Warum Beat Richner keinen Nobelpreis erhielt

Warum Beat Richner keinen Nobelpreis erhielt

Zum Tode des aktiven Friedensstifters

von Prof. Dr. med. David Holzmann

Dr. med. Beat Richner ist am 8.9.2018 nach kurzer und schwerer Erkrankung gestorben. Zahllose Schweizer, Kambodschaner und humanitär Engagierte trauern um einen einzigartigen Arzt und Stifter für mehr Frieden, Gerechtigkeit und Menschenwürde. Die Universität Zürich verlieh ihm die Ehrendoktorwürde, viele weitere Preise erhielt er für sein grossartiges und in der Welt einzigartiges Werk. Zudem hatte er eine Vielzahl von ihn und sein Werk bewundernden Gönnern, die in seinem Handeln die humanitäre Tradition unseres Landes verwirklicht sahen. Führt man sich seine Leistung und sein Engagement vor Augen, fragt man sich, warum er nie für einen Nobelpreis nominiert wurde. Das hat seinen Grund in seinem logischen und konsequenten Handeln. Er war nicht «everybody’s darling».
Im Frühjahr 2017 sorgte Beat Richner für einmal wegen einer ganz anders gelagerten Angelegenheit für Schlagzeilen. Eine rätselhafte, rasch fortschreitende Erkrankung des Gehirns zwang ihn, die Spitäler in Kambodscha zu verlassen und sich in die Schweiz in Behandlung zu begeben. Zuvor hörte man von Dr. Richner immer dann, wenn er mit seinen Cellokonzerten Geld sammelte für die Versorgung von Kindern und Müttern in seinen Spitälern in Kambodscha, oder er war im Radio zu hören, im Zirkus Knie zu sehen und so weiter. Seine Reisen durch die Schweiz hatten vor allem den Zweck, wie er selber betonte, Unterstützung für seine Projekte und die Versorgung der Kinder zu finden. Richner lebte sehr bescheiden und selbstlos und zog Kraft und Energie einzig aus seinen Erfolgen, die ihm und seinem Ideal recht gaben. Eine erfolgreiche Behandlung eines an Tuberkulose erkrankten Kindes konnte ihn genauso erfreuen wie die Einrichtung einer neuen Behandlungseinheit. Seine Leistung allein im Umgang mit den Finanzen war fast unglaublich: Mit einem Jahresbudget von lediglich 42 Millionen Franken konnten seine Spitäler vier Fünftel aller kambodschanischen Kinder grösstenteils umsonst behandeln bzw. versorgen!
Beat Richner machte der Welt vor, wie Spendengelder den Bedürftigen ohne Verluste zugute kommen können. Sämtliche Gelder, die unzählige Schweizerinnen und Schweizer, Institutionen und Wohltätigkeitsorganisationen spendeten, flossen sorgsam und ohne teure «Bearbeitungsgebühren» oder Ähnliches nach Kambodscha in seine drei Spitäler. Im Gegensatz zu multinationalen Organisationen, bei welchen Spendengelder nur zu oft in der Administration versickern, zeigte er der Welt, dass Hilfe ohne grosse Bürokratie auskommen kann und muss.
Dr. Beat Richner, alias Beatocello, wäre nicht er selbst gewesen, hätte er nicht offen und unerschrocken seine Kritik an gewissen Uno-Organisationen und politisch Verantwortlichen zum Ausdruck gebracht. Hierfür straften ihn die Angegriffenen mit Verachtung, Verleumdung und Diffamation. Hätte er in der Schweizer Bevölkerung nicht einen starken moralischen Rückhalt und grosse Bewunderung genossen, hätten Offizielle den engagierten Kinderarzt weit schärfer angegangen und versucht, den Spendenfluss zum Versiegen zu bringen. Er scheute sich nicht, die WHO direkt und deutlich zu kritisieren. Trotz ihrer Macht konnte sie nicht wirkungsvoll dagegen antreten.
In seiner weltweit an verschiedenen Stellen veröffentlichten Kritik mit der mehrdeutigen Überschrift «WHO is wrong and WHAT is wrong» benannte er das Vorgehen des Weltgesundheitsapparats mit klaren Worten: Eine Hirnhautentzündung bei einem Kind in Europa werde mit dem teuren Antibiotikum Ceftriaxon behandelt. Warum, so seine Kritik, soll nicht auch ein kambodschanisches Kind genau dieses Medikament erhalten? Warum führt die WHO in der Liste empfohlener Medikamente z.B. Chloramphenicol auf, das in den Industrieländern wegen nachgewiesener Unwirksamkeit und gefährlichen Nebenwirkungen aus dem Handel gezogen wurde? Richner setzte sich mit aller Kraft für seine verantwortungsvolle Überzeugung ein, dass es keine «einfache Medizin für einfache Menschen» geben darf, wie dies die WHO propagierte. «Die Krankheit ist immer die gleiche, ob in Europa oder in Kambodscha», pflegte er zu sagen. Und weil das so sei, müsse die Krankheit in Kambodscha genauso behandelt werden wie in der Schweiz.
Mit dieser medizinisch begründeten Logik griff er viele Hilfsorganisationen an, die er ausserdem bezichtigte, Unsummen von Spendergeldern in ihrem teuren Verwaltungsapparat versickern zu lassen. Seine Argumentation und sein Gerechtigkeitssinn waren wirkungsvoll und für jedermann nachvollziehbar. Um darauf nicht näher eingehen zu müssen, titulierte sie Radio SRF in der Sendung «Echo der Zeit» vom 9. September als «Ideologie».
Gerade in diesen Tagen haben die WHO und andere Gesundheitsorganisationen darauf hingewiesen, dass man die Turberkulose noch lange nicht im Griff hat. Richner hat mit seinem minutiösen Programm der Bekämpfung dieser heimtückischen Infektionskrankheit der Welt gezeigt, dass es sehr wohl möglich ist, die Tuberkulose nachhaltig einzudämmen. Natürlich ging das nicht ohne einen grossen Personalaufwand und grossangelegte unentgeltliche Informationsveranstaltungen für die Bevölkerung. Es ist der Wunsch der Eltern, dass ihre infizierten Kinder gesund werden, den man als Arzt und Helfer entgegennehmen muss. Dieser Wunsch ist die Basis einer verlässlichen Verbindung zum Arzt und zum Spital, die letztlich der Garant ist, die monatelange konsequente Behandlung durchzustehen, ohne sie abzubrechen. Das hat Richner nicht nur erkannt, sondern er hat der Welt die Machbarkeit bewiesen und damit dem Fatalismus den Kampf angesagt.
Richner verkörperte mit seinem gross­artigen Engagement vieles, womit wir Schweizer uns identifizieren: selbstloses Engagement, humanitäre Hilfe, sachliche Kritik – ohne Zugeständnisse an den heutigen Mainstream. Wenn Beat Richner keinen Friedensnobelpreis erhielt, dann spricht das für ihn. Der französische Aufklärer Claude Adrien Hélvétius beschrieb diesen Umstand mit den Worten: «Es ist unmöglich, die Fackel der Wahrheit durch eine Menge zu tragen, ohne dem einen oder anderen den Bart anzusengen».    •

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