Europa, USA und Russland – Chancen für Entspannung nutzen

Europa, USA und Russland – Chancen für Entspannung nutzen

von Karl Müller

Von Mitarbeitern der OSZE in Wien – und zwar keinen aus Russland – ist zu erfahren, dass die Vertreter der US-Regierung bei dieser internationalen Organisation in den vergangenen 3 Jahren immer wieder versucht haben, mit wenig überzeugenden «Indizien» und Unterstellungen, Propaganda gegen Russ­land zu betreiben. Ziel war es, die russische Regierung wegen der Situation in der Ukraine an den Pranger zu stellen und eine Stimmung des Kalten Krieges zu erzeugen. Innerhalb der OSZE ist dies dank aufrechter und verantwortungsbewusster Mitarbeiter und Politiker bislang nur zum Teil gelungen. Und wenn es jetzt wirklich zu einer anderen US-Politik im Umgang mit Russland kommen würde, gäbe es auch wirkliche Chancen, die Arbeit innerhalb der OSZE so zu gestalten, dass man wieder auf einer sachbezogenen Grundlage zum Wohle aller beteiligten Staaten und Völker zu mehr Ausgleich kommen könnte.
Aber es gibt auch Kräfte, die ein solcher Ausblick stört. Am 9. Januar 2017 haben 17 ehemalige und noch aktive Politiker aus mittel- und osteuropäischen Staaten, darunter der ehemalige schwedische Aussenminister Carl Bildt, der Präsident Bulgariens Rosen Plevneliev, der estnische Präsident Toomas Hendrik Ilves, der frühere polnische Aussenminister Radoslaw Sikorski und der ehemalige tschechische Aussenminister Karel Schwarzenberg, einen Brief an den gewählten US-Präsidenten Donald Trump gerichtet und diesen dazu aufgefordert, die konfrontative Politik seiner Vorgängerregierungen fortzusetzen. Die Vorwürfe, welche die Verfasser des Briefes in Richtung Russland richten, sind allesamt bekannt und sollen hier nicht erneut erörtert werden. Interessant ist indes, was die Briefschreiber zur Frage schreiben, was sie mit der bisherigen US-Politik verbunden hat: «Wenn Amerika uns in der Vergangenheit gerufen hat, sind wir gekommen: Wir waren mit Euch im Irak. Wir waren mit Euch in Afghanistan. Wir haben die Risiken zusammen getragen und unsere Söhne und Töchter gemeinsam geopfert.»
Offensichtlich finden die Briefschreiber es erwähnenswert, völkerrechtswidrige Kriege mit Millionen von menschlichen Opfern (vor allem in den angegriffenen Ländern), mit der Zerstörung von Staaten und Kulturen und der Schaffung eines Nährbodens für den internationalen Terrorismus mitverantwortet zu haben – und all das soll etwas Positives sein. Sind da nicht Zweifel an der Ehrlichkeit angebracht, wenn diese Briefschreiber nun in bezug auf Russland schreiben, eine US-amerikanische Verständigung mit dessen Präsidenten würde «nicht den Frieden bringen», sondern «die Kriegsgefahr erhöhen»? Und ist es nicht ein Innehalten für Europa wert, erkennen zu müssen, wer die politischen Geschicke dieses Kontinents in den vergangenen Jahren bestimmt hat und immer noch bestimmen will?
Aber es gibt auch andere Stimmen: Anfang Dezember haben Deutsche und US-Amerikaner einen Aufruf mit dem Titel «Die Spirale der Gewalt beenden – für eine neue Friedens- und Entspannungspolitik jetzt!» (www.neue-entspannungspolitik.berlin) veröffentlicht und mittlerweile sehr viele Unterstützer aus der ganzen Welt gewonnen. Die Unterzeichner berufen sich auf die «Charta von Paris» vom November 1990 – einen gemeinsamen Beschluss aller OSZE-Staaten, mit dem sich die Regierungen verpflichtet haben, eine gesamteuropäische Friedensordnung zu schaffen. Weiter heisst es im Aufruf: «Ohne Zusammenarbeit mit Russland drohen weitere Konfrontation und ein neues Wettrüsten, die Eskalation des Ukraine-Konflikts und noch mehr Terror und Kriege im Nahen Osten, die Millionen Menschen in die Flucht treiben. Europäische Sicherheit wird – trotz aller politischen Differenzen über die Einschätzung des jeweils anderen inneren Regimes – nicht ohne oder gar gegen, sondern nur gemeinsam mit Russ­land möglich sein.» Und am Ende des Aufrufs heisst es: «Heute ist die breite gesellschaftliche und parteiübergreifende Debatte über Entspannungspolitik notwendiger denn je, um zu helfen, die Konfrontation in Eu­ropa zu beenden und die europäischen Krisen zu bewältigen und – mit Nutzen für die ganze Welt – eine Zone gesamteuropäischer ‹gemeinsamer Sicherheit› durch Zusammenarbeit aller Staaten von Vancouver bis Wladiwostok durchzusetzen.»
Man muss diesen Aufruf nicht in allen Formulierungen teilen. Aber er ist doch etwas anders als der Brief der 17 Politiker. Eu­ropa braucht dringend etwas anderes als noch mehr Konfrontation mit Russland: eine Besinnung auf die europäischen Werte und eine aufrechte Identität, eine gesunde Stärke und den Einsatz für Recht und Kriegsverhinderung – und ganz dringend: gute Diplomatie und Ausgleich.    •

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