«Bauer unser»

«Bauer unser»

«Billige Nahrung – teuer erkauft» – eine Filmbesprechung

von Marita Koch

Im Dokumentarfilm «Bauer unser» von Robert Schabus aus Österreich geht es um die Landwirtschaft, um die Bauern und die Zwänge, denen sie in der globalisierten Landwirtschaft ausgesetzt sind. Es werden Mastbetriebe für Rindern gezeigt, auch von vollautomatisierter Milchkuhhaltung, wo die Kühe eigenständig an die Melkmaschine gehen, Schweinezuchtbetriebe, Geflügelfarmen, alles von riesigen Ausmassen.

«Wachse oder weiche»

Die interviewten Landwirte erklären, dass die Betriebe gross und grösser werden müssen, um auf dem Markt bestehen zu können. Die Preise für Agrarflächen sind zum Teil schon unerschwinglich geworden. Die Bauern müssen investieren und automatisieren, sonst werden ihre Produkte zu teuer für den Markt, und sie sind gezwungen aufzugeben. Sie betonen, dass sie ihre Tiere entsprechend den Tierschutzgesetzen halten. Das wird richtig sein. Ein schönes, würdiges Leben haben die Tiere aber nicht. Tausende von Legehennen, die nie die Sonne sehen, in einer Halle. Bodenhaltung nennt sich das, weil die Tiere sich in der Halle frei bewegen können. So flattern sie unter Neonlicht über- und untereinander, hocken dicht neben- oder aufeinander, bis sie dann nach einem kurzem Leben, in dem sie ihr Soll an Eiern gelegt haben, «tierfreundlich entsorgt» werden, im besten Fall landen sie im Suppentopf. Den Rindern und Schweinen ergeht es nicht besser: Vollautomatisierte Ställe mit automatisierter Fütterung und Mistbeseitigung – und nach kurzem Leben vollautomatisierte Schlachtung.
Und wie geht es den Bauern dabei? Ich hatte den Eindruck, sie stehen unter enormem wirtschaftlichen Druck. Die Lebensmittelpreise, die wir Konsumenten im Supermarkt bezahlen, sind viel zu niedrig, als dass damit die Kosten für die Erzeugung erwirtschaftet werden könnten.
Im Film kommt ein Experte des Welt­agrarberichts zu Wort. Er erklärt, die Kosten für die Lebensmittel würden künstlich niedrig gehalten, damit den Konsumenten der Grossteil ihres Budgets für die Anschaffung von Smartphones, Autos und sonstigen Konsumgütern bleibt. Darum könnten die Bauern nur mit staatlichen Subventionen überleben. Ein Biobauer mit Milchviehhaltung schildert, dass 70 % seiner Einnahmen Subventionen sind. Er will das nicht, aber er kann nicht anders. Die Milchpreise bringen nicht so viel ein, dass er davon leben und seinen Betrieb führen könnte. Aber auch diese Subventionen reichen nicht aus, um den Bauern ein Überleben bei normaler Betriebsgrösse und gesundem Arbeitsumfang zu ermöglichen. Ein Schweinezüchter, der kürzlich für viel Geld seinen Betrieb erweitert und modernisiert hat, schildert, er müsse trotz allem auf jedes Schwein draufzahlen. Wie soll das gehen? So kann kein Unternehmer lange durchhalten. Also muss der Betrieb entweder noch grösser werden – «wachse oder weiche» heisst das Motto – also noch mehr mechanisieren. Und sich noch mehr verschulden. Oder er muss aufgeben. Und dann? Die Schulden bleiben ihm, und die sind oft riesig. Muss man sich noch wundern, dass die höchste Selbstmordrate unter Bauern zu finden ist? Das ist eine Schande. Die, die uns ernähren, können von ihrer Arbeit nicht leben.

Gartenwirtschaft gegen Hunger

Der Experte des Weltagrarberichts zeigt auf, dass Studien namhafter Wissenschaftler belegen, dass die Weltbevölkerung am besten mit kleinräumiger Landwirtschaft ernährt werden könne. Gartenwirtschaft sei die effektivste Form der Erzeugung von Nahrungsmitteln. Unsere heutige Landwirtschaft widerspreche dem total. Im Film wird deutlich, dass diese Art der Agrarwirtschaft von der EU so gesteuert wird.
Wohin das ausserdem noch führt, erklärt José Bové1, französischer Landwirt, Politiker, Globalisierungskritiker und Umweltaktivist. Unsere landwirtschaftlichen Erzeugnisse sind infolge der Subventionen so billig, dass mit unseren Überschüssen afrikanische Märkte überschwemmt würden. Mit diesen Billigwaren – zum Beispiel Geflügelteilen – könnten die einheimischen Bauern nicht konkurrieren. Sie müssten aufgeben, würden arbeitslos und landeten als Immigranten in unseren Ländern. So erzeugen wir deren Elend, den Niedergang der Länder, die sich um Entwicklung bemühen, und schaffen uns bei uns Probleme mit entwurzelten Heimatlosen.

Alternativen sind machbar

Doch der Film zeigt auch Ansätze zu Alternativen auf. Ein Bauernpaar, das Kreislaufwirtschaft betreibt: Sie halten Ziegen und Schafe, um Mist für ihren Gemüse- und Obst­anbau zu erhalten. Sie erzeugen gesundes, vielfältiges Gemüse und Obst. Beides verkaufen sie hauptsächlich im Direktvertrieb an Konsumenten, die regionale, ökologisch erzeugte gesunde Produkte schätzen und auch bereit sind, dafür etwas mehr als im Supermarkt zu zahlen. Das Ehepaar schert, melkt und schlachtet seine Tiere selbst von Hand auf dem Hof. Stresshormone können so kaum erst entstehen. Die Frau schildert, es ginge wirtschaftlich mal besser, mal schlechter, sie würden bescheiden leben, aber so ginge es ihnen besser als in einem Grossbetrieb, es entspreche ihnen mehr, so zu arbeiten und zu leben. Ein anderes Beispiel einer Genossenschaft von jungen Landwirten macht Mut: Sie produzieren biologisch und suchen neue Vertriebswege, zum Beispiel versenden sie Gemüsekisten mit saisonalen Produkten.
Der Film gibt sicher keine endgültigen, vollumfassenden Antworten auf die Frage, wie Landwirtschaft so funktionieren kann, dass sie menschlich, tiergerecht und naturgerecht ist, und wie unsere Wirtschaft eingerichtet sein muss, dass solche Landwirtschaft darin ihren Platz hat und die Bauern ein gesundes Auskommen finden. Aber er wirft Fragen auf, macht deutlich, was schiefläuft, und zeigt die Absurdität der heutigen Situation auf. Er zeigt Ansätze auf, in welche Richtung die Überlegungen gehen müssten.
«Bauer unser» ist ein rundum sehenswerter Film. Er arbeitet nur mit Interviews, zeigt die Betriebe, lässt die Menschen zu Wort kommen. Er enthält sich jedes Kommentars, ereifert sich nicht, predigt nicht, sondern taucht in die Realität ein, gibt dem Zuschauer die Möglichkeit, sich selbst ein Bild zu machen, die Fragen klarer zu sehen und weiterzudenken. Diesem Film sind viele Zuschauer auch in Deutschland und in der Schweiz zu wünschen, denn bei allen Unterschieden sind die Probleme im grossen und ganzen doch die gleichen.    •

1    Joseph «José» Bové (*1953 in Talence, Département Gironde) ist ein französischer Landwirt, ­Politiker (EELV), Globalisierungskritiker und Umweltaktivist. Er ist Gründungsmitglied und eine führende Figur der Confédération paysanne, eines französischen Bauernverbandes, der sich in den 1980er Jahren als links-alternatives Gegenstück zum etablierten Bauernverband Fédération nationale des syndicats d‘exploitants agricoles (FNSEA) formiert hat. Bové ist seit 2009 Abgeordneter des Europäischen Parlaments. (Quelle: Wikipedia, aufgerufen am 1.6.2017)

Weltbauerntag

Südtiroler Bauernbund fordert mehr Anerkennung für die Landwirtschaft

mk. Bereist man Südtirol, fällt auf, wie gepflegt nach wie vor die dortige Kulturlandwirtschaft ist: Jeder steile Hang trägt Reben oder Apfelbäume, jeder Fleck Wiese wird gepflegt und gemäht, überall gibt es wunderbar gepflegte Gemüse- und Blumengärten. Unentwegt sprenkeln in der heissen Jahreszeit ausgeklügelte Bewässerungsanlagen Wasser über Felder und Fluren. Kein Wunder beobachtet der Südtiroler Bauernbund Entwicklungen auf dem Agrarsektor sehr genau. Den Weltbauerntag am 1. Juni 2017 nimmt er zum Anlass, dazu Stellung zu nehmen: Obwohl die Landwirtschaft Lebensmittel produziere, auf die keiner verzichten könne, und darüber hinaus eine Reihe von existentiellen Aufgaben erfülle, würden die Leistungen der Bäuerinnen und Bauern häufig unterschätzt. «Zum Weltbauerntag am 1. Juni ist es uns deshalb ein Anliegen, auf die grosse Bedeutung der Landwirtschaft hinzuweisen», so Bauernbund-Obmann Leo Tiefenthaler. Bei der Bekämpfung des weltweiten Hungers müsse besonders auf die kleinbäuerlichen Familienbetriebe geachtet werden. «Sie sind es, die die Hauptverantwortung zu tragen haben, und nicht die grosse Agrarindustrie.» Er fordert die einheimischen Konsumenten auf, die Südtiroler Landwirtschaft zu unterstützen: «Die beste Wertschätzung ist, einheimische Lebensmittel zu erwerben», erklärt Tiefenthaler. Nur so könne eine flächendeckende Bewirtschaftung gesichert werden. Ausserdem fordert der Bund gerechte Löhne für die Bauern, nicht nur in Südtirol, sondern in der ganzen Welt. Dies ginge nur bei gerechten Preisen für Lebensmittel. Landesbäuerin Hiltrud Eschbacher erklärt: «Gerade wir Bäuerinnen sind hier sensibel und wissen, wieviel Arbeit hinter der Herstellung von Produkten steckt. Und wir möchten die Kleinbäuerinnen und Bauern auch in anderen Teilen dieser Erde unterstützen und einen kleinen, aber wichtigen Beitrag leisten, die Welt ein Stückchen gerechter zu machen. Weltweit sollte jede Person die Möglichkeit haben, mit dem Vorhandenen zu leben und zu wirtschaften.»

Quelle: Bedeutung der Landwirtschaft anerkennen. In: Südtiroler Bauernbund vom 30.5.2017 

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