«Die Macht der Geographie: Wie sich Weltpolitik anhand von 10 Karten erklären lässt»

«Die Macht der Geographie: Wie sich Weltpolitik anhand von 10 Karten erklären lässt»

von Wolfgang van Biezen

«Nach der Lektüre dieses Buches versteht man aktuelle Krisenherde auf dem Globus besser, anspruchsvolle Artikel in der Tagespresse werden weniger fragmentarisch angesehen und bessere Einordnung ist möglich. Der Wandel von der einzigen Weltmacht USA zu einer multi­polaren Welt ist bereits vollzogen. Warum das so ist, steht in diesem ausgesprochen lesenswerten und spannenden Buch.»

Wenn George Friedman vom Stratfor Institute anlässlich eines Vortrages beim Chicago Council on Foreign Relations anfangs 20151 betonte, dass die USA auch weiterhin Kriege führen werden und dass seit fast genau hundert Jahren die US-amerikanische Aussenpolitik ganz oben auf ihre Agenda die Doktrin gesetzt hat, dass Deutschland und Russland nicht zusammengehen dürfen, entspricht das der jahrhundertealten, traditionellen britischen Kriegs- und Aussenpolitik für Europa, bekannt als «Gleichgewicht der Kräfte», sowie der gegenwärtigen Nato-Verlagerung mit internationalen Rapid Forces nach Osten bis an die russische Grenze.
Die Mutation der Nato von einem Verteidigungsbündnis zu einem Angriffsinstrument unter der Führung der USA, Kriege in Nahost, mittlerweile unübersichtliche Bündnisverpflichtungen im Syrienkonflikt, bewaffnete Sezession in der Ostukraine und eine, wie es den Anschein hat, zu allem entschlossene deutsche Verteidigungsministerin erinnern fatal an die Situation vor dem Ersten Weltkrieg, bei dem es dann nur noch den serbischen Funken brauchte, um Europa in die Luft zu jagen. Die Lunten sind gelegt. Noch ist Deutschland nicht entschieden, so George Friedman, die ihm von den Verbündeten aufgedrängte Führungsrolle in Europa auch wirklich zu übernehmen. Wir erinnern uns: Scharpings Lüge lieferte den Kriegsgrund für den völkerrechtswidrigen Einsatz in Kosovo. Über das ungeheure Leid, welches das Depleted Uranium dort in der durch die Alliierten verwendeten Munition verursacht, darf bis heute nicht offen gesprochen werden.
Es wird schwieriger, die Zeichen für einen neuerlichen Krieg zu übersehen, und die Bürger Europas konstatieren vermehrt mit Sorge, dass ein neuer Waffengang in Vorbereitung ist. Wer also die Augen nicht verschliessen, die jüngere Geschichte Europas verstehen will, wer Parallelen zum Ersten und Zweiten Weltkrieg in den Bewegungen der Gegenwart erkennt, dem sei das DTV-Paperback 34917 von Tim Marshall – «Die Macht der Geographie – Wie sich Weltpolitik anhand von 10 Karten erklären lässt» – empfohlen.
Die Betonung in diesem Buch liegt auf Geo und meint, kurz gesagt, folgendes: «Geopolitik zeigt auf, wie internationale Angelegenheiten vor dem Hintergrund geographischer Faktoren zu verstehen sind.» Der britische Autor Tim Marshall entwickelt stets aus der Geschichte heraus den Blick in die Gegenwart von zehn ausgewählten Regionen dieser Erde. Und das konsequent unter geographisch-topographischen Gegebenheiten.
Schon das erste Kapitel macht deutlich, warum Stalin kaum die Absicht hatte, nach dem Zweiten Weltkrieg die damalige Sowjet­union bis an den Atlantik auszuweiten, wie es Generationen von Schülern, aber auch Militärstrategen in ihren Unterweisungen zu hören bekamen.
Angriffe auf Russland und die Sicherung des Nachschubs aus dem Westen erfolgten stets über die Nordeuropäische Tiefebene. Andere Wege sind durch Gebirge versperrt. Diesen Weg wählte gezwungenermassen Napoleon, ebenso wie die deutschen Armeen in den beiden Weltkriegen. Polen und die Ukraine sind wieder Aufmarschgebiet und werden so für westliche Militärs eminent wichtig, umgekehrt allerdings gegenwärtig für Russland zu einer enormen Bedrohung. Wir erfahren auch, warum die Kontrolle und Schliessung der «GIUK Lücke»2 der russischen Marine zum wiederholten Male den Weg zu den Weltmeeren versperrt. Wenn dann in der Tagespresse zu lesen ist, dass sämtliche Finanztransaktionen von Europa nach den USA und zurück über untermeerische transatlantische Kabelstränge parallel zur «GIUK-Lücke» abgewickelt werden und dass es den Russen mit ihren U-Booten möglich und zuzutrauen sei, diese Kabelverbindungen zu kappen, erkennt der geneigte Leser, dass hier unter Umständen ein Kriegsanlass vorbereitet wird.
Das chinesische Seidenstrassenprojekt, von den USA zu wenig beachtet, wird als Antwort auf die drängenden Fragen der Weltgemeinschaft angesehen. Eurasien wächst über dieses Infrastrukturprogramm (One Belt One Road – OBOR) zusammen. Eisenbahntransporte, mehrmals wöchentlich, von Peking nach Duisburg sind bereits eingerichtet. Russ­land unterstützt dieses Projekt. China möchte eine Zusammenarbeit, nicht nur auf dem eurasischen Kontinent, in allen Bereichen und zu aller Nutzen. Über Gwadar erschliesst sich China den Indischen Ozean und bindet Pakistan und den Iran in das eurasische Projekt ein. Wichtige weitere Kapitel erhellen die gegenwärtige Geopolitik der USA, Westeuropas, des Nahen Ostens, Indiens und Pakistans, Koreas und Japans sowie Lateinamerikas.
Mit dem Kapitel über die Arktis beschliesst Marshall dieses anregende Werk. Hier arbeitet der sogenannte «Klimawandel» für Russland. Nirgendwo stehen sich die USA und Russland näher gegenüber. Das schmelzende Eis eröffnet allerdings den Russen Möglichkeiten neuer Passagen zwischen Atlantik und Pazifik. Auch hier scheint Russ­land auf dem eigenen Schelf relativ unbemerkt und ungestört die Nase vorn zu haben. Nach der Lektüre dieses Buches versteht man aktuelle Krisenherde auf dem Globus besser, anspruchsvolle Artikel in der Tagespresse werden weniger fragmentarisch angesehen und bessere Einordnung ist möglich. Der Wandel von der einzigen Weltmacht USA zu einer multipolaren Welt ist bereits vollzogen. Warum das so ist, steht in diesem ausgesprochen lesenswerten und spannenden Buch.    •

1    <link https: www.youtube.com>www.youtube.com/watch  Hochgeladen am 01.04.2018.
2    GIUK = Linie zwischen Grönland, Island und dem United Kingdom, Zugang vom Polarmeer zum Atlantischen Ozean. Wird im Kriegsfall von den USA bzw. der Nato geschlossen. S.a. <link http: www.nzz.ch>www.nzz.ch; International vom 13.2.2018, S. 7

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