von Wolfgang van Biezen
Da sass er nun auf unserem Sofa, der Herr vom Staatssekretariat für Migration. Er war angemeldet, freundlich, und nachdem er sich versichert hatte, dass meine Ehefrau und ich zusammenleben, wollte er noch wissen, warum ich so lange mit dem Gesuch um Einbürgerung gewartet habe, zumal es sich in meinem Falle um die erleichterte Einbürgerung handle. Diese Frage hatte ich mir auch oft und lange gestellt. Ich zögerte mit der Antwort. Während wir uns freundlich anschauten, schweiften meine Gedanken zu dem Buch über die Schweiz im deutsch-französischen Krieg 1870/71, das ich vor kurzem gelesen hatte. Plötzlich in unmittelbarer Nachbarschaft der Kriegshandlungen, schlecht gerüstet und mit ungenügendem Grenzschutz, nahm die Schweiz auf die Bitte der französischen Bourbaki-Armee Zehntausende von Soldaten auf. Staat und Bevölkerung erfüllten ihre Aufgabe als neutrale Nachbarn so, wie es eben nötig war.
1870/71 – Die Schweiz ist im Krieg, obwohl sie gar keinen Krieg will.
… das alles ging mir durch den Kopf bei der Frage, warum ich denn so lange gewartet habe, einen Antrag auf Einbürgerung zu stellen. Nun, ich sagte dem Herrn auf unserem Sofa, dass ich lange und gut darüber nachgedacht habe, meine Staatsbürgerschaft zu wechseln. Aber nachdem ich begriffen hatte, was das für die Menschen bedeute, die direkte Demokratie, die immerwährende, bewaffnete Neutralität und die darin enthaltenen Guten Dienste zum Beispiel, und dass ich tatsächlich als Bürger der Eidgenossenschaft mehr zu sagen habe, will sagen, mehr am politischen Geschehen teilnehmen kann, als in meinem damaligen Heimatland, nun, da habe ich mich entschlossen, in diesem Land zu bleiben und Schweizer zu werden.
Der Herr schaute mich weiterhin freundlich an, er sagte nur: «Gaellet Sie?»
Irgendwie hatten wir uns verstanden. •
von Arx, Bernhard. Konfrontation. Die Wahrheit über die Bourbaki-Legende. Verlag Neue Zürcher Zeitung, NZZ Libro, ISBN 978-3-03823-744-0
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