Die Kriege des US-Imperialismus im Nahen Osten

Die Kriege des US-Imperialismus im Nahen Osten

von Dr. phil. Matin Baraki

Aktham Suliman, der aus Syrien stammende Journalist und ehemalige Berliner Büroleiter des katarischen TV-Senders al-Jazira, bekannt als «Arabischer CNN», leitete diesen von 2002 bis 2012. Er hat nun eine brillante, sachlich und kritisch geschriebene Analyse der Kriege und des vom US-Imperialismus verursachten Chaos’ im Nahen Osten vorgelegt. Suliman ist zu bescheiden, wenn er seine Analyse nur auf den Nahen Osten einschränken möchte. Dem Autor gelingt es, Ursachen, Triebkräfte und strategische Hintergründe der geopolitischen Katastrophe im Nahen Osten schonungslos bloss­zulegen und die strategischen Dimensionen zu analysieren, welche weit über den Nahen Osten hinausgehen. Auch auf den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern geht er ausführlich ein, wobei er die koloniale Besatzerpolitik der israelischen Regierungen und ihrer internationalen Verbündeten kritisch beleuchtet. (S. 34ff.)
Al-Jazira war der einzige unabhängige arabische Sender, der permanent live über die Brutalität des US-geführten imperialistischen Krieges gegen den Irak berichtete, womit über 50 Millionen arabische Haushalte erreicht wurden. George W. Bushs in Europa agierender «Pudel», der britische Premierminister Tony Blair, war darüber so wütend, dass er seinerzeit dazu aufrief, die Zentrale von al-Jazira in der katarischen Hauptstadt Doha zu bombardieren. So weit kam es zwar nicht, aber die Zentrale des Senders in der irakischen Hauptstadt Bagdad wurde zerstört.
Mit der «Arabellion» änderte sich die ­politische Orientierung des Senders. Er wurde von einer offen und objektiv informierenden Institution zu einem Instrument der islamistischen Bewegung der «Ekhwan al Muslemin», der Muslimbruderschaft, und der Aussenpolitik der Regierung des Emirats Katar und der Interessen der USA. (S. 18)
Suliman analysiert messerscharf die von den USA inszenierten Kriege am Golf, weist nach, wie UN-Beschlüsse instrumentalisiert, die Vereinten Nationen durch die US-Administration permanent gedemütigt wurden. Die UN-Resolution 678 vom 29. November 1990 wurde so interpretiert, dass über Nacht aus dem scheinbaren Schutzschild für die Zivilisten eine Aggression gegen den Irak geworden ist. (S. 25)
UN-Inspektoren konnten nachweisen, dass der Irak keinerlei Massenvernichtungswaffen besass. Dennoch, so der Autor, habe die US-Armee die nuklearen Fähigkeiten des Irak «in die Steinzeit zurückgebombt». (S. 27) Sie haben im Irak «eine grössere Bombenlast abgeworfen als während des gesamten Zweiten Weltkrieges». (S. 26) Der CNN-Reporter Bernhard Shaw berichtete: «Der Himmel über Bagdad leuchtet». (S. 39)
Die Schrecken des Krieges, dessen Ende nicht absehbar ist, werden minutiös beschrieben. (S. 113–161) Angefangen von der Folter im CIA-Gefängnis in Abu Ghraib bis zur Erschiessung von Zivilisten aus einem Hubschrauber auf der Strasse in Bagdad durch US-Söldner informiert Aktham Suliman sehr präzise über die Kriegsverbrechen der USA und ihrer Alliierten. (S. 28ff.)
Suliman belegt, dass sowohl durch die US-Botschafterin in Bagdad, April Glaspie, als auch durch das US-Aussenministerium der Regierung Saddam Hussein grünes Licht für den Überfall auf Kuwait gegeben worden ist. (S. 32) Dadurch wurde die irakische Regierung in die Kuwaiter Falle gelockt und später vernichtend geschlagen. Selbst beim Rückzug aus Kuwait gab es für die irakischen Militäreinheiten keine Gnade. Dies kommt meines Erachtens einem Kriegsverbrechen ganz nah.
Francis Fukuyama mit seiner These vom «Ende der Geschichte» und Samuel P. Huntington mit dessen brachialem Begriff vom «Kampf der Kulturen» werden als geistige Brandstifter eingestuft, die dann auch den heissen Krieg unterstützten. (S. 49) Die gängige Version der Ereignisse des 11. Septembers 2001 stellt Suliman stark in Frage und rückt ausführlich die Verbindungen von al-Kaida-Chef Osama bin Laden und dem palästinensischen Theologen und Führer der Muslimbrüderschaft Dr. Abdallah Azzam mit der CIA in den Vordergrund. (S. 65–110)
Im letzten Kapitel beschreibt er als guter Beobachter den sogenannten «arabischen Frühling», der keiner wurde. Wer sich über die nationalen, regionalen und internationalen Zusammenhänge und Verflechtungen der Kriege und Konflikte in und um den Nahen Osten aus erster Hand informieren möchte, dem sei das Buch von Aktham Suliman wärmstens empfohlen.    •

*    Dr. Matin Baraki ist ein deutsch-afghanischer Politologe und Dolmetscher. Nach einer Ausbildung zum Feinmechaniker studierte er in Kabul Pädagogik und arbeitete als Lehrer. Von 1970 bis 1974 war Baraki Technischer Assistent an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Kabul. 1974 ging er in die Bundesrepublik Deutschland und promovierte 1995 an der Philipps-Universität Marburg. Er nahm danach als Politikwissenschaftler Lehraufträge für Internationale Politik an den Universitäten Marburg, Giessen, Kassel und Münster wahr.

Suliman, Aktham. Krieg und Chaos in Nahost. Eine arabische Sicht. Frankfurt/Main 2017.
ISBN 978-3-939816-40-9

«Dieses Buch versteht sich grundsätzlich als Lebenslauf des Todes im Nahen Osten des letzten Vierteljahrhunderts aus arabischer Sicht. Vor circa 25 Jahren, Anfang 1991, erreichte die Zahl ausländischer bewaffneter Männer und Frauen aus über dreissig Ländern auf einem kleinen Fleck Wüste im Nordosten der Arabischen Halbinsel mehr als eine halbe Million. Für den Westen war es der Beginn der ‹Operation Wüstensturm› zur Befreiung Kuwaits von der im Sommer davor erfolgten irakischen Invasion. Für viele in der Arabischen Welt war es ein Sturm des Todes, von dem sich die Region zwischen dem Atlantischen Ozean und dem Persischen Golf bis heute nicht  erholt hat. […] Krieg und Chaos in Nahost beansprucht, nicht DIE, sondern EINE arabische Sicht zu präsentieren, wohl wissend, dass mehr als 400 Millionen Araber in über zwanzig arabischen Staaten und im Ausland das Recht auf mehr als nur eine Sicht haben. Es gibt aber das empfundene Gemeinsame. Aus arabischer Sicht handelt es sich bei den letzten 25 Jahren nicht nur um historische Entwicklungen und Ereignisse, sondern vielmehr um konkrete Schicksalsmomente für Menschen aus Fleisch und Blut. Dabei änderten sich Biographien von Millionen von Arabern, darunter auch die des Autors dieses Buches. Nichtsdestoweniger oder gerade deswegen sei auch daran erinnert, dass just aus jener arabischen Sicht – allen Nachrichtenbildern zum Trotz – im Nahen Osten nicht nur gestorben und geweint, sondern auch gelebt und gelacht wird.»

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