Die Schweiz züchtet junge IT-Zombies, die unsere komplexe Welt nicht verstehen

Die Schweiz züchtet junge IT-Zombies, die unsere komplexe Welt nicht verstehen

von Klaus J. Stöhlker*

Der Weg in die digitale Leibeigenschaft ist vorgezeichnet. Bankangestellte und -berater werden digital geführt und erfasst. Sie müssen den Leistungsnormen entsprechen, damit sie eine Beschäftigung finden. Wer nicht wie alle aussieht, schlank und agil, gilt rasch als Aussenseiter, weil schwer kontrollierbar. Haben dies nicht die grossen Schriftsteller und Zukunftsforscher des 20. Jahrhunderts schon einmal beschrieben?
Die Schweiz, als fortschrittliches Land mit den höchsten WEF-Bewertungen, bringt jetzt schon eine Bevölkerung hervor, die den neuen Weltnormen Rechnung trägt. Deshalb gibt es offiziell kein Schweizervolk mehr, sondern nur noch eine bunt gemischte Bevölkerung; deshalb wird kaum noch Schweizer Geschichte gelehrt, sondern europäische und Weltgeschichte.
Wer die Gleichheit der vielen will, zerstört die Freiheit der wenigen. Daher entsteht nun ein «Surveillance Capitalism», der die kommerzielle Überwachung der vielen zur Notwendigkeit macht, damit sehr wenige die Kontrolle über 8 bis 10 Milliarden Menschen bewahren können. Wir haben es mit vier Weltmächten zu tun, welche derlei Systeme erarbeitet haben: USA, Russland, China und Israel, letzteres wohl eher eine Dependance der USA.
Die Schweiz hat die Zeichen der Zeit erkannt. Sie globalisiert ihre Wirtschaft, reduziert die Macht der Politiker und ihrer Parteien, optimiert die beiden Technischen Hochschulen in Zürich und Lausanne und schafft eine globale Mischbevölkerung von einem jederzeit kontrollierbaren Bildungsstand, die allen Anforderungen Silicon Valleys und der inneren Sicherheit Genüge leistet.
Wer wissen will, wie es um die Zukunft bestellt ist, sollte die Schulausbildung seiner Kinder und Enkel genauer unter die Lupe nehmen. Diese ist heute nach dem Prinzip der Null-Toleranz angelegt. Wer als Schüler sich falsch verhält oder – nach Meinung der Schulleitung, die dem Lehrplan 21 folgen muss – sich einer groben Regelverletzung schuldig macht, wird sofort bestraft. Wird die Tat nicht gestanden, wird das Kind der Kinder- und Jugendpsychiatrie zugewiesen. Es gibt keine Diskussionen und Abklärungen, sondern auf die Tat erfolgt zwingend die Konsequenz. George Orwell könnte dies nicht besser beschrieben haben.
Das Ziel sind bereitwillige Arbeitnehmer für die Wirtschaft, die sozialkompetent sind, umweltbewusst, gendergerecht und eigenständig; die lebenslang zum Lernen bereit sind. Der den kantonalen Schulverwaltungen zugeordnete pädagogische Überbau, dem derlei zu verdanken ist, wurde in den letzten 20 Jahren aufgebaut. Sein Ziel ist eine ideale Gesellschaft, wo der Mensch selbstmotiviert vorgeht und eigenständig – im Rahmen der Vorgaben – handelt. Die Schwester des pädagogischen Überbaus ist die berüchtigte KESB, die Kinder- und Erwachsenen-Schutzbehörde, die den Familien das Recht auf die Betreuung von Kindern und Nahestehenden wie der selbständigen Verwaltung des Familienvermögens nimmt.
So ist die Schweiz in aller Stille bereits in das Vorzimmer des Überwachungsstaates eingetreten. Die erste Stufe sind Kindergarten und Schule als Häuser des Lernens, wo diszipliniert Fähigkeiten entwickelt werden sollen, die zu einem neuen Schweizer Menschen führen sollen. Professionelle Kleinkind-Erziehung soll problematische Prägungen oder mangelnde Förderung verhindern. Das Ergebnis ist ein Mensch, der in das digitale Zeitalter passt. In dieser diskreten Welt gibt es keine Lehrer mehr, sondern mehr und mehr Coaches. Sie treten auf als Berater von Schülerinnen und Schülern. Die Verantwortung für den Lernprozess wird vom Schüler selbst verinnerlicht.
«Die Vereinnahmung durch die Gruppe geschieht unbewusst», schreibt Allan Guggenbühl in «Total Data – Total Control», herausgegeben von Konrad Hummler und Fabian Schönenberger, Partner der M1 AG, einem Unternehmen des Ostschweizer Intellektuellen, in Zusammenarbeit mit der liberalen Progress Foundation und publiziert von NZZ Libro.
Was in der staatlichen Schweizer Bildung vorgeht, ist ein Skandal. Die Anpassung der jungen Menschen an die kalifornische IT-Welt hat einen Output an Schülern und Studenten zur Folge, deren Wissensstand laufend sinkt, deren Fähigkeit, sich mündlich und schriftlich elegant auszudrücken, enorm abgenommen hat und deren generelle Bildung von Jahrgang zu Jahrgang abnimmt. Sie erwerben Kompetenzen, aber immer weniger Fähigkeiten. Wir, die Älteren, die nach den Prinzipien der Freiheit gemäss Jean-Jacques Rousseau, Johann Heinrich Pestalozzi, Paul Geheeb, Wilhelm von Humboldt und Ivan Illich ausgebildet wurden, sehen staunend die nachwachsenden IT-Zombies, die genau jene komplexe Welt nicht mehr verstehen, in welcher sie aufwachsen.
Gezüchtet werden neugierige Individuen, die sich gerne dem System anpassen. Wer diesem Profil nicht entspricht, muss viel Geld erben, anheiraten oder selbst erwerben, um diesem Systemdruck zu entfliehen. Es ist selbstverständlich, dass dies nur den wenigsten gelingt, denn viel «free cashflow» und Intelligenz fallen selten zusammen. Eines alleine genügt nicht.
Die Behandlung gegen ADHS, also Aufmerksamkeits-Defizite, erfolgt längst mit Hilfe von Ritalin. Wer sich nicht konzentrieren kann, zu Wutausbrüchen neigt, wetterfühlig ist oder zu Entgleisungen neigt, wird chemisch ruhiggestellt. Wem dies nicht gefällt oder wer sich sonst, auch ohne ernsthaft krank zu sein, aus dieser Gesellschaft verabschieden möchte, steht der Weg zum staatlich geduldeten und medizinisch gesteuerten Selbstmord offen.
Den heute schon Arbeitenden bleibt wenig Luft zum Atmen ausserhalb der Konsumwirtschaft. Es sei denn in den entlegenen Alpentälern des Misox oder des Goms.    •

* Klaus J. Stöhlker ist Unternehmens- und PR-Berater in Zollikon ZH

Quelle: <link https: insideparadeplatz.ch external-link seite:>insideparadeplatz.ch vom 24.10.2017

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