Anja Tuw aus Gorlowka erzählt über den Donbass und ihr eigenes Leben

Anja Tuw aus Gorlowka erzählt über den Donbass und ihr eigenes Leben

von Brigitte Queck

Anja Tuw, 33 Jahre alt, ist eines von vielen Tausend Opfern der Beschiessung des Donbass durch ukrainische Truppen im Zusammenspiel mit den USA/der Nato auf Befehl der derzeitigen ukrainischen Regierung unter Poroschenko. Auf ihrer Durchreise zum Menschengerichtshof in Strassburg kam Anja Tuw auch für ein paar Tage nach Berlin. Sie berichtete am 13. Juli bei einer Veranstaltung einer Berliner Zeitung.
Bei der Beschiessung ihrer Heimatstadt Gorlowka, die bis heute andauert, verlor sie ihren Mann, ihre Tochter und ihr Haus, in dem sie mit ihrer Familie jahrelang gelebt hatte, wie viele andere Menschen ihrer Stadt. Sie, die früher, wie sie sagte, völlig unpolitisch war, klärt nun im Auftrage der Menschen ihrer Heimatstadt sowie der Bewohner von Donezk bei ihrer Reise durch Europa auf, was die Menschen dort bewegt, sich gegen die Poroschenko-Regierung zu stellen, die, wie Anja Tuw sagt, von niemandem wirklich gewählt wurde und nur von den USA/der Nato unterstützt wird, während die ukrainischen Soldaten Verbrechen am eigenen Volk begehen.
So wie die Krim haben sich auch die Bewohner von Donezk und Lugansk nicht dem vom Westen finanzierten Regime change in der Ukraine unterworfen. Darauf erfolgte auf Befehl von Poroschenko, dem derzeitigen ukrainischen Präsidenten, die Beschiessung der Ostukraine.
Es war, wie Anja schilderte, ein schreckliches Ereignis für alle Bewohner ihrer Stadt.
Vor der Beschiessung der Stadt – es war vor den Schulferien im Jahre 2015 – hatte Anja ihrer 11jährigen Tochter versprochen, falls sie gute Zensuren nach Hause brächte, dürfe sie in ein Sommerlager fahren. Doch dazu kam es nicht mehr.
Die Familie – ihr Mann, ihre Tochter, ihr kleiner Sohn – sassen im Garten, als die Beschiessung begann. Ihr Mann ging eilig mit der Tochter ins Haus, um sich dort zu verbergen. Anja wurde durch die Druckwelle einer Granate, die das Dach ihres Hauses traf, an der Tür nach draussen geschleudert. Anja richtete sich mühsam auf, gelangte schliess­lich ins Haus, wo sie sich vor der weiteren Beschiessung mit ihrem Sohn hinter dem Kühlschrank ihres Hauses verbarg.
Eine weitere Granate, die ebenfalls ihr Haus traf, zerfetzte ihr die Hand, und sie verlor fast das Bewusstsein. Aber die Sorge um ihren Mann und ihre Tochter hielten sie aufrecht. Sie grub mit einer Hand nach ihren verschütteten Lieben und rief laut um Hilfe.
Endlich kamen ein Nachbar und eine Krankenschwester, die sie notdürftig verbanden. Nur die aus dem Keller gezogenen Leichen ihres Mannes, dessen Körper in zwei Teile gerissen war, und die ihrer 11jährigen Tochter blieben ihr in Erinnerung, bis sie endgültig das Bewusstsein verlor!
Alle Infrastrukturen der Stadt Gorlowka wurden systematisch zerstört: Wohnhäuser, Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten.
Da es schwerverletzte Opfer gab, die nach der Beschiessung durch Mörsergranaten und Drohnen kaum oder nicht erkennbar waren, hatten die Kinder, die trotz Beschiessung zeitweise die Schule oder den Kindergarten besuchten, die Pflicht, auf ihrer Kleidung ihre Erkennungsdaten zu tragen, und hatten eine Anweisung, wie sie sich im Falle einer Beschiessung zu verhalten hatten.
Viele Monate wurde Gorlowka so wie auch Hunderte von Dörfern und Städten der Ostukraine beschossen und bombardiert. Die Familien mussten fast die ganze Zeit in den Kellern ihrer Häuser leben. Im Winter erkrankten viele Kinder an Lungenentzündung.
Anja gebar in dieser Zeit ihr drittes Kind!
Nachdem das Minsker Abkommen im Jahre 2015 unterzeichnet worden war, hatten auch die Menschen in Gorlowka Hoffnung, dass bald der Krieg vorbei sein und sie wieder ein normales Leben führen würden. Aber die Hoffnung wurde zerstört. Die Beschiessung von Gorlowka geht von fünf Seiten aus weiter.
Anja wurde mit ihren zwei Kindern erst in den Donbass und von da aus auf Einladung einer Freundin nach Italien gebracht, wo sie und ihre Kinder sich einige Monate erholen konnten.
Die italienische Organisation «Rettet die Kinder des Donbass!» sammelte Geld, und Anja bekam eine bewegliche Handprothese, mit der sie ihre Kinder wieder umarmen kann.
Schliesslich holte sie ein einstiger Freiwilliger der Volksarmee des Donbass, der sich nunmehr mit der Zustellung humanitärer Hilfe für den Donbass von Moskau aus beschäftigt, in seine Moskauer Wohnung, wo Anja seither zusammen mit ihren zwei Kindern und ihrer Mutter lebt.
Anja, die vorher nie politisch war, ist empört, wie ein ukrainischer Präsident sein eigenes Volk, das Volk im Donezk, auslöschen will, wie er selbst und seine ihm untergebenen Minister fordern. Aber gerade die Donezker Bevölkerung hat, vor allem als Bergarbeiter dort, zum wirtschaftlichen Aufschwung in der Ukraine beigetragen.
Anja Tuw hat sich, von vielen Bewohnern der geschundenen Heimatstadt Gorlowka bestärkt, das Ziel gesetzt, nicht nur ihr Schicksal vor den Strassburger Menschengerichtshof zu bringen, sondern bei ständigen Reisen durch Europa die Menschen hier aufzuklären, dass im Donezk keine Terroristen leben, wie ihnen die Regierungen der US-/Nato-Länder beziehungsweise deren Zeitungen, Fernsehsender weismachen wollen, sondern normale Menschen wie du und ich. Im Gepäck hat sie auch ein Buch mit mahnenden Zeichnungen der Kinder von Gorlowka, die wie andere Kinder in der Welt nichts sehnlicher als den Frieden wollen.    •

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