Was ein «institutionelles Rahmenabkommen» – das heisst die Unterstellung der Schweiz unter das Recht und die Rechtsprechung der EU – bedeuten würde, können wir zurzeit am Beispiel der Verschärfung der EU-Waffenrichtlinie durch EU-Parlament und EU-Rat hautnah erleben. Da die Autorin keine Waffenexpertin ist, nur soviel zum Inhalt der Richtlinie: Als Reaktion auf die Terroranschläge von 2015 in Paris haben die EU-Spitzen im Frühjahr 2017 den privaten Besitz von Schusswaffen, besonders auch von Armeewaffen, stark eingeschränkt. Die Mitgliedsländer haben nun 15(!) Monate Zeit für die Umsetzung der geänderten Richtlinie. Jäger, Sportschützen, Sammler und Museen in vielen Ländern haben sich immerhin Ausnahmen erstritten.1
Diese EU-Waffenrichtlinie war im März 2017 Thema im Nationalrat und in der aktuell stattfindenden Herbstsession im Ständerat. Eine Motion aus dem Nationalrat verlangte vom Bundesrat, dass er sich mit EU-Staaten zusammentun und Widerstand gegen eine Verschärfung des Schweizer Waffenrechts leisten soll.2
Was hat denn die Schweiz mit der Waffenrichtlinie aus Brüssel zu tun, werden Sie sich nun fragen. Wie kommen wir dazu, uns gegen die drohende Abschaffung unserer Schützentradition wehren zu müssen? Genau dieselben Fragen hatte ich auch.
Bundesrätin Simonetta Sommaruga hat dies im März dem Nationalrat und damit auch uns Bürgern erklärt: «Die Anpassung der EU-Waffenrichtlinie stellt eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstandes dar, und Sie wissen: Die Assoziierung an Schengen/Dublin war Gegenstand einer Volksabstimmung, sie ist also ein Volksauftrag, damit wir bei Schengen/Dublin dabei sind. Man wusste damals sehr genau, worauf man sich einliess, das war ja intensiv diskutiert worden, dass eben die Schweiz grundsätzlich verpflichtet ist, im Rahmen des Schengen-Besitzstandes Weiterentwicklungen zu übernehmen und dann im nationalen Recht umzusetzen. Wir müssen das also im nationalen Recht umsetzen, es ist keine automatische Übernahme.» [Hervorhebung mw.]3
Wussten Sie damals genau, worauf sich die Schweiz mit Schengen/Dublin einliess? Ich wusste es nicht genau. Wer konnte denn vor 12 Jahren wissen, welche neuen Erlasse in Brüssel künftig beschlossen werden? Deshalb habe ich am 5. Juni 2005 mit Nein gestimmt.
In der Broschüre «Schengen/Dublin – kurz erklärt»4 erfährt der interessierte Leser auf 19 Seiten, was alles zu diesem Abkommen gehört, welches die «Internationale Zusammenarbeit im Bereich der inneren Sicherheit und im Asylwesen» regelt. Zum Beispiel «Minimalregeln zur Bekämpfung des Feuerwaffen- und Drogenhandels» mit entsprechender Anpassung des Schweizer Waffenrechts, «ohne jedoch das Jagd-, Schützen- und Sammlerwesen in Frage zu stellen» (S. 14; Hervorhebung mw.). Ich wiederhole meine Frage: Wussten Sie damals genau, was Schengen/Dublin künftig für den schweizerischen Rechtsstaat und die direkte Demokratie bedeuten würde? Wusste es Frau Sommaruga genau?
So etwa würde die Schweizer Rechtsetzung nach dem Abschluss eines institutionellen Rahmenabkommens mit Brüssel aussehen: Der Nationalrat diskutiert am 15. März 2017 die Motion 16.3719, die den Bundesrat lediglich darum bittet, dass er sich «im Interesse des Volkes für ein liberales und freiheitliches Waffenrecht einsetzt, das unseren schweizerischen Traditionen entspricht». Der Motionär kann sogar auf einen Volksentscheid verweisen, nämlich die klare Ablehnung der Volksinitiative «Für den Schutz vor Waffengewalt», die vom Schweizer Volk am 13. Februar 2011 mit 56,3 % Nein-Stimmen abgelehnt wurde. Die Annahme jener Initiative hätte zur Folge gehabt, dass die Schweizer Soldaten ihr Sturmgewehr nicht mehr hätten zu Hause aufbewahren dürfen; das wollte die Mehrheit des Stimmvolks nicht.
Am 15. März dieses Jahres versichert Frau Sommaruga denn auch, sie habe sich im Sinne der Motion dafür eingesetzt, «dass die Weiterführung der schweizerischen Tradition des Sportschützenwesens möglich ist. Bekanntlich nutzen Sportschützen häufig die ehemalige Armeewaffe. Die Schweiz hat sich also dafür eingesetzt, dass diese bei Beendigung der Dienstpflicht auch weiterhin übernommen werden kann. Dieses Ziel haben wir erreicht». [Hervorhebung mw. und Anmerkung: Also kann der Bundesrat ab und zu doch etwas erreichen in Brüssel? Das müssen wir uns für andere Auseinandersetzungen merken!] Deshalb könne der Nationalrat der Motion ruhig zustimmen, denn der Bundesrat habe ohnehin alles getan, was in Brüssel möglich sei; allerdings müsse die EU-Richtlinie noch in nationales Recht umgesetzt werden. Der Nationalrat lässt sich nicht auf den späteren Entwurf dieses Umsetzungs-Gesetzes vertrösten, sondern nimmt die Motion mit 118 Ja gegen 58 Nein bei 3 Enthaltungen an.5
Der Ständerat dagegen lehnt am 11. September 2017 die Motion mit 29 zu 13 Stimmen und 2 Enhaltungen ab, nachdem Bundesrätin Sommaruga erklärt hat: «Ob Sie sich für Ablehnung oder Annahme entscheiden – das Wichtigste ist, dass wir uns über den Inhalt einig sind. Ob Sie jetzt annehmen oder ablehnen, führt in bezug auf die Ausrichtung, wie es weitergehen soll, zu keiner Differenz.»
Das geht ja schon fast so zu wie in den weitgehend entmachteten Parlamenten der EU-Mitgliedsstaaten: Ob National- und Ständerat ja oder nein sagen, spielt keine Rolle. Denn Frau Bundesrätin gibt ihnen die «Ausrichtung, wie es weitergehen soll», bekannt: «Wir werden diese Richtlinie umsetzen, denn sonst wäre automatisch […] die Beendigung von Schengen/Dublin eingeleitet worden. Das möchten wir keinesfalls.» So nebenbei erfährt der aufmerksame Bürger zudem, dass die Entscheidung darüber längst gefallen ist: Der Bundesrat habe bereits «gegenüber der EU deutlich gemacht, dass wir die Richtlinie umsetzen werden. Das müssen wir ja jeweils innerhalb von dreissig Tagen.»6
Unseren Bürgerinnen und Bürgern und den von uns gewählten National- und Ständeräten zum Nachdenken empfohlen: Es ist schlimm genug, wenn es bereits heute als Folge der Einbindung in die EU derart inhaltsleere Ratsdebatten in Bern gibt. Wenn wir nicht wollen, dass es in Zukunft im Schweizer Parlament immer weniger zu entscheiden gibt, dann dürfen wir einem «institutionellen Rahmenabkommen» nach Brüssels Gnaden keinesfalls zustimmen! •
1 vgl. Neue Verbote. EU-Parlament verschärft Waffenrecht – offener Streit auf Pressekonferenz. Spiegel online vom 14.3.2017
2 16.3719 Motion Salzmann Werner. Wir lassen uns nicht durch die EU entwaffnen!
3 16.3719 Motion Salzmann Werner. Nationalratsdebatte vom 15.3.2017
4 2. Ausgabe 2011. <link https: www.eda.admin.ch dam eda de documents publications europaeischeangelegenheiten schengen_de.pdf>www.eda.admin.ch/dam/eda/de/documents/publications/EuropaeischeAngelegenheiten/Schengen_de.pdf
5 16.3719 Motion Salzmann Werner. Nationalratsdebatte vom 15.3.2017
6 16.3719 Motion Salzmann Werner. Ständeratsdebatte vom 11.9.2017
«In bezug auf die Übernahme der neuen Waffenrichtlinie ist aber auch auf die Bedürfnisse des traditionell etablierten Schiesswesens und auf die Schützen und Jäger Rücksicht zu nehmen. Wir haben das Waffenrecht schliesslich unlängst angepasst und erheblich verschärft.»
mw. Allen Europäern zum Nachdenken: Dass die Brüsseler Bürokratie bei ihrer Rechtsetzungs-Maschinerie auf die Traditionen der Schweiz, der 28 EU-Mitgliedsländer und der 3 EWR-Staaten Rücksicht nehmen kann, ist schlicht unmöglich. Abgesehen davon verfolgt die EU-Zentrale ganz andere Ziele: Für kulturelle Vielfalt ist im angepeilten Einheitsstaat mit Einheitsrecht kein Platz, wohl aber für die digitale Totalüberwachung der Bürger. Diesem Ziel dient auch eine schärfere Kontrolle des Waffenerwerbs und -besitzes. Terrorangriffe kann man damit nicht verhindern, denn Terroristen kaufen ihre Waffen bekanntlich nicht im Laden …
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