Fahrverbote für Diesel?

Fahrverbote für Diesel?

Ein Plädoyer für mehr Sachlichkeit

von Rainer Schopf

zf. Der Autor ist gelernter Flugzeugmechaniker, hat Kfz-Technik an der Technischen Universität Berlin studiert und unterrichtete 35 Jahre am Oberstufenzentrum Kfz-Technik in Berlin. Sein Beitrag greift den Artikel «VW-Diesel-Skandal» von Ernst Pauli in Zeit-Fragen Nr. 4 vom Februar 2018 auf und führt ihn auf technischer Ebene fort.

Postfaktische Fahrverbote –ohne Sachkenntnis

Das deutsche Bundesverwaltungsgericht hat am 27.2.2018 den deutschen Städten erlaubt, wegen der NOx-Emissionen Fahrverbote gegen Dieselmotoren zu verhängen. Dieses Urteil ist absurd, von fast keiner Sachkenntnis geprägt und dem postfaktischem Zeitalter geschuldet. Gegner und Nutzer von Dieselmotoren beharken sich in einem ideologischen Kampf. Grüne und Umweltverbände wollen partout den Dieselmotor zur Strecke bringen, ohne Rücksicht auf Verluste. Sie wollen nach der erfolgreich durchgesetzten Energiewende in Deutschland – Abschaltung aller Atomkraftwerke, Stein- und Braunkohle sollen folgen – nun die Wende zum Elektroauto in wenigen Jahren mit aller Macht erzwingen. Die Betrugsaffäre um die VW-Diesel diente den USA zum Wirtschaftskrieg gegen deutsche Hersteller. Die Fahrverbote sind dagegen in Deutschland hausgemacht und zerstören ohne Not den Dieselmotor und damit eine ausgereifte Technik, in der Deutschland federführend ist. Hamburg preschte schon im April dieses Jahres mit Fahrverboten für Diesel auf zwei Strassenzügen vor, auf Initiative von Umweltsenator Jens Kerstan von den Grünen. Baden-Württemberg hat für 2019 die ersten Fahrverbote angekündigt. Um die Debatte zu versachlichen, ist es unumgänglich, einige physikalische, chemische und technische Faktoren zur Kenntnis zu nehmen. Nur auf dieser Basis können traditionelle Antriebe mit alternativen Antrieben seriös verglichen werden.

«Wir werden sicher langfristig aufhören müssen, fossile Kraftstoffe zu verbrennen. Aber der Dieselmotor ist noch lange nicht tot, und viele Alternativen ungeklärt. Wissenschaftler und Techniker haben den Menschen geholfen, ihre Mobilität zu erweitern und ihre Erkenntnisse nutzbringend für die Entwicklung der Menschheit anzuwenden. Das geht nur auf der Grundlage sauberer Analysen und Prognosen und nicht in ideologischen Grabenkämpfen. Politischer Aktivismus hat noch nie die anstehenden Probleme gelöst. Statt dessen müssen wir in einen offenen Dialog treten über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Antriebskonzepte.»

Verbreitung von Dieselmotoren

Fahrzeuge mit Dieselmotor hatten unter den 15 grössten EU-Ländern bislang einen Anteil von 53 % der Neuzulassungen. In Deutschland lag der Anteil vor dem Dieselskandal 2017 bei maximal 45 %, Tendenz stark fallend auf geschätzte 25 % in 2025. Spitzenreiter bei den Dieseln sind Frankreich und Irland (je 73 %), Spanien und Belgien (je 69 %), gefolgt von Italien (57 %). In diesen Ländern drohen keine Fahrverbote. Sind die Dieselmotoren dort sauberer als in Deutschland? Nein. Es gilt das gleiche Emissionsmess­verfahren, aber es wird an anderen Stellen gemessen.

Messstellen

Vor 2010 galt in Deutschland die Regel, die Abgaswerte in 4 m Höhe und 4 m Breite von der Fahrbahnmitte zu messen. Abgase haben die angenehme Eigenschaft, sich schnell mit der Umgebungsluft zu vermischen, das senkt die Belastung für den Menschen. In der Bundesimmissionsschutzverordnung von 2010 ist auf Betreiben der Grünen der Vier-Meter-Abstand nicht mehr enthalten. Gemessen wird heute in Deutschland möglichst dicht an den Abgasen, in stark befahrenen Strassen, Talkesseln oder Tunnelausfahrten, dort, wo sich die Abgase nicht schnell verdünnen können. Die berüchtigtste Messstelle ist das Neckartor in Stuttgart mit den regelmässig höchsten NOx-Werten in einem Talkessel. Das machen andere europäische Nationen anders. Sie messen flächenverteilt in belasteten und unbelasteten Strassen und bleiben so unter dem zulässigen Grenzwert. Dieser wird auch in Deutschland nur an wenigen Punkten überschritten, nicht aber in der Fläche. Nicht die Quantität, sondern die Qualität und Ausgewogenheit der Messstellen ist entscheidend für ihre Aussagekraft.

Verbrennung

Bei der vollständigen Verbrennung von Kraftstoff und Luft entstehen Stickstoff (N), Kohlendioxid (CO2) und Wasser (H2O). Frühere Abgasbestandteile wie Blei- und Schwefelverbindungen sind heute nicht mehr im Kraftstoff enthalten. Bei der unvollständigen Verbrennung entstehen Kohlenmonoxid (CO), Stickoxide (NOx), beim Ottomotor Kohlenwasserstoffe (CH) und beim Dieselmotor Feinstaub, der als Particulate Matter (PM) bezeichnet wird. Ob die Verbrennung vollständig oder unvollständig abläuft, hängt vom Luftverhältnis Lambda (λ) ab, das ist der Quotient aus zugeführter Luftmenge zum theoretischen Luftbedarf. Wenn λ=1 ist, spricht der Fachmann von einem stöchiometrischen Gemisch, unter 1 ist es fett (Luftmangel) und über 1 mager (Luftüberschuss). Die Verbrennung läuft im Diesel- und Ottomotor bei unterschiedlichen Lambda-Werten ab, so dass sich Vor- und Nachteile bei beiden Motoren in den Abgaswerten ergeben.

Ottomotor

Dieser mit Benzin betriebene Motor nutzte früher Vergaser für die Gemischbildung und konnte mit einem Luftverhältnis zwischen 0,7≥λ≤1,3 betrieben werden, also auch im mageren Bereich. Der Vergaser wurde vor vier Jahrzehnten durch elektronisch geregelte Einspritzanlagen abgelöst, die ausschliesslich mit λ = 1 betrieben werden können, weil sonst der Katalysator nicht optimal arbeiten kann. Dieser wandelt unter anderem CO in CO2 um. So weit, so gut. Das giftige CO verschwand aus den Städten. Die Prognosen über die Klimakatastrophe schwanken zwar je nach Interessenlage der Gutachter stark, aber die Tendenz aller Vorhersagen zeigt deutlich nach oben. Mit einem Anteil von 18 % CO2 in den Abgasen ist der Ottomotor der Klimakiller Nummer 1. Ausserdem nutzt dieser Motor nur maximal 30 % der zugeführten Energie für den Antrieb. 70 % gehen bei der Verbrennung verloren, in Form von Wärme und Abgas. Davon sind bis zu 2 % giftige Abgase wie CO, NOx und CH.

Dieselmotor

Der Dieselmotor nutzt im Bestpunkt des Kennfeldes 45 % des Kraftstoffes für den Antrieb, ist also um bis zu 50 % wirksamer als der Benziner. Der Dieselmotor läuft in fast allen Lastbereichen mit Luftüberschuss und trägt damit zu einer wesentlich höheren Ausbeute des Kraftstoffs bei. Diesel wird heute fast ausschliesslich mit elektronisch geregelten Piezoinjektoren eingespritzt. Der Common-Rail-Motor (CR) hat nach seinem Debut 1995 eine rasante Entwicklung hingelegt und alle früheren Einspritzverfahren mit Drücken von nur 120 bar verdrängt. Die Drücke im System Common Rail (gemeinsame Leitung) sind unvorstellbar hoch (2500 bar), und die Schaltzeiten extrem kurz: Diese Injektoren öffnen und schliessen pro Sekunde zuverlässig während 30 Takten bis zu sieben Mal für gezielte Vor-, Haupt- und Nacheinspritzungen, das heisst in Bruchteilen von Millisekunden. Eine unkontrollierte Einspritzung würde den Dieselmotor zerreissen. Druck und Temperatur sorgen im Brennraum für eine unglaublich feine Zerstäubung und damit höchste Kraftstoffausnutzung.

Der CR-Motor – eine brillante Ingenieurleistung

Der Siegeszug des CR-Motors wurde durch eine brillante Leistung Hunderter Ingenieure ermöglicht. Die Energiebilanz spricht eindeutig für den Diesel- und gegen den Ottomotor. Problematisch ist beim Diesel einzig der NOx-Ausstoss. Dieser ist mit 80 mg/km deutlich höher als beim Benziner mit 5 mg/km. Allerdings konnte der NOx-Wert von Dieseln seit 1990 um 70 % gesenkt werden und soll bereits 2020 den geltenden Grenzwert zuverlässig unterschreiten. Ausserdem ist die toxische Wirkung von NOx höchst umstritten. Grundsätzliche Kritik am Urteil zu den Fahrverboten für Diesel kommt ausgerechnet von Lungenfachärzten. Für Martin Hetzel, den Chefarzt der Stuttgarter Lungenfachklinik, gibt es aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht keinen kausalen Nachweis dafür, dass NOx-Konzentrationen bis zu 100 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft krank machen. Die Nachrüstung älterer Dieselmotoren erfordert ebenfalls zwei Jahre Erprobung bis zur Zulassung und wäre dann 2020 obsolet. Die Polemik gegen die Dieseltechnologie (angeblich hunderttausend Tote wegen der NOx-Emission) ist schlicht unverantwortlich und ein Verbrechen an der Gutgläubigkeit uninformierter Verbraucher. Sie unterschlägt die phantastischen Fortschritte in der Dieseltechnologie.

Riesige Fortschritte auch in der Abgasnachbehandlung

Ottomotoren verfügen heute ausschliess­lich über geregelte Dreiwegekatalysatoren, um CO, NOx und CH in ungiftige Bestandteile umzuwandeln. Die Abgasbehandlung des Dieselmotors ist wesentlich aufwendiger: Abgasrückführung, Oxydationskatalysator, Sekundärlufteinblasung, Partikelfilter, NOx-Speicher und Selective Catalytic Reduction (SCR)-Katalysatoren, Firmenname AdBlue (Harnstoff). Sie dienen gemeinsam fast ausschliesslich der Reduktion von NOx und Feinstaub. Auf diesem Gebiet sind riesige Fortschritte erzielt worden. Russwolken aus dem Auspuff gehören der Vergangenheit an. Früher wurde der Russausstoss mit der Schwärzungszahl (SZ) gemessen. Das ist heute nicht mehr erforderlich. Sie können ein weisses Taschentuch hinter den Auspuff halten, es bleibt auch bei Vollast weiss.
Bei beiden Motoren bleibt die einwandfreie Funktion der Schadstoffreduzierung nicht dem Zufall überlassen, sondern wird ständig elektronisch kontrolliert und geregelt. Die On-Board-Diagnose (OBD) ist seit 2000 verpflichtend vorgeschrieben. Sie erfasst alle abgasrelevanten Bauteile. Bei der kleinsten Störung meldet die Malfunction Indikator Lamp (MIL), die Fehlfunktions-Anzeige-Lampe, dem Fahrer einen Fehler. Er ist dann verpflichtet, mit dem Fahrzeug sofort in die Werkstatt zu fahren und den Fehler umgehend beheben zu lassen. Die Fahrstrecke nach dem Aufleuchten der Warnleuchte wird im Fehlerspeicher abgelegt und kann bei einer Strassenkontrolle von der Polizei ausgelesen werden. Bei Nichteinhaltung drohen drastische Strafen.

Gasmotor – eine technische Herausforderung

Auch der Gasmotor ist bis heute keine echte Alternative zu Benziner und Diesel, obwohl seit Jahrzehnten erprobt und bewährt. Auf Grund des etwa halbierten Kohlenstoffgehaltes von Gas sind auch die CO2-Emissionen im Vergleich zu Diesel- und Ottomotoren etwa halbiert. Hindernisse sind sein schwerer Gasbehälter, die fehlende Infrastruktur (Gas-Tankstellen) und die Fahrverbote in Parkhäusern wegen Explosionsgefahr. Nur in Kreuzfahrtschiffen werden Gasmotoren zunehmend verbaut, weil die Schweröldampfer in Verruf geraten sind und zahlende Passagiere auf Umweltbewusstsein achten. Die Meyer-Werft in Papenburg baut gerade das erste Kreuzfahrtschiff mit Gasmotor. Die technischen Herausforderungen sind gewaltig. Um das Gas zu verflüssigen, muss es auf minus 162° C abgekühlt werden. Die drei Gastanks sind jeweils 35 m lang und 8 m im Durchmesser mit zusammen 3500 Kubikmeter Fassungsvermögen. Aber in den Häfen fehlt noch oft die Infrastruktur. Containerschiffe verbrennen also weiterhin Schweröl und werden als schwimmende Dreckschleudern tituliert. In Hamburg sollen sie mehr als 40 % der NOx-Emissionen ausmachen. Verbote? Fehlanzeige. Schöne neue Welt: Der Hafen boomt, und die Dieselfahrer werden enteignet.

«Und nun sollen bis 2030 bis zu 30 % mehr E-Autos auf die Strassen gedrückt werden: Dann gehen in Deutschland die Lichter aus.»

Elektroantrieb

Der Elektromotor hat je nach Bauart einen Wirkungsgrad von 80 % bis 90 %. Das ist isoliert betrachtet ein phantastischer Wert, aber Vorsicht. Betrachtet man die gesamte ­En­ergiekette von durch Verbrennung (Kohle/Erdöl) erzeugtem Strom, so fällt der Gesamtwirkungsgrad auf unter 30 % und ist somit noch schlechter als ein Benzinmotor. Verluste fallen im Kraftwerk, beim Stromtransport, Laden, Entladen und durch die Leistungselektronik an. Anders sieht die Sache aus, wenn der Strom umweltfreundlich durch Wind-, Solar- oder Wasserkraft gewonnen wird. 2017 wurde bereits 39 % des Stroms aus diesen alternativen Energien gewonnen, Tendenz weiterhin steigend. Dieser erfreulichen Perspektive stehen einige Probleme entgegen. Die weitere «Verspargelung» der Landschaft durch Windräder stösst an ihre Grenzen. Es wären mindestens zwanzigmal mehr Windräder zu installieren. Wasserkraftwerke mögen für bergige Regionen eine Alternative sein, in Deutschland führen sie ein Schattendasein.

Problem Stromtransport ungelöst

Und dann kommt das ungelöste Transportproblem. Schleswig-Holstein produziert zum Beispiel 100 % seines Energiebedarfs aus regenerativer Energie, vor allem durch riesige Off­shore-Anlagen im Meer. Da könnte noch mehr Strom gewonnen werden. Der Strom fehlt aber nicht im eher landwirtschaftlichen Norden, sondern im industriellen Westen und Süden Deutschlands. Also müssen Starkstromleitungen von Nord nach Süd gebaut werden – als Überlandtrassen? Die Anwohner klagten dagegen erfolgreich, Stichwort Elektrosmog und Entwertung der Flächen. Also unter die Erde? Nicht bezahlbar, Erdkabel kosten etwa dreimal so viel. Die Trasse kommt seit Jahren kaum vom Fleck. Bei einer breiten Ausweitung des E-Antriebs müsste die Struktur des Netzsystems völlig geändert werden. Das wäre nur in Jahrzehnten machbar.

Nächstes Problem – Überlastung des Stromnetzes und ethische Fragen

Versuchen Sie mal, in Ihrer Tiefgarage an Ihrem Stellplatz eine Ladestation für Ihr neues E-Auto installieren zu lassen, weil die öffentlichen zu spärlich gesät sind. Ihr Antrag wird von der Hausverwaltung abgelehnt, das Stromnetz würde zusammenbrechen. Und nun sollen bis 2030 bis zu 30 % mehr E-Autos auf die Strassen gedrückt werden: Dann gehen in Deutschland die Lichter aus. Und als letzter Kritikpunkt: die E-Autos selbst. Die Batterien/Akkus sind immer noch viel schwerer als ein Kraftstofftank, ihre Reichweite ist immer noch bescheiden, die Anschaffungskosten extrem hoch und die Rohstoffe wie Lithium und Kobalt für die Akkus stammen überwiegend aus Ländern der Dritten Welt, oft von Kinderarbeit, inhumanen Arbeitsbedingungen, Korruption und Bürgerkrieg betroffen. Ein grosser süddeutscher Automobilhersteller hat im Februar mit einem Konsortium eine im Preis und in der Menge gesicherte Lieferkette für Kobalt aus dem Kongo abgeschlossen. Nun hat die Regierung der Demokratischen Republik Kongo die Bergbaulizenzen schlagartig verteuert, das entsprechende Minengesetz wurde über Nacht umgeschrieben. Der Markt für Kobalt hat sich seit 2016 verdreifacht, der Kongo hält 60 % der Vorkommen, da wird sich die Regierung einen mächtigen Happen vom Rohstoffkuchen abschneiden. Finanzieren wir dann mit unserem Fortschritt die Waffenkäufe der Regierung im Kampf gegen die eigene Bevölkerung? Scheussliche Vorstellung.

Hybridantrieb

Fahrzeuge mit zwei unterschiedlichen Antriebsarten werden Hybridantriebe (Hybrid = Mischling) genannt. Meist wird ein Verbrennungsmotor mit einem Elektromotor kombiniert, um den Schadstoffausstoss zu senken und den Kraftstoffverbrauch zu reduzieren. Innerstädtisch, bei niedrigen Geschwindigkeiten, wird elektrisch gefahren und über Land mit dem Otto- oder Dieselmotor. Diese Fahrzeuge haben durchweg eine Start-Stopp-Funktion für den Stossverkehr in der Stadt und regenerative Bremsen, Rekuperation (Rückgewinnung) genannt. Beim Verzögern wird der E-Motor zum Generator, das heisst, er wandelt kinetische in elektrische Energie um und speist sie in die Batterie wieder ein. Dies ist ein altbekanntes Verfahren aus der Schienentechnik von Tram und E-Lok. Der Hybridantrieb ist eine wichtige kommende Technologie. In Zürich sind mittlerweile etwa 90 % aller Taxis Hybridfahrzeuge.

Fazit – Besonnenheit tut not

Die Abgaswerte für Diesel und Benziner werden seit 1992 (Euro 1) erlassen und wurden seither ständig verschärft. Von den 15 Millionen Dieselfahrzeugen in Deutschland erfüllen nur 17,8 % die neueste Norm (Euro 6). Fahrverbote würden also 81,7 % aller Dieselfahrer treffen, das sind 12 Millionen Fahrer, deren Fahrzeug ausserdem drastisch im Wiederverkaufswert gesunken ist, oft als unverkäuflich gilt und zunehmend verschrottet wird. Diese Enteignung kann keinen Bestand haben. Verantwortliche Politiker raten zu Besonnenheit. Wenn Daimler, BMW, VW, Opel und andere in die Knie gezwungen werden, ist es um viele Industriestandorte in Deutschland schlecht bestellt. Der Gesetzgeber wäre gut beraten, das Urteil in Ruhe zu prüfen und auf eine bundeseinheitliche Lösung zu dringen. Dieser Vorgang wird frühestens 2020 abgeschlossen sein.

«Fahrverbote würden also 81,7 % aller Dieselfahrer treffen, das sind 12 Millionen Fahrer, deren Fahrzeug ausserdem drastisch im Wiederverkaufswert gesunken ist, oft als unverkäuflich gilt und zunehmend verschrottet wird. Diese Enteignung kann keinen Bestand haben. Verantwortliche Politiker raten zu Besonnenheit. Wenn Daimler, BMW, VW, Opel und andere in die Knie gezwungen werden, ist es um viele Industriestandorte in Deutschland schlecht bestellt. Der Gesetzgeber wäre gut beraten, das Urteil in Ruhe zu prüfen und auf eine bundeseinheitliche Lösung zu dringen.»

Zu klärende Fragen und Perspektiven

Bis dahin werden wichtige Fragen zu klären sein, wie eine mögliche Nachrüstung für ältere Dieselfahrzeuge, die Kostenübernahme dafür und die Einführung einer weiteren, nun blauen Plakette. Der Anteil von Hybrid- und Elektroantrieb wird moderat steigen, aber der grosse Umschwung wird in den nächsten 10 bis 20 Jahren ausbleiben und der Dieselmotor eine Renaissance erleben. Kurz- und mittelfristig gibt es keine erprobte Alternative zum Dieselmotor. Langfristig werden wir uns von den fossilen Brennstoffen verabschieden müssen. Die schon oft totgesagten Ressourcen von Erdöl sind in der Tat endlich. Und der ungebremste Ausstoss von CO2 wird uns langfristig den Klimawandel bescheren. Die US-Amerikaner bauen weiterhin grossvolumige Ottomotoren mit extrem hohen Treibhausabgasen: «Big ist beautifull», sagen sie und kündigten die weltweite Vereinbarung zur Reduzierung der CO2-Werte. America first ist ihre Devise, wie soll das auf Dauer gutgehen? Europäische Automobilhersteller arbeiten seit Jahrzehnten erfolgreich am Downsizing (Verkleinern) des Hubraums der Motoren: immer effektivere kleinere Motoren, mit weniger Verbrauch und weniger Abgasen. Der Konflikt ist offensichtlich, und deshalb erfolgt der Angriff der amerikanischen Regierung auf die deutschen Automobilhersteller. VW ist trotz des Dieselskandals hervorragend aufgestellt und strebt zum Titel des weltgrössten Herstellers. Auch andere europäische Autohersteller glänzen mit positiven Absatz- und Gewinnzahlen.
Jede Epoche hat ihre Weggefährten, von Pferd und Kutsche über Dampfmaschine zum Benzin- und Dieselmotor. Wir werden sicher langfristig aufhören müssen, fossile Kraftstoffe (Erdöl/Erdgas) zu verbrennen. Aber der Dieselmotor ist noch lange nicht tot, und viele Alternativen sind ungeklärt. Wissenschaftler und Techniker haben den Menschen geholfen, ihre Mobilität zu erweitern und ihre Erkenntnisse nutzbringend für die Entwicklung der Menschheit anzuwenden. Das geht nur auf der Grundlage sauberer Analysen und Prognosen und nicht in ideologischen Grabenkämpfen. Politischer Aktivismus hat noch nie die anstehenden Probleme gelöst. Statt dessen müssen wir in einen offenen Dialog treten über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Antriebskonzepte. Es bleibt zu hoffen, dass in die Diskussionen über die individuelle Mobilität wieder Sachlichkeit einkehrt.    •

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