Schleichend findet seit einigen Jahren ein systematischer militärischer Aufmarsch der Nato in Osteuropa statt. Der EU und den mit der Nato alliierten Staaten Europas ist es bisher nicht gelungen, diese Entwicklung zu stoppen. Spätestens seit dem Putsch in Kiew im Frühjahr 2014 ist deutlich geworden, dass die US-Aussenpolitik auf eine «Einkreisung» Russlands hinarbeitet und dabei die europäischen Staaten ins Schlepptau nimmt. Das Treffen der Verteidigungsminister der Natostaaten und das daran anschliessende Treffen der EU-Verteidigungsminister anfangs November in Brüssel liessen keinen Zweifel am konfrontativen Kurs aufkommen.
«Klar ist auch, dass im Zeitalter atomarer Bewaffnung ein kriegerischer Konflikt die Existenz nicht nur ganz Europas in Frage stellt. Russland hat sich unmissverständlich den Einsatz nuklearer Waffen vorbehalten, falls das eigene Territorium militärisch verletzt wird.»
rt. Der spätestens seit 2014 deutlich erkennbare Aufmarsch der Nato an der Grenze zu Russland wird weiter verfolgt. Zeit-Fragen berichtete unter anderem über die Panzertransporte im Juni 2017 von deutschen Nordseehäfen aus quer durch Deutschland und Österreich in den Osten Europas. 500 britische und US-amerikanische Panzerfahrzeuge wurden in die an Russland angrenzenden Staaten transportiert. Immer wieder waren die verschiedenen Militärtransporte über deutsche Seehäfen wie Bremerhaven seit 2014 ein Thema in den Medien. Mit der verstärkten Präsenz von US-amerikanischen Special Forces in Osteuropa wird nun ein weiterer Schritt zur Vorbereitung militärischer Operationen unternommen (vgl. Zeit-Fragen Nr. 29/30 vom 21.11.2017).
Am Treffen der Nato-Verteidigungsminister am 8./9. November in Brüssel wurde offiziell beschlossen, die militärische Infrastruktur im Osten weiter auszubauen, damit Truppen schneller verschoben werden können. So sollen Landesgrenzen keine «bürokratische» Hürde mehr darstellen. Verhandelt wurde diese grenzenlose Manövrierfähigkeit als «Vorzeigemodell» einer Kooperation zwischen Nato und EU (Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, «Neue Zürcher Zeitung» vom 9.11.2017). Ausserdem werden zwei zusätzliche Nato-Hauptquartiere eingerichtet werden. Touristen sind in jüngster Zeit die neuen, gut ausgebauten und kaum genutzten Autobahnen in den osteuropäischen Staaten vermehrt aufgefallen.
Beschleunigter Aufbau der EU-Armee
Parallel zu den Nato-Beschlüssen haben 23 von 28 Verteidigungsministern der EU-Staaten am 12. November beschlossen, ihre Armeen ergänzend enger zu verzahnen (Pesco), darunter auch das neutrale Österreich. Zu den Vereinbarungen gehört unter anderem, jährlich die Ausgaben des Militärhaushaltes zu steigern, europäische Rüstungsprojekte voranzutreiben und die schon lange geplante EU-Eingreiftruppe zu realisieren. Grossbritannien, Dänemark, Irland, Malta und Portugal unterzeichneten diesen Vertrag nicht.
Wie viele Truppen und Waffen inzwischen schon in Osteuropa zusammengezogen sind, wird in den Medien nicht thematisiert. Tatsächlich dienen die vielen Manöver der Nato oder einzelner Nato-Staaten im Osten Europas nicht nur dem konkreten Training für einen Ernstfall, sondern auch dem Aufbau der Infrastruktur und der Bereitstellung von Kriegsmaterial. Nach Auskunft von Militärexperten reicht das Nato-Potential heute (noch) nicht für einen Angriff. Mit dem weiteren Aufmarsch wird die Gefahr eines Krieges jedoch gesteigert.
Im Gegensatz zum norwegischen Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg verneint der Militärexperte und langjährige ehemalige militärische Berater im deutschen Kanzleramt Erich Vad, dass eine militärische Bedrohung von Russland ausgehe. Russland sei eher an einer Kooperation mit dem Westen interessiert (vgl. «Luzerner Zeitung» vom 16.11.2017).
Parallel zum militärischen Aufmarsch der Nato läuft auf US-amerikanisches Drängen hin ein Wirtschaftskrieg gegen Russland. Dieser trifft jedoch nicht nur Russland, sondern auch die Konjunktur vieler europäischer Staaten selbst (während die US-Industrie viele der Aufträge dankend übernimmt). Ausserdem hat die EU-Zentrale auf Drängen einzelner EU-Staaten begonnen, gegen das deutsche Gaspipelineprojekt Nord-Stream 2 vorzugehen. Mit diesem Projekt kann dem Kontinent eine zusätzliche Energieversorgung gewährleistet werden. Andernfalls muss das fehlende Gas dann zu höheren Preisen aus den USA eingekauft werden …
Seit 2014 beobachten Medienfachleute, dass in den europäischen Mainstreammedien wieder verstärkt systematisch antirussische Reflexe und Stereotypen aufgebaut werden (vgl. Hofbauer, Hannes. Feindbild Russland. 2016, ISBN 978-3-85371-401-0). Für Historiker gilt dies im allgemeinen als eine typische Kriegsvorbereitung. Der dabei ins Spiel kommende transatlantische Nachvollzug US-amerikanischer Vorgaben durch die europäischen Mainstreammedien ist inzwischen mehr als hinreichend belegt und beschrieben worden (Krüger, Uwe. Meinungsmacht. 2014, ISBN 978-3-869621241 oder <link http: www.swisspropaganda.ch>www.swisspropaganda.ch).
Seitdem das Barnett-Strategiepapier aus dem US-Pentagon auch in der Öffentlichkeit diskutiert wird, werden mögliche strategische Überlegungen, die hinter vielen Konfliktherden stehen, verständlicher. Offenbar geht es nicht mehr darum, Kriege im herkömmlichen Sinn zu «gewinnen», sondern ganze Regionen ins Chaos zu stürzen (Irak, Afghanistan, Jemen usw.), um sie damit auszuschalten bzw. zu kontrollieren (Barnett, Thomas P. M. The Pentagon’s New Map. War and Peace in the Twenty-first Century. Putnam Publishing Group 2004).
Es ist kaum anzunehmen, dass in den europäischen Hauptstädten noch nicht überlegt wurde, wie eine weitere Eskalation mit Russland verlaufen würde. Dass dabei ein künftiges militärisches Schlachtfeld Gebiete von Russland und grosse Teile Europas einschliesst (und nicht etwa Teile der USA), ist auch europäischen Politikern und Militärs klar.
Es stellt sich notwendigerweise die Frage, ob die russische Führung freiwillig einen Krieg auf ihrem eigenen Territorium in Kauf nehmen wird. Jede verantwortungsvolle Führung wird ihre Bevölkerung schützen und sie nicht einem sich immer mehr abzeichnenden Konflikt auf eigenem Territorium ausliefern. Dies hat Russland mehrmals leidvoll erleben müssen. Wohin würde also die militärische Führung Russlands ein zukünftiges Schlachtfeld im Zeitalter «flexibler Einsatztruppen» verlegen? Nach Frankfurt, nach Paris oder Zürich …? Die russische Armee hat in Syrien bewiesen, dass sie in der Lage ist, entfernte grössere Gebiete militärisch einzunehmen, besetzt zu halten und waffentechnisch abzuschirmen.
Klar ist auch, dass im Zeitalter atomarer Bewaffnung ein kriegerischer Konflikt die Existenz nicht nur ganz Europas in Frage stellt. Russland hat sich unmissverständlich den Einsatz nuklearer Waffen vorbehalten, falls das eigene Territorium militärisch verletzt wird.
In der angespannten politischen Situation an der Jahreswende 2017/2018 kann es nur darum gehen, bewusst verschiedene Schritte hin zu einer Deeskalation einzufordern. Doch dies setzt den ehrlichen politischen Willen aller Beteiligten voraus. Möglichkeiten dazu gäbe es genug. Die Möglichkeiten gegenseitiger militärischer Beobachtung könnten im Sinne vertrauensbildender Massnahmen massiv auf- und ausgebaut werden. Die Anzahl regelmässiger Treffen im Rahmen der OSZE mit dem Ziel, die Spannungen abzubauen, wäre schnell zu erhöhen. Der unsinnige Boykott gegen Russland kann schnell aufgehoben werden, damit ein «Wandel durch Handel» eintreten kann. Hier könnten eindeutige Signale aus Europa kommen. Dies wären erste notwendige Schritte zu einer Deeskalation, die schon heute beginnen könnte – und die auch von den vernünftigen Kräften jenseits des Atlantiks begrüsst würde! •
rt. Es gilt, je länger je mehr, die Koordinaten der schweizerischen Aussen- und Verteidigungspolitik nachzujustieren, um nicht selbst in das Fadenkreuz geopolitisch-militärischer Überlegungen zu geraten. Sicher hat sich die Situation jeweils 1848, 1870, 1914, 1939, 1989 oder 2001 immer wieder geändert. Nicht geändert hat sich aber auch im Festjahr Niklaus von Flües die sinnvolle Vorgabe, neutral zu bleiben. Dazu gehört, rechtzeitig auf äussere Signale sensibel zu reagieren und die Schweiz (wieder) unattraktiv für eine feindliche Übernahme zu machen.
rt. Die jüngste Veröffentlichung des schwedischen Stockholm International Peace Research Institute SIPRI weist einen weltweiten Anstieg der Ausgaben für Rüstungsgüter nach. Seit 2010 steige die Zahl wieder. 374,8 Milliarden US-Dollar an Waffeneinkäufen werden nachgewiesen, wobei nicht alle Ausgaben erfasst werden können. Über die Hälfte des weltweiten Umsatzes geht an US-amerikanische Konzerne. Eine wichtige Rolle bei den Verkäufen spielt die Zunahme an Konfliktregionen oder die Umrüstung auf modernere Waffensysteme. Bei den nationalen Rüstungsausgaben gibt der US-amerikanische Staat mehr Geld aus, als die acht dahinter folgenden Staaten gemeinsam an Rüstungsausgaben haben.
Die vermeintlichen Gewinner jeder militärischen Aufrüstung und Eskalation auf der Erde können also schnell ausgemacht werden. Es sind die Konzerne des «militärisch-industriellen Komplexes», wie ihn der scheidende US-Präsident Eisenhower 1961 warnend bezeichnet hatte. Er meinte damit die enge personelle Verflechtung zwischen Waffenindustrie und Politik. Dazu gehören US-Konzerne wie Lockheed, Raytheon oder Boenig. In Europa heissen diese Konzerne unter anderem EDAS, Dassault oder Krauss-Maffai. Natürlich «profitieren» alle Aktieninhaber der genannten Konzerne vom «Geschäft». Aber es ist kaum wahrscheinlich, dass alle europäischen Aktionäre nach einem Kriegsausbruch vom fulminanten Anstieg ihrer Rüstungsaktien persönlich noch profitieren würden.
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