Es stimmt: Nato hat mit Ost-Erweiterung Zusagen gebrochen

Es stimmt: Nato hat mit Ost-Erweiterung Zusagen gebrochen

Russlands tiefste Befürchtungen sind wahr geworden

von Eric Margolis*

In einer Zeit, in der die Vereinigten Staaten von Amerika von einer antirussischen Hysterie und Dämonisierung Wladimir Putins erschüttert werden, enthüllt ein Fundus kürzlich freigegebener Dokumente des Kalten Krieges das erstaunliche Ausmass der Lügen, der Scheinheiligkeit und der Doppelzüngigkeit der westlichen Mächte gegenüber der zusammenbrechenden Sowjetunion im Jahr 1990.
Ich berichtete damals aus Moskau und traf einige der Hauptakteure in diesem schmutzigen Drama. Seitdem schreibe ich, dass der sowjetische Führer Michail Gorbatschow und Aussen­minister Eduard Schewardnadse schamlos belogen und von den Vereinigten Staaten von Amerika, Grossbritannien und deren Anhängsel Nato getäuscht worden sind.
Alle Westmächte versprachen Gorbatschow und Schewardnadse, dass die Nato sich nicht um einen Zentimeter nach Osten ausdehnen werde, wenn Moskau die Rote Armee aus der DDR abziehen und ihr die friedliche Wiedervereinigung mit Westdeutschland ermöglichen werde. Dies war ein gigantisches Zugeständnis von Gorbatschow, das 1991 einen gescheiterten Putsch kommunistischer Hardliner gegen ihn zur Folge hatte.
Die Dokumente, die von der George Wa­shington University in Washington DC herausgegeben wurden, an der ich ein Semester lang studiert habe, stellen eine widerliche Lektüre dar.1 Alle westlichen Mächte und Staatsmänner versicherten den Russen, dass die Nato den sowjetischen Rückzug nicht ausnutzen würde und dass in Europa nach dem Kalten Krieg eine neue Ära der Freundschaft und Zusammenarbeit anbrechen werde. US-Aussenminister James Baker bot «eiserne Garantien» an, dass es keine Nato-Erweiterung geben würde. Lügen, alles Lügen.
Gorbatschow war ein Humanist, ein sehr anständiger, intelligenter Mann, der glaubte, er könne den Kalten Krieg und das atomare Wettrüsten beenden. Er hat die Rote Armee aus Osteuropa zurückbeordert. Ich war in Wünsdorf, Ostdeutschland, Hauptquartier der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland, und im Hauptquartier der Stasi-Geheimpolizei in Ost-Berlin, gleich nachdem der Abzugsbefehl erteilt wurde. Die Sowjets zogen ihre 338 000 Soldaten und 4200 Panzer ab und schickten sie blitzschnell nach Hause.
Westliche Versprechungen, die Präsident George W. H. Bush und James Baker den sowjetischen Führern gemacht hatten, erwiesen sich schnell als leer. Sie waren ehrbare Männer, aber ihre Nachfolger nicht. Die Präsidenten Bill Clinton und George W. Bush begannen schnell damit, die Nato nach Osteuropa zu bewegen, indem sie gegen alle Zusagen an Moskau verstiessen.
Polen, Ungarn und Tschechien wurden in die Nato aufgenommen, dann Rumänien und Bulgarien, die baltischen Staaten, Albanien und Montenegro. Washington versuchte, die ehemaligen Sowjetrepubliken Georgien und Ukraine in die Nato zu bringen. Die mit Moskau verbündete Regierung der Ukraine wurde in einem von den USA ausgeführten Putsch gestürzt. Die Strasse nach Moskau war offen.
Alles, was die bankrotten, verwirrten Russen tun konnten, war, diese Ostbewegungen der USA und der Nato anzuprangern. Die beste Antwort, die die Nato und Washington geben konnten, war: «Nun, es gab kein offizielles schriftliches Versprechen», was eines Strassenhändlers würdig ist, der gefälschte Uhren verkauft. Die Staats- und Regierungs­chefs der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs, Frankreichs, Belgiens und Italiens haben gelogen. Deutschland war zwischen seiner Ehre und der bevorstehenden Wiedervereinigung gefangen. So musste sich auch Bundeskanzler Helmut Kohl den Ausflüchten des Westens anschliessen.
Damals schrieb ich, dass die beste Lösung die Entmilitarisierung des ehemals sowjetisch kontrollierten Osteuropas sei. Die Nato hatte keine Notwendigkeit und kein Recht, nach Osten zu expandieren. Das wäre eine ständige Provokation gegenüber Russland, das Osteuropa als unverzichtbares Schutzgebiet gegen Invasionen aus dem Westen betrachtete.
Jetzt, da die Nato-Streitkräfte an seinen westlichen Grenzen stehen, sind Russlands tiefste Befürchtungen wahr geworden.
Heute erkunden an den Küsten der ehemaligen Mitglieder des Warschauer Paktes Rumänien und Bulgarien stationierte US-Militärflugzeuge den russischen Luftraum über dem Schwarzen Meer und den wichtigen strategischen Hafen von Sewastopol. Washington spricht über die Bewaffnung der chaotischen Ukraine. US- und Nato-Truppen sind in der Ostsee, an Russlands nordwestlichen Grenzen. Polnische Rechtsextreme schlagen die Kriegstrommeln gegen Russland.
Im Jahr 1990 einigten sich KGB und CIA auf den Grundsatz, dass die Nato «keinen Zentimeter» nach Osten gehen sollte. Der ehemalige US-Botschafter in Moskau, Jack Matlock, bestätigt die gleiche Vereinbarung. Gorbatschow, der von vielen Russen als törichter Idealist angeprangert wird, vertraute den Westmächten. Er hätte ein Bataillon von Winkeladvokaten aus dem New York City Garment District haben sollen, um seine Vereinbarungen im Jahr 1990 zu dokumentieren. Er dachte, er habe es mit ehrlichen, anständigen Männern zu tun, wie er selbst einer war.
Ist es nach dieser Lockvogeldiplomatie ein Wunder, dass Russland kein Vertrauen in die Westmächte hat? Moskau sieht, wie die von den USA geführte Nato immer weiter nach Osten vordringt. Heute glauben Russlands Führer fest daran, dass Washingtons ultimativer Plan darin besteht, Russland auseinanderzureissen und es auf eine machtlose, arme Nation zu reduzieren. Zwei ehemalige westliche Führer, Napoleon und Hitler, hatten ähnliche Pläne.
Anstatt weiter über Hitlers Doppelzüngigkeit nach München zu reden, sollten wir uns unser eigenes schamloses Verhalten nach 1990 vor Augen halten.    •

*    Eric S. Margolis ist ein mehrfach ausgezeichneter, international vernetzter Kolumnist. Seine Artikel erschienen in der «New York Times», der «International Herald Tribune», der «Los Angeles Times», der «London Times», der «Gulf Times», der «Khaleej Times», der «Nation» in Pakistan, der «Hurriyet» in der Türkei, der «Sun Times» in Malaysia und weiteren Nachrichten-Portalen in Asien. Er veröffentlicht regelmässig Beiträge in der Huffington Post, bei Lew Rockwell. Er tritt bei CNN, BBC, France 2, France 24, Fox News, CTV und CBC als Experte für Aussenpolitik auf. Seine Internet-Kolumne www.ericmargolis.com erreicht täglich Leser auf der ganzen Welt. Als Kriegskorrespondent hat Margolis über Konflikte in Angola, Namibia, Südafrika, Mosambik, Sinai, Afghanistan, Kaschmir, Indien, Pakistan, El Salvador und Nicaragua berichtet. Er war unter den ersten Journalisten, die Libyens Muammar Gadaffi jemals interviewt haben, und er war unter den ersten, die Zugang zu KGB-Hauptquartieren in Moskau erhielten. Als gebürtiger New Yorker lebt er in Toronto und New York und besucht häufig Paris.

Quelle: <link http: www.ericmargolis.com>www.ericmargolis.com vom 16.12.2017

(Übersetzung von www.antikrieg.com)

1    <link https: nsarchive.gwu.edu briefing-book russia-programs nato-expansion-what-gorbachev-heard-western-leaders-early>nsarchive.gwu.edu/briefing-book/russia-programs/2017-12-12/nato-expansion-what-gorbachev-heard-western-leaders-early 

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