrifft: Zu den demokratiewidrigen und schwachbrüstigen Vorlagen zur Zuwanderung, die der Bundesrat dem Volk zur Abstimmung vorzulegen gedenkt, gibt es nur eine Antwort: Nein, nein und nochmals nein!2 Zur Verweigerungshaltung des Parlaments: Wir Bürger merken uns jeden einzelnen Namen der «Volksvertreter», die viel eher die EU als uns vertreten – die nächsten Wahlen kommen bestimmt … Den Putsch gegen den Souverän werden wir stoppen!
Im Sog von Globalisierung und EU-Anbindung missachten unsere Behörden in Bund und Kantonen mehr und mehr die sinnvollen, demokratisch gesicherten und die Sparsamkeit fördernden Grundregeln im föderalistischen Staat (Souveränität der Kantone, Gemeindeautonomie und Subsidiaritätsprinzip).
Über die Aushebelung der verfassungsmässigen Schulhoheit der Kantone durch die selbstherrlichen Aktionen der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) haben wir immer wieder berichtet. Es gibt aber auch blosse Verwaltungsabteilungen wie das Bundesamt für Gesundheit (BAG) oder das Bundesamt für Umwelt (BAFU), die mit ihrem personellen und finanziellen Aufwand seit Jahren aus dem Ruder laufen und sich ständig neue und «vernetzte» (das heisst mit den Verwaltungsmannschaften der EU oder der OECD verquickte) Aufgaben verschaffen, um eine zunehmende Zahl gutbezahlter Stellen generieren zu können. Zu diesem Zwecke animieren sie einzelne Parlamentarier, im National- und Ständerat internationale Abkommen, zentralistische Regelungen des Bundes oder grosszügige Kredite durchzubringen. Leidtragende sind – neben den Steuerzahlern – die föderalistische Struktur der Schweiz und die direktdemokratischen Entscheidungsrechte der Bürger.
Das BAFU umfasst 492 Stellen und hat für das Jahr 2016 ein Budget von rund 1,5 Milliarden Franken zur Verfügung.3
Ein stolzes Budget für ein blosses Bundesamt – wenn man bedenkt, dass manchen Parlamentariern zum Beispiel für die gesamte Landesverteidigung 5 Milliarden jährlich zu viel sind! Zu den Geldströmen, die durch das BAFU fliessen, gehören unter anderem rund 3 Milliarden Franken, welche aus dem «Investitionshilfefonds für Berggemeinden» (IHG) abgezweigt und in die sogenannte «Neue Regionalpolitik NRP» umgeleitet wurden. Der IHG war eine auf das Schweizer Staatsverständnis zugeschnittene, sparsame und bestens funktionierende Einrichtung, die Darlehen für Infrastrukturprojekte im Berggebiet vergab, welche fast zu 100 Prozent zurückbezahlt und wieder für neue Projekte verwendet werden konnten.
Diese bewährte Einrichtung wurde vor 10 Jahren zu einem Fonds für Regionalentwicklung nach EU-Vorbild umgebaut. Zielrichtung der EU-Regionalpolitik ist vor allem die Auflösung von Staatsgrenzen und Nationalstaaten zugunsten des Ausbaus des zentralistischen EU-Einheitsstaates. «Sowohl was die Ziele als auch die sachlichen und räumlichen Einsatzkriterien angeht, entspricht die Neue Regionalpolitik NRP [...] den Stossrichtungen der Kohäsions- und Strukturpolitik der Europäischen Union.» So der Bundesrat in der Botschaft vom 16.11.2005.4 Ein völlig absurder Vergleich: Weder ist die Schweiz ein Vielstaatengebilde, das den inneren Zusammenhalt stützen muss, um nicht auseinanderzufallen, noch hat sie ein Wohlstandsgefälle wie die EU damals zwischen ost- und westeuropäischen Staaten. Die Parlamentsmehrheit stimmte dem Bundesgesetz über Regionalpolitik und damit dem EU-Konzept zu, welches am 1.1.2008 in Kraft trat. Dieses Gesetz ist heute die Grundlage für die Verteilung von Steuergeldern mit der grossen Kelle und à fonds perdu, wie in der EU.
So zum Beispiel für sogenannte «Regionale Naturpärke» (RNP), die unter der Regie des BAFU errichtet werden, mit dem Ziel, die Territorien der beteiligten Gemeinden unter die Kontrolle einer «professionellen» Steuerungszentrale vor Ort zu stellen. Diese wiederum sorgt für die Durchsetzung des sogenannten «Habit change» gemäss EU-Regionalpolitik, also der Errichtung zusammenhängender Lebensräume von Tieren und Pflanzen auf Kosten der Lebensräume der Menschen. Damit sie dies ungestört tun kann, produzierte der Bundesrat beziehungsweise das BAFU eine Pärkeverordnung, die eine Parkcharta mit 10jähriger Sperrung des Kündigungsrechts vorschreibt.5 Mit der Unterzeichnung der Charta stellen die beteiligten Gemeinden «ihr Hoheitsgebiet für den Parkperimeter zur Verfügung»6, das heisst, sie geben ihre Gemeindeautonomie und die direktdemokratischen Entscheidungsrechte der Bürger für zehn Jahre ab.
So geschehen diesen Herbst im «Regionalen Naturpark Schaffhausen», dem ersten grenzüberschreitenden Schweizer Naturpark, der trotz der griffigen Gegenwehr eines Nein-Komitees leider zustande kommen wird. Die Bevölkerung wurde mit einer ungeheuren Propagandawalze plattgemacht, denn schliesslich standen die einträglichen Jobs der «Profis» in der Geschäftsstelle auf dem Spiel. Gemeinden, die in den letzten Jahren bereits zweimal in der Gemeindeversammlung gegen den Beitritt gestimmt hatten, wurden mit finanziellen Ködern, mit Lügen (der Naturpark bringe keine Einschränkungen, das Produktelabel koste nichts usw.) und mit Drohungen (sie könnten ohne Parklabel ihre Produkte nicht mehr verkaufen) dazu gedrängt, ein drittes Mal abzustimmen. Diesem massiven Druck hielten leider nur einige wenige Gemeinden stand.
Im Gegensatz dazu haben erfreulicherweise 8 von 17 Tessiner und Bündner Gemeinden am 27. November 2016 an der Urne nein gesagt zum Parc Adula, einem sogenannten «zweiten Nationalpark» mit einer geplanten Riesenfläche von über 1200 Quadratkilometer. Damit ist er gescheitert, denn 13 Gemeinden hätten mindestens zustimmen müssen. Die Schweiz hat seit langem einen wunderschönen Nationalpark, einen zweiten – und dann noch so einen! – brauchen wir nicht. Dies ist übrigens schon der achte Park, der von der Bevölkerung begraben worden ist.
Wir meinen: Das Gros von uns Schweizerinnen und Schweizern hat ein gesundes Gespür für die essentielle Bedeutung unserer kleinräumigen föderalistischen Strukturen behalten – trotz all den Versuchen, unser Land, seine wetterfesten Einrichtungen und die starken Rechte der Bevölkerung in eine ungute Richtung zu biegen. Gerade weil wir es gewohnt sind, dass der Staat Sache der Bürger ist, tun sich trotz aller Widrigkeiten immer wieder viele zusammen und stellen sich gegen Entwicklungen, die nicht zu unserem Land passen.
Am Nato-Hauptquartier in den USA (Norfolk, Virginia) ist ein Schweizer Verbindungsoffizier stationiert, erfahren wir in der Tagespresse. «Dort planen die Nato-Staaten die Streitkräfte der Zukunft. […] Die Mitglieder versuchen herauszufinden, was die Nato in 20 Jahren leisten muss und kann.» Zum Beispiel, wie dannzumal sogenannte «friedenssichernde Einsätze» aussehen werden (Ostschweiz am Sonntag, 11.12.2016).
Ja, Sie haben richtig gelesen: Die Schweiz verstösst nicht nur mit Einsätzen der Schweizer Armee bei Nato-Manövern gegen das Neutralitätsgebot7, sondern plant auch die Nato-Streitkräfte der Zukunft mit – obwohl sie nicht Mitglied der Nato ist! Für die Zukunftsplanung der Schweizer Landesverteidigung fehlt es dafür an allen Ecken und Enden: Die Luftwaffe wird langsam altersschwach, und die Zahl der Armeeangehörigen wird seit Jahren heruntergeschraubt, weil die Schweiz sich angeblich deren Ausrüstung und Ausbildung nicht leisten kann.
Dem Schweizer Modell Sorge tragen – dazu gehört auch, dass wir uns auf die selbstgewählte Aufgabe der Schweiz in der Welt zurückbesinnen. Solange wir mit einem Fuss in der Nato stehen, sind wir als neutrale Vermittler wenig glaubhaft. Die Guten Dienste, die humanitäre Hilfe und Entwicklungshilfe über das IKRK und andere Organisationen, die Katastrophenhilfe und die Gewährung von Asyl für politisch verfolgte Menschen – das sind die Einsatzbereiche der neutralen Schweiz. Dazu gehört auch die Fähigkeit, das eigene Land zu verteidigen. Nicht dazu gehören dagegen Armee-Einsätze unter dem Kommando der Nato, ob das nun Manöver in Osteuropa oder Planungen im Nato-Hauptquartier sind. Mit einem Austritt aus «Partnership for Peace (PfP)» gewänne die Schweiz ihre Glaubwürdigkeit als neutrale Vermittlerin zurück und hätte erst noch genügend Mittel, um sich wieder eine gut gerüstete Verteidigungsarmee leisten zu können. •
1 vgl. Zeit-Fragen Nr. 23 vom 10.10.2016
2 Eine genaue inhaltliche Information wird hier folgen.
3 <link http: www.bafu.admin.ch org external-link website:>www.bafu.admin.ch/org/09606/index.html?lang=de#sprungmarke0_38
4 05.080 Botschaft über die Neue Regionalpolitik (NRP) vom 16. November 2005, S.41
5 Verordnung über die Pärke von nationaler Bedeutung vom 7. November 2007, Art. 26 Absatz 3
6 Regionaler Naturpark Schaffhausen. Managementplan für den Betrieb, S. 128
7 vgl. «Schweizer Armee – Marschhalt und zurück zum verfassungsmässigen Auftrag!», in: Zeit-Fragen Nr. 8 vom 12.4.2016
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