In diesem Jahr hat der Schweizer Heimatschutz die mittelalterliche Stadt Sempach mit ihrem noch älteren Weiler Kirchbühl mit dem Wakkerpreis ausgezeichnet – für ihre sorgfältige und zeitgemässe Weiterentwicklung ihres historischen Erbes und für die durch die Bauverwaltung und Gemeinde entwickelte Diskussionskultur über das Planen und Bauen in ihrem Ort.
Henri-Louis Wakker, ein Genfer Geschäftsmann, ermöglichte durch sein Vermächtnis im Jahre 1972 dem Schweizer Heimatschutz, diesen Preis jedes Jahr einer politischen Gemeinde zu verleihen, in Anerkennung ihrer Bemühungen zu Erhalt, Pflege und auch sorgfältiger Ergänzung ihres Ortsbildes. In der Zentralschweiz erhielten die Städte Cham (1991), Sursee (2003) und jetzt eben Sempach diese prestigeträchtige Auszeichnung.
Die Stadt Sempach gestaltete die Preisverleihung am 24. Juni 2017 im gleichen Geist, wie sie seit Jahren anstehende Bauprojekte entwickelt hatte: Auf dem offenen Kirchvorplatz war die gesamte Gemeinde bei der Übergabe der Ehrentafel, der Würdigungsrede vom Heimatschutz, den Grussworten der Luzerner Regierung, jeweils umrahmt von einem Bläserquartett, auf Einladung des Stadtpräsidenten Franz Schwegler versammelt. Dieser rief seinen Bürgern zu, welch ein freudiger und stolzer Tag dies für den Ort sei: ein Ausdruck der wechselseitigen Wertschätzung von Amt und Bauherren beim Erringen sinnvoller und guter Lösungen für beide Seiten – für das Gemeinwesen ebenso wie für die bauwilligen Bürger. So wolle er seinen Dank nach beiden Seiten ausdrücken, gegenüber dem Schweizer Heimatschutz für die Ehrung und zugleich gegenüber der Ortsgemeinschaft, die die Vorhaben in der Gemeindeversammlung befürwortete und letztlich auch bezahle.
Die agile Bauvorsteherin und Architektin, seit 2008 im Amt, bekannte, dass nach manchmal nicht ganz einfachen Planungs- und längeren Entwicklungszeiten diese Auszeichnung eine wichtige Bestätigung des eingeschlagenen Weges sei. «Wir wollen weiterhin wakkern, nicht wanken in unserem Bemühen, das Kleinod Sempach als unser lebenswertes, lebendiges Städtli zu gestalten.»
Bei den am Morgen angebotenen Führungen durch Mitarbeiter des Bauamtes konkretisierten sich die Arbeitsweise und der interne Anspruch für die Teilnehmer: Steht ein Bauprojekt an, werden von Beginn seiner Planung an durch private oder von der Stadt ausgeschriebene Wettbewerbe Ideen für die Gestaltung des Objektes und seines Umfeldes gesammelt. Auch zunächst zögerliche Bauherren bestätigen im Nachhinein, dass bei aller Zeitverzögerung und eventuellen Mehrkosten ihre Liegenschaft durch die verbreiterte Ideengrundlage deutlich gewonnen habe: Zum Beispiel standen innerhalb des südlichen Stadtmauerrings zwei grosse Scheunen früherer Ackerbürger, die nun nicht mehr gebraucht wurden und verfielen – neben dem wehrgerechten Höllenturm als Teil des Mauerrings keine gute Visitenkarte. Heute nimmt ein sehr breit gelagertes Wohn- und Geschäftshaus die Bogenlinie der Stadtbefestigung auf, zitiert im Erdgeschoss die Bruchsteinmauerwand und schafft für die Bewohner nach innen hin noch eine Grün- und Spielfläche mit Offenheit zur Innenstadt.
Das spätmittelalterliche Rathaus von 1474 an der breit angelegten Städtli-Hauptstrasse zwischen dem Luzerner Tor und dem wiederaufgebauten(!) Ochsentor, die früher ein Teil des Handelsweges von Basel zum Gotthard-Pass war, ist in enger Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege jetzt ein Museum und ein interessanter Raum für Versammlungen entstanden. Ein ochsenblutfarbiger Fachwerkbau, die Loggien jetzt mit beweglichen Senkrechtholzlamellen geschützt, begeistert von aussen wie von innen mit dem geöffneten Dachstuhl und der Darstellung der Schlacht von Sempach gegen die Österreicher von 1386.
In der Oberstadtstrasse gab es in Sichtweite der Kirchplatzes eine hässliche Baulücke neben dem Fachwerkhaus der florierenden Bäckerei mit Café, die ihre Backstube nebenan beibehalten wollte. Die Stadt, der Bäcker und weitere Anwohner wussten zunächst keinen Rat. Durch einen Wettbewerb entstand die Idee, zwei nicht erhaltenswerte Altbauten der Reihenbebauung aufzugeben – ein Projekt, zu dem im Prozess des Auseinandersetzung alle Beteiligten ihre Zustimmung gaben. Die Hausnummern 3 und 5 wurden in unterschiedlicher Gestaltung, in Massen und Dimensionen aber dem Strassenbild angepasst, in moderner Formensprache und Ausstattung errichtet. Im ersten Moment dachte man, die auch hier verwendeten verkleidenden Hochkantlamellen würden den Innenräumen doch das Licht rauben – aber beim «Durreluege» besonders im Erdgeschoss kann man die Bäcker bei der Arbeit sehen, während in den oberen Stockwerken die Verstellbarkeit für Lichteinfall sorgt. Die Hausnummer 7 ist stehengeblieben, die Nr. 9 neu eingefügt, wieder mit ebenerdigem Gewerbe. Rund um diesen Häuserzug beleben Familien, Kinder und Kunden die Strasse.
Im Weiler Kirchbühl
Grosszügig organisiert brachte ein Bus die Gruppe der Besucher in den Weiler Kirchbühl etwas oberhalb der Stadt, ihren urspünglichen Siedlungssraum mit der 1000jährigen St. Martinskirche. Mehrere wetterfeste Bauernhäuser mit Loggien zum Trocknen von Pflanzen und Wäsche versammeln sich dort, jetzt wirtschaftet aber nur noch ein Vollzeitbauer. Die von den Wohnhäusern abgesetzten Riesenscheunen standen zunächst leer. Zwei Bauernsöhne konnten, durch viel Erfindungsgeist von aussen und Bereitschaft der Beteiligten, auf diesem Grundstück ihre beiden zweistöckigen Wohnhäuser mit je einer Mietwohnung, mit Blick vom Hügel über den See und in die Landschaft, errichten. Zur Dorfstrasse hin rundet ein stattlicher «Schuppen», als Garage und Abstellraum genutzt, das holzverkleidete Ensemble zum Umfeld ab. So erhalten die jungen Familien durch ihren herkömmlichen Besitz ein zusätzliches Einkommen, bleiben in ihrem Geburtsort und helfen, ihn zu erhalten und zu bereichern. Wegen seiner Kirchenanlage ist Sempach Ziel vieler Besucher, die jetzt noch einen Grund mehr haben vorbeizukommen; denn die Bewohner tragen alle durch die Pflege ihrer Wohnhäuser und Bauerngärten zum Ortsbild bei.
Das Informationsblatt zum Wakkerpreis hebt die Gestaltung im Kirchbühl als «mehr als die Summe der einzelnen Teile» hervor. Dem kann man nach dem fast zweistündigen Stadtrundgang als Besucher nur zustimmen, denn das zentrale Anliegen von Verwaltung und Gemeinde wurde unter Beteiligung aller Bürger beispielhaft umgesetzt. •
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