Im Februar 2016 informierte ein Bericht der «Suizid-Beobachtungsstelle» darüber, dass in Frankreich die Landwirte die höchste Suizidrate aller Berufsgattungen aufweisen.
In den letzten Monaten haben mehrere Fälle den Kanton Waadt betroffen. In der Presse wurde viel darüber gesprochen. Erwähnt wurden insbesondere die erdrückende Last, die mit der Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes einhergeht, aber auch die bescheidenen Einkünfte, die durch kleinste Modernisierungen erforderlichen beträchtlichen Investitionen, die Schikanen von und der tägliche Papierkrieg mit den Behörden, die Gleichgültigkeit der Politiker von links wie von rechts und schliesslich die Schwierigkeit, eine Frau zu finden, die bereit ist, diese Belastungen zu teilen. Hinzuzufügen ist noch, dass der Bauer keine Anerkennung mehr erfährt für seine ursprüngliche Berufung, die Bevölkerung zu ernähren. Es ist nachvollziehbar, dass all dies bei einigen das Gefühl hervorruft, in der modernen Gesellschaft keinen Platz mehr zu haben. Die am stärksten Belasteten oder Empfindsamsten unter ihnen ziehen daraus einen verzweifelten Schluss.
Aus rein neoliberaler Sicht ist die landwirtschaftliche Produktion der Schweiz ein Unsinn. Die Betriebe sind zu klein, um rentabel zu sein, selbst wenn drei oder vier von ihnen zusammengeschlossen würden. Die Topographie der Schweiz ist gebirgig und oft sehr steil. Das Wetter ist unsicher. Trotz minimaler bäuerlicher Einkommen sind die Preise extrem hoch – wenn man sie mit denen der dritten Welt vergleicht. Aus rein marktwirtschaftlicher Sicht hätte die Schweizer Landwirtschaft somit als Hauptquelle für die Lebensmittelversorgung des Landes keine Zukunft – sie dürfte nicht einmal eine Vergangenheit haben.
Der internationale Markt für Agrarprodukte ist in höchstem Masse verzerrt. Einerseits gewährt die Regierung – auf Grund internationaler Verpflichtungen – ihren Bauern nur minimalen Grenzschutz mit Hinweis auf den freien Markt. Gleichzeitig erinnert sie jedoch ein Rest an Überlebenstrieb daran, dass ohne einen hohen Grad an Ernährungsautonomie auch die Landesverteidigung wenig Sinn macht. Deshalb, und im Gegensatz zu den elementarsten Marktgesetzen, unterstützt unsere Regierung ihre Landwirtschaft künstlich durch Direktzahlungen.
Diese schizophrene Praxis wird zum grössten Teil auf dem Rücken der Bauernschaft ausgetragen, die man so in gefährliche wirtschaftliche und menschliche Engpässe treibt, verstärkt durch erniedrigende Unterstützungszahlungen, die nicht notwendig wären, wenn die Schweizer für ihre Nahrungsmittel einen gerechten Preis bezahlen würden.
Was die Internationalisierung des Warenaustausches betrifft, so sind die Sozialisten im Grunde einig mit den Neoliberalen, selbst wenn ihre Motive eher moralisch als ökonomisch sind: Man muss sich öffnen, solidarisch sein, sich nicht isolieren. Schon nur der Wunsch nach Ernährungsautonomie, der sich implizit auf einen zukünftigen Krieg bezieht, offenbart einen mit den Idealen der Linken nicht vereinbaren Egoismus und Pessimismus.
Es gibt auch eine grundsätzliche Unvereinbarkeit zwischen allen Strömungen der Linken und der Bauernschaft. Der Bauer ist ein Eigentümer und Chef. Er ist dynastisch, da er für den Fortbestand eines Geschlechtes einsteht. Er «regiert» über seinen Betrieb. Kurz gesagt, er ist von Grund auf konservativ. Selbst seine Offenheit gegenüber technischen Neuerungen verfolgt einzig das Ziel, den Fortbestand seines Betriebes zu gewährleisten.
Jedes einzelne dieser Motive reicht aus, um ihn verdächtig erscheinen zu lassen in den Augen einer Linken, die ständig neue Gesetze zu Raumordnung und Naturschutz schafft und ausbaut und vieles mehr. Dies betrifft gewiss viele Menschen, aber ganz speziell die Bauern.
Philosophisch betrachtet, besteht der Fehler des Bauern darin, täglich die Unterwerfung des Menschen unter den Willen des Himmels und der Erde zu verkörpern – trotz Mechanisierung, Chemie, Biologie, genetisch veränderten Organismen und Informatik. Er wagt es, an die Grenzen des menschlichen Willens zu erinnern, und zwar eine Gesellschaft, die von rechts bis links in der Wahnvorstellung einer totalen Beherrschbarkeit lebt. Und gerade diese Tatsache will man heutzutage nicht mehr akzeptieren.
Die Tendenz zum Staatsinterventionismus hat sich unter dem Druck der Umweltschützer nochmals massiv verstärkt. Sie sorgen sich um die Zukunft unseres Planeten, alarmiert durch die Erwärmung der Meere und die klimatischen Veränderungen, die demographische Explosion, die Risiken der militärischen und zivilen Atomkraft, das kontinuierliche Aussterben verschiedenster Tierarten. Sie wollen die weitere technische Evolution der Welt um jeden Preis blockieren und bleiben ständig auf der Bremse. Auf politischer Ebene scheint für sie der gesetzliche Zwang das einzige Mittel zu sein, um auf die Schwere der Probleme und die Dramatik der Situation zu reagieren. Dabei kümmern sie sich kaum um die entstehenden Kollateralschäden in den Bereichen der individuellen Freiheit und des Eigentums – auch wenn dieses ein familiäres und nicht spekulatives ist.
Dem blinden Vertrauen, das die Sozialisten den Gesetzen und der Verwaltung entgegenbringen, schliessen sie sich an. Sie weigern sich anzuerkennen, dass die beste Idee – ganz zu schweigen von den schlechten – völlig verändert wird, wenn man sie in einen Verfassungsartikel, ein Gesetz, eine Verordnung und schliesslich in Anwendungsrichtlinien verpackt. Die lebendige Idee verkommt so zu einem leblosen Verfahren, das sich in den Kanälen der Bürokratie zersetzt, losgelöst vom ursprünglichen Sinn nur noch als Selbstzweck existiert und, da der politischen Kontrolle entglitten, kaum mehr reformiert werden kann.
Die dieser Entwicklung zugrunde liegende, aber niemals ausgesprochene Idee, beinhaltet, dass der Bauer aufhören soll, uns ernähren zu wollen, da man doch anderswo in der Welt immer billigere Nahrungsmittel finden wird! Er soll sich doch endlich damit begnügen, unsere Landschaft zu pflegen! Ein Status, vergleichbar mit dem eines Angestellten für Pärke und Gärten, würde sicherlich sehr gut zu ihm passen.
Der Suizid von Landwirten ist eine Warnung. Er deutet auf den möglichen Tod einer Modernität hin, die in einer Hors-sol-Welt lebt und wächst und all jene zurückstösst, die sich ihr dort nicht anschliessen wollen. •
Quelle: «La Nation» Nr. 2059 vom 9.12.2016
(Übersetzung Zeit-Fragen)
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