In der Frühjahrssession 2017 hat sich der Nationalrat und in der Herbstsession der Ständerat mit der EU-Waffenrichtlinie befasst, die unter dem Motto «Kampf gegen den Terrorismus» verschärft worden war. (vgl. «Schweizer Traditionen dürfen nicht von EU-Recht überwuchert werden», Zeit-Fragen Nr. 24 vom 26.9.2017). Vom 29. September 2017 bis zum 5. Januar 2018 dauerte nun die Vernehmlassung, während der Kantone und Parteien, Verbände und andere interessierte Bürger Stellung nehmen konnten zur Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie im Schweizer Recht (sogenannte Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstandes).1
Auch für Waffenunkundige wird beim Studium der vorgesehenen Änderungen des Waffengesetzes klar: Hier wird dem Schweizer Verständnis von Recht und Freiheit und dem Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Staat ein schwer verdaulicher Brocken zugemutet – fremdes Recht eben, das übrigens auch zur Kultur etlicher anderer europäischer Länder nicht passt und deshalb auf Widerstand stiess. In der Folge buchstabierte die EU-Kommission zwar etwas zurück, aber bei weitem nicht genug. Entsprechend fallen die Vernehmlassungsantworten der besonders betroffenen Schweizer Verbände aus.
Bis zum 31. Mai 2019 hat die Schweiz nun Zeit, um ihr Waffengesetz der EU-Waffenrichtlinie anzupassen. Noch haben wir den parlamentarischen und direktdemokratischen Ablauf der Rechtssetzung. Denken wir bei dieser und jeder weiteren «autonomen Rechtsübernahme» daran: Mit einem institutionellen Rahmenabkommen würde der ganze Schweizer Gesetzgebungsprozess samt dem fakultativen Referendum und damit auch die Diskussion unter den Bürgern überall im Land wegfallen, statt dessen würde die «Weiterentwicklung des EU-Rechts» für die Schweiz direkt gelten. Das wäre das Ende der direktdemokratischen Schweiz.
Einschränkung des traditionellen Schützenwesens, der Jagd, der Freiheit des Bürgers: Die meisten Politiker – ausser denen, die am liebsten gleich der EU beitreten würden – wollen das eigentlich nicht. Trotzdem stehen manche Politiker und Medien wieder einmal vor der Brüsseler Zentrale wie die Kaninchen vor der Schlange.
Eine enorme Verkomplizierung des in der Schweiz geltenden Rechts und der administrativen Abläufe hätte die EU-Richtlinie zur Folge … Lange Listen von «Waffen, Waffenbestandteilen und Waffenzubehör», deren Kauf, Verkauf, Einfuhr und Besitz künftig in der Schweiz verboten sein sollen. (Waffengesetz, Artikel 5)2. Immerhin sind die Aktivitäten der Schützenvereine und das «jagdliche Schiessen» im Prinzip erlaubt. Es folgen lange Listen möglicher Ausnahmebewilligungen für Sportschützen, Sammler, Museen (Art. 28b–e), welche die Kantone «bewilligen können» (Art. 5 Absatz 6). «Achtenswerte Gründe» für eine Ausnahmebewilligung gelten unter anderem auch für die «Erfordernisse nationaler Verteidigung» (Art. 28c Absatz 2 d.) – das ist wirklich sehr freundlich von den EU-Spitzen! Gemeint ist insbesondere, dass die Schweizer Soldaten ihre persönliche Waffe weiterhin mit nach Hause nehmen und unter bestimmten Bedingungen auch nach ihrem Austritt aus der Armee behalten dürfen, so wie es in unserer Milizarmee der Brauch ist. Das hat der Souverän am 13. Februar 2011 deutlich bestätigt: 56,3 Prozent der Stimmenden und 20 von 26 Kantonen sagten nein zur Initiative «Schutz vor Waffengewalt».
«Das Schengener Informationssystem ist für unsere Sicherheitsorgane entscheidend im Kampf gegen den Terrorismus, ein Ausschluss wäre eine Katastrophe», so Nationalrätin Ida Glanzmann, CVP («Neue Zürcher Zeitung» vom 5.1.2018). In Wirklichkeit hatte die Schweiz schon immer Verträge mit ihren Nachbarstaaten zur polizeilichen Zusammenarbeit. Vor der Einbindung in das Schengener Abkommen durften wir zudem unsere Landesgrenzen bewachen (was verschiedene EU-Mitgliedsstaaten seit der Migrationswelle von 2014 trotz Schengen wieder tun …). Ob die EU-Spitzen die Schweiz aus dem Abkommen ausschliessen würden, ist fraglich, immerhin steuert unser Land einiges zur Bewachung der Schengen-Aussengrenzen bei. Und falls sie es doch täten: Vergessen wir nicht, wie kurzlebig die Aufregung in den Schweizer Hochschulen war, als die EU uns völkerrechtswidrig aus dem Studentenaustauschprogramm Erasmus+ ausschloss. Denn nach dem ersten Schrecken zeigte sich, dass der Hinauswurf weder den Studenten noch der Bundeskasse geschadet hat – im Gegenteil.3 Heute ist es der Bundesrat, der die erneute Assoziierung der Schweiz an Erasmus+ hinausschiebt. Vielleicht würde es bei Schengen ähnlich verlaufen?
Ob die zur Diskussion stehende Verschärfung der EU-Waffenrichtlinie überhaupt etwas bringt für den Kampf gegen den Terrorismus, stellen die Vernehmlassungsantworten gewichtiger Verbände klar in Frage. Im übrigen könnten sich Regierungen, die ihre Bevölkerung gegen Terrorangriffe schützen wollen, auch einmal ernsthaft überlegen, ob sie ihre Beteiligung an illegalen Kriegen gegen Völker, die ihnen nichts zuleide getan haben, nicht lieber einstellen wollen. •
1 Eidgenossisches Justiz- und Polizeidepartement EJPD. Vernehmlassung zum Vorentwurf zum Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Notenaustausches zwischen der Schweiz und der EG betreffend der Übernahme der Richtlinie (EU) 2017/853 zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie 91/477/EWG (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands).
2 Entwurf des Bundesrates zur Änderung des Bundesgesetzes über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz, WG) vom 20. Juni 1997
3 siehe «Nimm deine Vertragspartner zuerst unter die Lupe!» In: Zeit-Fragen Nr.1 vom 6.1.2015
«Sowohl die EU-Waffenrichtlinie als auch der Gesetzesentwurf des Bundesrats verfehlen das ursprüngliche Ziel. Erarbeitet wurde die EU-Waffenrichtlinie nämlich nach den Terroranschlägen in Brüssel, Paris und anderswo mit der Absicht, solche Attacken künftig zu verhindern. Mit dem Gesetzesentwurf kann dieses Ziel nicht erreicht werden.
Es liegt eine Scheinlösung auf dem Tisch, die hauptsächlich den legalen Waffenbesitzer bestraft, aber beispielsweise keine Massnahmen gegen den gefährlichen Handel mit illegalen Waffen enthält. […] Wir verfügen bereits über ein präzises und bestens installiertes Waffengesetz gegen den Missbrauch von Schusswaffen. Eine weitere Verschärfung ist schlicht unverhältnismässig und erfolgt ausschliesslich auf Geheiss der EU.»
«Der Vorschlag des Bundesrates, wie die EU-Waffenrichtlinie in die schweizerische Gesetzgebung umzusetzen sei, trifft den legalen Waffenbesitzer, nicht aber den gefährlichen Handel mit illegalen Waffen. Die SOG befürwortet ein liberales Waffenrecht. Nach ihrem Dafürhalten ist es deshalb angemessen, wenn der Bundesrat die EU-Waffenrichtlinie zwar akzeptiert, aber gleichzeitig betont, dass die bestehenden schweizerischen Gesetze ausreichen.»
«Das Ziel der Terrorbekämpfung wird hier weit verfehlt, aber es werden weitere und unnötige bürokratische Hürden für den rechtmässigen Waffenbesitzer errichtet. […] Rechtschaffenen Bürgern und Bürgerinnen sowie ehemaligen Milizsoldaten (welche meist vorbehaltslos und ohne Auflagen Waffenbesitzer wurden) soll neu grundsätzlich, willkürlich und unbegründet misstraut werden. Erst wenn der Bürger oder die Bürgerin das Gegenteil bewiesen hat, erhält er oder sie eine befristete Bewilligung mit Auflagen. Der Paradigmenwechsel würde die Schweiz schwer treffen, denn völlig unbegründet wechselt der Staat von einer Vertrauenskultur zu einer Misstrauenskultur, was die Schweiz in ihrer Geschichte nie tat.»
«Ohne zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit beizutragen, werden durch die Bestimmungen der Richtlinie (EU) 2017/853 Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands Hunderttausende von aufrichtigen und gesetzestreuen Bürgerinnen und Bürgern und Legalwaffenbesitzende als potentielle Verbrecher behandelt; PROTELL stellt sich grundsätzlich gegen die vorgeschlagene Revision des Waffengesetzes (WG) und ersucht deshalb den Bundesrat, der EU die Ablehnung der Richtlinie (EU) 2017/853 durch die Eidgenossenschaft mitzuteilen. Es besteht kein Zweifel daran, dass das geltende Schweizer Recht schon längst Bestimmungen vorsieht, welche die öffentliche Sicherheit sicherstellen, ohne dabei zugleich gegen jahrhundertalte Rechte zu verstossen und traditionelle Freiheiten unnötig einzuschränken […].»
mw. Vorwärtsmachen mit dem institutionellen Rahmenabkommen! SP-Parteipräsident Christian Levrat und CVP-Aussenpolitikerin Elisabeth Schneider-Schneiter geben den von ihren Parteispitzen gewünschten Zeitplan bekannt: Die Volksabstimmung zu einem Paket Bilaterale III samt Rahmenabkommen soll noch vor den eidgenössischen Wahlen (im Oktober 2019) stattfinden. Das bedeutet Debatten und Schlussabstimmungen im National- und Ständerat bis spätestens Ende 2018, anschliessend 100 Tage Referendumsfrist, dann die Volksabstimmung (das Referendum wird mit Sicherheit ergriffen) im Mai 2019. FDP-Präsidentin Petra Gössi dagegen will sich von der EU nicht unter Zeitdruck setzen lassen und warnt vor Paketlösungen (nachdem die umfangreichen Vorlagen Unternehmenssteuern III und Revision der Altersvorsorge an der Urne gescheitert sind), und die SVP wird laut Parteipräsident Albert Rösti auf jeden Fall gegen das Abkommen kämpfen – egal wann, aber sicher mit besonderem Schwung vor den Wahlen! («Neue Zürcher Zeitung» vom 6.1.2018)
Wenn bereits von einem Zeitplan die Rede ist, würde es sich in der direktdemokratischen Schweiz eigentlich gehören, dass der Bevölkerung allmählich reiner Wein eingeschenkt wird, wie die automatische Übernahme von EU-Recht und die Streitschlichtung beziehungsweise die Bekanntgabe durch den EuGH, «wo's duregoht», konkret vonstatten gehen soll.
Anhand aktueller Beispiele wie der Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie können wir uns, trotz des nicht veröffentlichten Entwurfs eines Rahmenabkommens, ein immer genaueres Bild machen: In Wirklichkeit geht es um Sein oder Nichtsein des Schweizer Modells.
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