Die Empörung in Deutschland und Frankreich gegenüber den neuen US-Sanktionen gegen Russland ist verständlich, denn es geht diesmal nicht nur um «Moral» oder «Selbstbestimmung», sondern um viel Geld. Wenn die US-Sanktionen so in Kraft treten, sind sie freilich völkerrechtswidrig, inkompatibel mit Völkergewohnheitsrecht, mit dem Freihandel, mit der Uno-Charta, mit Bestimmungen der Welthandelsorganisation, mit etlichen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen, unter anderem Resolution 2625.
Man hofft, dass der US-Präsident sein Veto einlegen wird, aber eine deutliche Gefahr besteht, dass der US-Kongress die Sanktionen trotz des Trump-Vetos durchsetzt. Darum müssen die europäischen Politiker rechtzeitig einen «Plan B» haben, sich einiges einfallen lassen und konkrete Massnahmen beziehungsweise Gegenmassnahmen beschliessen.
Man beschwert sich darüber, dass die Sanktionen den US-Konzernen nutzen und den europäischen Konzernen schaden, unter anderem deutschen und europäischen Firmen in Zusammenhang mit Pipeline-Systemen usw. Neben diesen wirtschaftlichen und kommerziellen Sorgen kommt hinzu, dass die extraterritoriale Anwendung von US-Gesetzen zweifelsohne völkerrechtswidrig ist, was eine internationale Gerichtsbarkeit schnell feststellen würde. Man soll sich an verschiedene Uno-Instanzen wenden – unter anderem an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag – sowohl in seiner Kompetenz, internationale Streitfragen zu klären, als auch in seiner Funktion, rechtliche Gutachten zu erstellen. Man kann sich ebenfalls an den Ständigen Schiedsgerichthof, ebenfalls in Den Haag, wenden, an die Welthandelsorganisation in Genf usw.
Darüber hinaus kommen erhebliche menschenrechtliche Probleme hinzu. Die Uno hat unilaterale Sanktionen bereits 2000 in einem langen Bericht der damaligen Menschenrechtskommission verurteilt. Seit 2014 gibt es einen Uno-Sonderberichterstatter über unilaterale Sanktionen, der in mehreren Berichten die menschenrechtlichen Konsequenzen verdeutlicht hat. Es sind nicht nur Verletzungen des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, ebenfalls des Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, sondern auch Artikel der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Ausserdem entbehren diese US-Sanktionen jeglicher Legitimität. Wo bleiben die «Beweise», dass sich Russland in einer Weise völkerrechtswidrig verhalten hat, die diese Art Sanktionen rechtfertigen würde? Eigentlich stellen die Sanktionen einen Vorwand dar, eine Maskerade für die Durchsetzung von wirtschaftlichen Interessen der USA. Man muss die Souveränität und Selbstbestimmung der europäischen Staaten nicht nur behaupten, sondern auch aktiv verteidigen. •
* Alfred de Zayas ist UN-Sonderberichterstatter für die Förderung einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung. Die Stellungnahme entspricht seiner persönlichen Meinung.
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