Ecuador zieht sich aus seinen restlichen bilateralen Investitionsabkommen zurück

Ecuador zieht sich aus seinen restlichen bilateralen Investitionsabkommen zurück

Der Unabhängige Experte für die Förderung einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung [Prof. Dr. iur. et phil. Alfred de Zayas] begrüsst die Mitteilung der Regierung von Ecuador vom 16. Mai 2017, dass Ecuador sich unilateral von seinen restlichen 16 bilateralen Investitionsabkommen (BITs) zurückgezogen habe, womit die Kündigung von 26 Abkommen, die das Land seit 1968 unterzeichnete, abgeschlossen ist: «Das ist ein gutes Beispiel für viele Länder, die noch immer unter den Folgen abgeschlossener Verträge leiden, die Entwicklung versprachen, aber das Rechtsstaatsprinzip untergruben, die transnationalen Unternehmen gewaltige Gewinne einbrachten und in vielen Entwicklungsländern die Arbeitslosigkeit in die Höhe trieben.»

Überprüfungsverfahren, mit dem der Verfassung Ecuadors von 2008 entsprochen werden soll, die den Menschen und die Menschenrechte über die Macht des wirtschaftlichen Kapitals stellt.» Das Überprüfungsverfahren führte zur Einrichtung einer gemeinsamen Prüfungskommission von Regierung und Zivilgesellschaft (bekannt unter der spanischen Abkürzung CAITISA); sie prüfte sowohl die Rechtmässigkeit und Legitimität der von Ecuador unterzeichneten bilateralen Investitionsabkommen als auch die Gültigkeit und die Angemessenheit der Prämien, Verfahren, Vorgehensweisen und Entscheidungen, welche die ISDS (die umstrittenen Investor-Staat-Schiedsgerichte) erliessen.
«In ihrem 668seitigen Vollzugsbericht stellt die CAITISA-Kommission fest, dass bilaterale Investitionsabkommen nicht ausschlaggebend dafür waren, ausländische Direktinvestitionen zu gewinnen,1 dass sie der Entwicklung von Zielsetzungen, die in der Verfassung Ecuadors2 niedergelegt waren, widersprachen oder sie unterminierten und zu hohen Kosten führten, während die behaupteten Versprechen von Investitionen und Entwicklung nicht verwirklicht wurden.»3
Der Schritt Ecuadors entspricht ähnlichen Massnahmen, die in den letzten Jahren von einer wachsenden Zahl von Entwicklungsländern getroffen wurden, um sich aus ihren bilateralen Investitionsabkommen zurückzuziehen, darunter Südafrika, Bolivien, Indonesien und Indien.
«Andere Staaten sollten ähnliche Kommissionen einrichten, um ihre bilateralen Investitions- und Freihandelsabkommen zu überprüfen. Ausserdem sollten staatliche Gerichte ablehnen, Schiedssprüche umzusetzen, die offensichtlich unbegründet sind und die öffentliche Ordnung der betroffenen Staaten verletzen, und sollten sich dabei gegebenenfalls auf Artikel 5 der New York Convention über die Anerkennung von ausländischen Schiedssprüchen berufen. Die Frage der Legalität der Investor-Staat-Schiedsgerichte und der bilateralen Investitionsabkommen sollte von der Uno-Generalversammlung an den Internationalen Gerichtshof überwiesen werden, in der Absicht, eine gutachterliche Stellungnahme zu erhalten, die ein für allemal erklärt, dass in Fällen, in denen die bilateralen Investitionsabkommen zu Situationen führen, die in Gegensatz stehen zu den Verpflichtungen des Staates gemäss den internationalen Menschenrechtsabkommen einschliesslich des Internationalen Paktes über bürgerliche und ­politische Rechte und des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, die letzteren Vorrang haben müssen.»
In den letzten Jahren hat der Unabhängige Experte den negativen Auswirkungen von bilateralen Investitions- und Freihandelsabkommen auf die Achtung der Menschenrechte, insbesondere wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte, drei Berichte gewidmet.4 Nach sorgfältiger Analyse der Vor- und Nachteile dieser Handelsabkommen und angesichts des Mangels an empirischen Belegen, dass die Abkommen den Ländern wesentlich geholfen hätten, ihre Entwicklungsstrategien voranzubringen, empfahl der Unabhängige Experte die Überarbeitung oder Beendigung dieser Vertragswerke. Vor allem stellte er fest, dass die Investor-Staat-Schiedsgerichte ein Parallelsystem der Streitbeilegung bilden, das fundamentale Prinzipien der Rechtsstaalichkeit verletzt und sich den Regeln der Transparenz, der Rechenschaftspflicht und der Berufungsfähigkeit entzieht, welche die Kennzeichen staatlicher Gerichte darstellen. «Wie in Berichten zuhanden des Menschenrechtsrates und der Generalversammlung dokumentiert, hat die Erfahrung gezeigt, dass Investoren Staaten verklagt haben, wenn Arbeitsgesetze verstärkt wurden, wenn Steuern oder Minimallöhne angehoben wurden, wenn Baugenehmigungen auf Grund von Risiken für Umwelt oder Gesundheit verweigert wurden.»
In Anerkennung der Tatsache, dass die internationale Solidarität die Achtung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte beflügelt, appellierte der Unabhängige Experte an die Staaten, in diesem Bereich zu internationaler Zusammenarbeit zu finden, indem sie die Achtung der Menschenrechte unterstützen und fördern, wozu auch der Rückzug aus internationalen Abkommen gehört, die Staaten daran hindern, ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen.
«Internationale Solidarität beruht auf der Prämisse, dass Staaten, die dazu in der Lage sind, internationale Unterstützung gewähren, die den fundamentalen Prinzipien des Völkerrechts und der internationalen Menschenrechtsgesetzgebung entspricht, so dass eine soziale und internationale Ordnung sichergestellt werden kann, in der alle Menschenrechte und grundlegenden Freiheiten voll verwirklicht werden können. Unter keinen Umständen kann zugelassen werden, dass ein Investor die fiskalischen oder das Budget betreffenden Entscheidungen souveräner Staaten behindert. Das ist eine abnorme Situation, unter der eine beträchtliche Anzahl von Staaten – nicht nur Entwicklungsländer – lange gelitten hat.
«Man kann es nicht oft genug sagen, dass das Wesen des Staates darin besteht, Gesetze im Interesse der Allgemeinheit zu erlassen, und das Wesen des Geschäfts darin, Risiken einzugehen. In dem Masse, in dem bilaterale Investitionsabkommen und Freihandelsabkommen den regulatorischen Bereich der Staaten beschränkt oder gar Regulierungen  abgeschreckt haben, sind diese Verträge ungültig, weil sie contra bonos mores, das heisst sittenwidrig sind.»     •

1    Ecuador erhielt nur 0,79 % der weltweiten ausländischen Direktinvestitionen für Lateinamerika und die Karibik. Die wichtigsten Quellen der ausländischen Direktinvestitionen für Ecuador stammen aus Brasilien, Mexiko und Panama, keines dieser Länder hat ein bilaterales Investitionsabkommen mit Ecuador. Von den 7 grössten ausländischen Investoren stammen nur 23 % aus einem Land, das ein bilaterales Investitionsabkommen mit Ecuador unterzeichnet hat.
2    Während die Verfassung den Staat beauftragt, die ausländischen Investitionen zu regulieren, um sicherzustellen, dass diese eine positive Rolle bei der Erfüllung des nationalen Entwicklungsplanes spielen, enthalten die bilateralen Investitionsabkommen Bestimmungen, die diese Rolle massgeblich untergraben.
3    Ecuador sah sich auf Grund der bilateralen Investitionsabkommen mit 26 Fällen internationaler Gerichtsverfahren konfrontiert. 15 Fälle endeten mit Schiedssprüchen, davon 13 zugunsten des Investors (87 %). Insgesamt forderten Unternehmen von Ecuador Kompensationen in der Höhe von 21,2 Milliarden Dollar auf Grund angeblicher Verletzungen bilateraler Investitionsabkommen; die von Ecuador bezahlte Gesamtsumme beläuft sich auf 1,498 Milliarden Dollar, was 31 % der Bildungsausgaben oder 62 % der Gesundheitsausgaben entspricht. Aus dem Gesamt der gegen Ecuador noch hängigen Verfahren droht dem Staat die Gefahr, zur Zahlung von 13,4 Milliarden US-Dollar verpflichtet zu werden, was 52 % des Staatshaushaltes (General State Budget) für 2017 entspricht.
4    <link http: www.ohchr.org en issues intorder pages reports.aspx>www.ohchr.org/EN/Issues/IntOrder/Pages/Reports.aspx

Quelle: <link http: www.ohchr.org en issues intorder pages articles.aspx>www.ohchr.org/EN/Issues/IntOrder/Pages/Articles.aspx  vom 31.5.2017

(Übersetzung Zeit-Fragen)

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