Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich in einem Interview mit der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (16. Juni 2017) zum deutsch-russischen Verhältnis geäussert. Alle, die sich vom Bundespräsidenten ein Signal der Entspannung in den bilateralen Beziehungen erhofft hatten, wurden enttäuscht. Auch der Bundespräsident hat ins gleiche Horn geblasen wie der überwiegende Teil der deutschen Politik und Medien. Steinmeier rückte Russland mit Unterstellungen in ein schiefes Licht und sprach von einer zu erwartenden weiteren Abkühlung in den Beziehungen beider Länder. Wörtlich sagte er: «Käme es zu einer Einflussnahme Moskaus auf die Bundestagswahl, dann wird sich der Vorrat an Gemeinsamkeiten notwendigerweise weiter verringern. Das wäre für beide Seiten schlecht.» Und: «Wir haben nun anderthalb Jahrzehnte wachsender Entfremdung zwischen Europa und Russland hinter uns.» Heute suche Russland seine Identität eher in Abgrenzung zu Europa und zum Westen als in Gemeinsamkeiten. Und dann spricht er noch von der «Annexion» der Krim und von den militärischen Aktivitäten Russlands in der Ost-Ukraine, die alles zugespitzt hätten.
Diese Äusserungen des deutschen Bundespräsidenten zeugen erneut von einer Denkungsart, die partout nicht zur Kenntnis nehmen will, dass die Tatsachen ein anderes Licht auf die Vorgänge werfen. Es ist wohl kein Zufall, dass Frank-Walter Steinmeier nichts Substantielles sagt, keine Fakten nennt und statt dessen auf Stimmungsmache setzt. Zu fragen ist zum Beispiel:
Recht hat der deutsche Bundespräsident mit der Feststellung, dass eine weitere Verschlechterung der deutsch-russischen Beziehungen für «beide Seiten schlecht» wäre. Um so mehr stellt sich die Frage, warum die deutsche Politik und warum so viele deutsche Medien alles tun, damit sich diese Beziehungen weiter verschlechtern. Den Wünschen und Interessen der meisten Deutschen entspricht dies nicht. Aber was treibt die deutsche Politik ins Feindbild Russland?
Betrachtet man die Tatsachen, so kann es nicht der Inhalt der Unterstellungen gegenüber Russland sein. Die Tatsachen werden auch der deutschen Politik bekannt sein. Auch der deutsche Bundespräsident wird wissen, dass das Argumentarium beim Feindbild Russland nicht stimmt.
Ist es die deutsche Abhängigkeit von den Kreisen in den USA, die an einer Konferenz in Bratislava – der ehemalige Staatssekretär im deutschen Verteidigungsministerium Willy Wimmer erwähnt diese zurecht immer wieder – im April 2000 bekundet haben, sie wollten den europäischen Kontinent teilen und einen neuen «Eisernen Vorhang» hochziehen? Alles westlich dieser Grenzziehung sollte unter US-amerikanischem Einfluss stehen.
Mit 97 zu 2 Stimmen hat der US-Senat erneut verschärfte Sanktionen gegen Russland beschlossen und zugleich dem US-Präsidenten Trump untersagen wollen, von sich aus Sanktionen gegen Russland aufzuheben. In den USA hat das Feindbild Russland wahnhafte Züge angenommen – und dafür gibt es viele Gründe: Sie reichen vom inneramerikanischen Krieg des «tiefen Staates» gegen den amtierenden US-Präsidenten und seine politischen Ideen bis hin zu handfesten wirtschaftlichen Interessen, nicht zuletzt an den riesigen Rohstoffvorkommen Russlands.
Vor allem aber: Russland ist ein Vorreiter der Idee geworden, dass jedes Land über sein Schicksal selbst bestimmen soll und dass es der Menschheit nicht guttut, wenn ein Staat alleine oder gar eine Art von «Weltregierung» die Weltgeschicke bestimmen will.
Schon zweimal im 20. Jahrhundert hat sich Deutschland für verheerende Kriege gegen Russland beziehungsweise die Sowjetunion instrumentalisieren lassen. Soll Deutschland wieder – erneut gegen den Willen der Bevölkerung – gegen Russland in Stellung gebracht werden?
Gibt es Kräfte in Deutschland selbst, die davon profitieren wollen, dass sich das deutsch-russische Verhältnis immer weiter verschlechtert? Zugespitzt formuliert: Überall auf der Welt, auch in Deutschland, gibt es Kräfte, die von Konflikten (und Kriegen) profitieren – obwohl man auch mit Russland gute Geschäfte machen könnte. In den USA spricht man vom militärisch-industriellen Komplex, wenn von der ersten Gruppe die Rede ist.
Deutschland ist das Land Europas, in dem die Kräfte der kulturellen Zersetzung den grössten Einfluss haben: von der Genderideologie bis hin zur gezielten Verdummung und Atomisierung unserer Kinder und Jugendlichen. Diese Kräfte treibt eine erbitterte Feindschaft gegen alle Staaten und Völker, die kulturelle Substanz erhalten, pflegen und weiterentwickeln wollen. Die schärfsten Polemiken gegen Russland finden sich im deutschen Feuilleton.
Und so weiter, und so fort. Eine definitive Antwort muss noch offenbleiben.
Um das zum Schluss zu klären: Der Verfasser dieser Zeilen ist deutscher Staatsbürger, das Schicksal seines Landes ist ihm ein grosses Anliegen. Er ist kein Sprachrohr der russischen Regierung, bekommt kein Geld aus Russland, wird von niemandem aus Russland gesteuert, sondern hat sich lediglich vorgenommen, eigenständig zu denken. Er weiss, dass der Konflikt mit Russland eine Sackgasse ist, die schon jetzt viele Opfer fordert. Er ist überzeugt davon, dass Deutschland mit Russland gut auskommen könnte, wenn die deutsche Politik den Willen dazu hätte. Er plädiert für Dialog statt Konfrontation. Er hält es mit dem ehemaligen Bundeskanzler Willy Brandt: «Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den Frieden nichts.» •
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