«Bundesrat nimmt der Kleinwasserkraft den Schnauf»

«Bundesrat nimmt der Kleinwasserkraft den Schnauf»

von Dr. iur. Marianne Wüthrich

Mit diesem Titel gab «Swiss Small Hydro» («Schweizer Verband der Kleinwasserkraft») eine Medienmitteilung heraus, einen Tag nach dem Erscheinen des ausgezeichneten Artikels «Die Zwängerei um das Stromabkommen Schweiz-EU» von Dr. Ernst Pauli (Zeit-Fragen Nr. 8 vom 10. April 2018 [<link de ausgaben nr-8-10-april-2018 die-zwaengerei-um-das-stromabkommen-schweiz-eu.html>www.zeit-fragen.ch/de/ausgaben/2018/nr-8-10-april-2018/die-zwaengerei-um-das-stromabkommen-schweiz-eu.html]). Anlass dafür war die Mitteilung von Swissgrid1 vom Dezember 2017 an zahlreiche Investoren, dass ihre Kleinwasserkraft-Projekte entschädigungslos aus der KEV (kostendeckende Einspeisevergütung) fallen werden. Nachdem nun am 1.1.2018 das neue Energiegesetz und die revidierten Energieverordnungen in Kraft getreten sind, zeigte sich, dass der Bundesrat diese Regelung ohne Übergangsfrist für die 350 Projekte, die schon vorher auf der Warteliste standen, durchzuziehen gedenkt.
Dazu die Medienmitteilung von «Swiss Small Hydro» vom 11. April: «So bleiben fertig geplante, bewilligte und baureife Kleinwasserkraftwerke auf der Strecke. Dadurch gehen Vorinvestitionen in Millionenhöhe verloren, die auf Grund von früheren Zusicherungen des Bundes getätigt wurden. Die in der Energiestrategie 2050 formulierten Ziele für den Zubau aus Wasserkraft sind gefährdet, denn die Hälfte des Zubaus sollte durch die Kleinwasserkraft erfolgen.»
Wie ist diese Absurdität möglich? Die neue Energiestrategie, welcher der Souverän am 21. Mai 2017 zugestimmt hat, stellt mit Recht die Förderung der erneuerbaren Energien in den Vordergrund. Die Wasserkraft ist der mit Abstand bedeutendste erneuerbare Energieträger in der Schweiz, macht sie doch beachtliche 56 Prozent unserer Stromproduktion aus (Bundesamt für Energie vom 1.1.2017). Während jeder Hausbesitzer für die Installation von Solarzellen auf dem Dach Fördergelder erhält, sollen jedoch kleine Wasserkraftwerke künftig nichts mehr aus dem Topf der KEV erhalten. Im Abstimmungsbüchlein begründete der Bundesrat diese Absage an die Stromquelle Nummer 1 des Landes so: «Neue Kleinwasserkraftwerke werden nicht mehr gefördert, da angesichts ihrer geringen Stromproduktion der Eingriff in die Natur oft unverhältnismässig gross ist.»
Dies war einer der Gründe, warum ich zum Beispiel Nein gestimmt habe. Denn wenn wir nach der Abschaltung der Atomkraftwerke mehr ausländischen Kohle- und Atomstrom importieren oder gar Gaskraftwerke bauen müssen, sind dies weit schwerwiegendere Eingriffe in die Natur als die Wasserkraftwerke, die nun einmal zu unserem Klima und unserer Topographie am besten passen und erst noch die Selbstversorgung verbessern.
In diesem Sinne auch der Verband der Kleinwasserkraft: «Die Umsetzung der Energiestrategie 2050 zielt in diesem Bereich klar in die falsche Richtung. Statt die Energieproduktion durch einheimische erneuerbare Energien wie die Kleinwasserkraft zu fördern, wird diese gehemmt. Die bewilligten Kleinwasserkraftprojekte könnten sofort realisiert werden und würden über 450 Millionen Kilowattstunden erneuerbaren Strom produzieren. Das entspricht etwa dem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 100 000 Schweizer Haushaltungen.»
Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Dem Bundesrat sind die über 600 kleinen Schweizer Kraftwerkgesellschaften, die mehrheitlich in der Hand der Gemeinden sind, schon lange ein Dorn im Auge, weil so viele «Akteure» im Hinblick auf ein Stromabkommen mit der EU nicht kompatibel wären. Die Einschätzung von Ernst Pauli muss leider bestätigt werden: Die EU-Einbindung ist dem Bundesrat und seiner Mannschaft in der Bundesverwaltung offensichtlich wichtiger als die Förderung der Selbstversorgung durch demokratisch und föderalistisch abgestützte Kleinkraftwerke.    •

1    Nationale Netzgesellschaft, 2006 im Hinblick auf die schrittweise geplante Liberalisierung des Schweizer Strommarkts entstanden.

Kleinwasserkraftwerke auch ohne KEV erhalten oder neu errichten – warum nicht eine Genossenschaft gründen?

mw. Dass Kraftwerkprojekte aufgegeben werden, nur weil die Bundessubventionen, mit denen die Investoren gerechnet haben, nun vielleicht nicht fliessen werden, ist keineswegs unausweichlich. Auch wenn die Mannschaft in der Bundesverwaltung andere Ziele verfolgt, müssen wir Bürger nicht klein beigeben. Unsere Gemeinden sind verantwortlich für die Grundversorgung ihrer Bevölkerung, in den Gemeindeversammlungen und -parlamenten tragen wir Bürger diese seit jeher auch mit unseren Steuergeldern mit. Wir lassen uns doch die eigene Stromproduktion nicht kappen!
Oder wir gründen eine Genossenschaft: Es gibt heute überall im Land Solargenossenschaften, so zum Beispiel die Solar Genossenschaft Zentralschweiz (<link www.solarg.ch>www.solarg.ch) mit dem Motto «Manches geht gemeinsam besser», oder die Solarenergie Zürisee mit über 100 Genossenschafterinnen und Genossenschaftern, die bereits 1997 gegründet wurde, lange bevor es eine kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) des Bundes gab (<link www.solarenergie-zuerisee.ch>www.solarenergie-zuerisee.ch). Warum nicht auch eine Wasserkraftwerkgenossenschaft gründen? Statt wie hypnotisierte Chüngeli auf den KEV-Topf zu starren, tun wir uns doch lieber zusammen, um unsere stärkste Stromressource dort, wo wir leben, besser zu nutzen.
Aber auch ein Gemeinde- oder Genossenschaftskraftwerk kann und will nicht endlos rote Zahlen schreiben. Deshalb muss die unbefriedigende KEV-Bestimmung im Energiegesetz schnellstmöglich auf Erhaltung und Ausbau der Wasserkraft geändert werden.

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