Mehr als sieben Jahre nach Beginn des Krieges in Syrien haben sich die Präsidenten der Türkei, Frankreichs und Russlands sowie die deutsche Bundeskanzlerin auf grundlegende Punkte für einen Friedensprozess geeinigt. Viele westliche Medienkommentare haben vor allem «Haare in der Suppe» gesucht. Die tatsächlich noch neuralgischen Punkte sollten bei weiteren Schritten auch berücksichtigt werden. Nichtsdestoweniger: Der Wortlaut der Gemeinsamen Erklärung vom 27. Oktober 2018 am Ende ihres Treffens, zu dem der türkische Präsidenten nach Istanbul eingeladen hatte, ist ein Silberstreifen am Horizont. Den Menschen in Syrien, den Flüchtenden und Vertriebenen, aber auch all den anderen von diesem Krieg direkt oder indirekt Betroffenen ist nichts mehr zu wünschen, als dass diesem Silberstreifen konkrete Schritte folgen.
Es wäre ein Segen, wenn tatsächlich Bewegung in die Weltpolitik gekommen ist und einer der Brennpunkte dieser Weltpolitik – die Vorgänge in Syrien stehen in vielfacher Hinsicht für die Entwicklungen in der gesamten Region Nordafrikas sowie des Nahen und Mittleren Ostens – mehr zur Ruhe kommen könnte.
Es gibt Anzeichen für eine solche Bewegung:
Dass ein Friedensprozess in Syrien nicht nur Syrien alleine betrifft, auch nicht nur die unmittelbaren Nachbarländer Syriens, sondern, wie es zutreffend in der Erklärung heisst, auch die «globale Sicherheit und Stabilität», ist offensichtlich – nicht nur militärisch.
Die Erklärung von Istanbul geht auch auf die Frage der Flüchtlinge und Vertriebenen ein. In seinem neuen Buch «Kritik der Migration. Wer profitiert und wer verliert» hat der österreichische Publizist Hannes Hofbauer bei der Frage nach den Ursachen der muslimischen Migration eine treffende Überschrift gewählt: «Die treibende Kraft: der Krieg». In der Tat: Die Kriege von Nato-Staaten und ihren Verbündeten gegen (vermeintliche) Diktatoren und Terroristen und das massive Schüren von Unruhen in dieser Weltregion seit 1991 haben Nordafrika sowie dem Nahen und Mittleren Osten einen riesigen Blutzoll abverlangt und gewaltige Zerstörungen mit sich gebracht, und die Worte des ehemaligen parlamentarischen Staatssekretärs und CDU-Aussenpolitikers Willy Wimmer, die Hannes Hofbauer zustimmend zitiert, sollen auch hier wiedergegeben werden: «Zwischen Afghanistan und Mali wird unter der Fuchtel der Nato die Welt in Schutt und Asche gelegt. Menschen werden zu Millionen aus ihrer Zivilisation herausgebombt. Eine Zukunft ist diesen Ländern nicht mehr möglich, und das eigene Leben auch nicht. […] Krieg und Unruhen zwischen Bangladesch und Nigeria trieben die Menschen zur Flucht, aber auch wirtschaftliche Überlegungen.»
Im Buch des US-Amerikaners Chalmers Johnson, «Ein Imperium verfällt. Wann endet das Amerikanische Jahrhundert», war schon vor 18 Jahren zu lesen, dass die imperialistische US-Politik mit einem «Rückstoss», so nannte es Chalmers Johnson, rechnen muss und dass sich der US-amerikanische Imperialismus am eigenen Land rächen werde. Wohl nichts anderes erleben nun die europäischen Staaten, die Imperialismus und Kriegspolitik gegen Afrika sowie gegen den Nahen und Mittleren Osten weitgehend vorbehaltlos und aktiv unterstützt haben – und für die der Krieg ebenfalls die Fortsetzung der eigenen imperialistischen Politik mit anderen Mitteln war. Wenn hier ein Umdenken beginnt und Kurskorrekturen folgen …
Die falsche Politik hat, um ein Beispiel zu nennen, Deutschland politisch und gesellschaftlich destabilisiert. Das durchaus imperialistisch zu nennende «Wirtschaftswunderland» ist innerlich zerrissen, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind deutlich gefährdet, die öffentliche Debatte ist hysterisch geworden, und das Gespenst einer «Gefahr von rechts» betäubt die Meinungsfreiheit und führt zur geistigen Gleichschaltung. Das bleibt nicht ohne Eskalation. Die grossen Wahlverschiebungen der letzten Jahre sind nur ein Symptom an der Spitze des Eisbergs. Die Ankündigung von Angela Merkel, im Dezember 2018 nicht mehr für den Parteivorsitz der CDU kandidieren und auch keine erneute Kanzlerkandidatur anstreben zu wollen, ist die zwar sehr späte, aber logische Konsequenz politischer Fehlentscheidungen, für die Angela Merkel politisch verantwortlich ist. Um so mehr müssen nun die deutschen Regierungsparteien auf ihr Wort verpflichtet werden, wenn sie angekündigt haben, sich auf die Sacharbeit konzentrieren zu wollen.
Aber die Sache muss auch stimmen. Die Einigung mit Frankreich, der Türkei und Russland auf eine gemeinsame Erklärung zum Friedensprozess in Syrien ist ein Schritt in die richtige Richtung. Sollte die noch amtierende deutsche Regierung tatsächlich mit zum Frieden in Syrien beitragen, wäre dies auch eine Art von Wiedergutmachung für politische Fehlentscheidungen der vergangenen Jahre. •
1 vgl. <link http: www.deutsch-russisches-forum.de forum-im-dialog-am-18-oktober-2018-in-berlin>www.deutsch-russisches-forum.de/forum-im-dialog-am-18-oktober-2018-in-berlin/905768
Der Präsident der Republik Türkei, Seine Exzellenz Recep Tayyip Erdogan, der Präsident der Französischen Republik, Seine Exzellenz Emmanuel Macron, der Präsident der Russischen Föderation, Seine Exzellenz Wladimir Putin, und die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, Ihre Exzellenz Angela Merkel, sind am 27. Oktober 2018 in Istanbul zu einem quadrilateralen Gipfel zu Syrien zusammengekommen.
Die Präsidenten und die Bundeskanzlerin
Die Präsidenten der Französischen Republik und der Russischen Föderation und die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland bekundeten ihre aufrichtige Dankbarkeit gegenüber dem Präsidenten der Republik Türkei, Seiner Exzellenz Recep Tayyip Erdogan, für die Ausrichtung des quadrilateralen Gipfels in Istanbul.
Quelle: <link https: www.bundesregierung.de breg-de aktuelles gemeinsame-erklaerung-der-praesidenten-der-republik-tuerkei-der-franzoesischen-republik-der-russischen-foederation-und-der-bundeskanzlerin-der-bundesrepublik-deutschland-1542856>www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/gemeinsame-erklaerung-der-praesidenten-der-republik-tuerkei-der-franzoesischen-republik-der-russischen-foederation-und-der-bundeskanzlerin-der-bundesrepublik-deutschland-1542856
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