Am Anfang waren das Wort und das Bild

Am Anfang waren das Wort und das Bild

Kulturelle Glanzlichter zum Luther-Jahr 2017

von Urs Knoblauch, Kulturpublizist, Fruthwilen TG

Nicht nur in Sachsen, auch in anderen Bundesländern wird Martin Luther (1483–1546) 500 Jahre nach der Reformation unter dem Motto «Am Anfang war das Wort» gewürdigt. Auch an der diesjährigen traditionellen «Leipziger Buchmesse», mit rekordhohen 285 000 Besucherzahlen und 2493 Ausstellern aus 43 Ländern, waren Luther und die Reformation ein wichtiges Thema.
So konnten zahlreiche Zuhörer beispielsweise eine eindrückliche Würdigung mit Buchpräsentation des bekannten Theologen Friedrich Schorlemmer, der unter anderem als Dozent am Evangelischen Predigerseminar und Prediger an der Schlosskirche Wittenberg wirkte, miterleben. Dass Schorlemmer dem Anliegen des Friedens grosse Bedeutung gab und auch den Humanisten Erasmus von Rotterdam in seinem Buch «Luther – Leben und Wirkung» (Berlin 2017) würdigt, ist besonders erfreulich.
Allein im Verlag C. H. Beck liegen zahlreiche Neuerscheinungen zur Reformation vor. So ist der reich illustrierte Band von Thomas Kaufmann, «Erlöste und Verdammte – Eine Geschichte der Reformation», sehr lesenswert. Ebenso bieten die Werke über Luthers Weggefährten Melanchthon und über Thomas Müntzer sowie das vom (katholischen) Rechtsprofessor Udo Di Fabio und von Johannes Schilling, Professor für Kirchengeschichte, herausgegebene Buch «Die Weltwirkung der Reformation. Wie der Protestantismus unsere Welt verändert hat» zum Reformationsjubiläum 2017 viel Wissenswertes und Anregendes.

Buchdruckerkunst Johannes Gutenbergs

Auch das für die Reformation entscheidende Buchdruckgewerbe und Johannes Gutenberg (1400–1468) zogen an der Büchermesse viele Interessierte an. An verschiedenen historischen Druckpressen konnte das Drucken von Texten und Bildern mitverfolgt werden. Da und dort konnte man auch selber tätig werden. In der Broschüre «Gutenberg nicht nur für Kinder» (Gutenbergmuseum Mainz) wird anschaulich in die Zeit Gutenbergs und in die Buchdruckerkunst eingeführt. Damals waren Lesen und Schreiben nur wenigen vorbehalten. Durch illustrierte Flugblätter wurden die reformatorischen Anliegen, wie beispielsweise die Forderung nach Abschaffung des Ablasshandels, unter der grossen Mehrheit der Menschen verbreitet.
Gerade für Kinder, Jugendliche und zahlreiche Schulklassen war die Begegnung mit dieser aufklärerischen Thematik an der Buchmesse weit aufbauender als der Aufenthalt in der «Manga-Comic-Con-Halle» mit viel Dunklem, Destruktivem und Abwegigem. Unsere Jugend ist unsere Zukunft, sie ist für das Mitmenschliche und eine ethisch fundierte Kultur sehr ansprechbar.

Wege zu Cranach – grossartige Kunstwerke aus der Reformationszeit

Besonders beeindruckend sind die Werke des Malers und Luther-Vertrauten Lucas Cranach d. Ä. (1472–1553), seines Sohnes Lucas Cranach d. J. (1515–1586) und seiner Malerwerkstatt. Cranach war Hofmaler der sächsischen Kurfürsten und schuf gross­artige Porträts von Persönlichkeiten jener Zeit. Auch Kurfürsten und Herzöge, die am katholischen Glauben festhielten, wie Herzog Georg von Meissen, gaben Cranach kirchliche und weltliche Bildaufträge. In einer kleinen, wunderschön gestalteten Broschüre «Wege zu Cranach. Eine Entdeckungsreise» wird in jedes Werk eingeführt. Einleitend ist zu lesen: «Lassen Sie sich herzlich einladen zu einer Reise auf dem Weg zu Cranach. Folgen Sie den Spuren eines Malers, der nicht nur die grossen Themen seiner Zeit in bedeutende Bilder fasste, sondern als Freund Luthers auch ein wichtiger Wegbegleiter der Reformation und damit Teil eines bewegenden Epochenumbruchs auf dem Weg zur Moderne war.» So erfährt man, dass zahlreiche Bilder in Dessau «mit ihren marianischen Themen typisch für den frühen katholischen Cranach» sind. Schon an diesen Werken ist die für die Renaissance kennzeichnende Verweltlichung der Heiligenfiguren mit einer klareren realistischen Charakterisierung der Menschen und der Natur gut zu erkennen.
Neben Albrecht Dürer (1471–1528) ist Cranach d. Ä. der herausragende Maler der deutschen Renaissance. Die Bilder in den architektonisch beeindruckenden Kirchenräumen führen die Betrachter in die historische Situation, in die Reformation und in den tiefen Glauben, der den Menschen den notwendigen Halt und die Hoffnung gab. An dreizehn historischen Orten in Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Bayern können in Kirchen und Kunstsammlungen die Kunstwerke im Original bewundert werden, von Kronach, der Geburtsstadt Cranachs, über Coburg, die Lutherstadt Wittenberg mit zahlreichen Sehenswürdigkeiten, Dessau-Ross­lau, Torgau, Erfurt, Eisenach, Weimar bis Nürnberg. In seltener Vollständigkeit zeigt die Ausstellung «Lucas Cranach der Ältere. Meister – Marke – Moderne» dessen Werk bis zum 30. Juli im Museum Kunstpalast in Düsseldorf.

Reformationsaltar von Lucas Cranach in der Kirche St. Wolfgang in Schneeberg

Dass so zahlreiche Meisterwerke erhalten sind und nicht dem zerstörerischen Bildersturm und Vandalismus der Reformation zum Opfer fielen, ist ein kultureller Segen. Martin Luther war im Gegensatz zu anderen Reformatoren und ihren weltlichen Herrschern gegen die Zerstörung von Bildern und Kirchenschätzen.
So wird der Besuch der Kirche St. Wolfgang in Schneeberg, in der Bergbaugegend des Vogtlandes, zu einem besonderen Erlebnis. Hier ist der erste grosse Reformationsaltar von Lucas Cranach zu sehen. Es ist eines der umfangreichsten Werke der Malerfamilie Cranach und entstand zwischen 1532 und 1539. Der Altar hat ein klares Bildprogramm, das wichtige Texte der Bibel im theologischen Zusammenhang des neuen Glaubens darstellt. Der Mensch steht in einem eigenen Verhältnis zu Gott, zu seinen Mitmenschen und zu sich selbst. St. Wolfgang ist eine der grossen und hellen spätgotischen Kirchen Sachsens. Sie verdankt sich dem Silberreichtum des Erzgebirges im 15. und 16. Jahrhundert. Während eines Fliegerangriffs am 19. April 1945 wurde sie fast gänzlich zerstört. Als einziges Kunstwerk konnten elf der zwölf Tafeln des Cranach-Altars gerettet werden; sie sind heute wieder in dem Flügelaltar vereint. Die Kirche wurde bis 1996 in ihrer ursprünglichen Schönheit wieder errichtet. Eine bewundernswürdige Leistung der Bürger der Stadt nach den Zerstörungen des Krieges.
Da und dort sind auch historische Bibelausgaben zu sehen, dabei wird Luthers grosse Tat der Bibelübersetzung in die deutsche Sprache deutlich. Jeder sollte Anteil am Wissen der Zeit haben, um verantwortlich für sich, seine Nächsten und für das Gemeinwohl handeln zu können. Das ehrliche Wort, die sorgfältige Schrift, die aufbauenden Texte und Bilder sollen auch heute zur Bildung und zur sozialen Verbundenheit der Menschen beitragen. Eine Kulturreise auf den Spuren Cranachs und Luthers, mit einer inhaltlichen Vertiefung in die kulturellen und historischen Ereignisse, ist wirklich eine Reise wert.    •

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