zf. François Asselineau (Jahrgang 1957) ist der Präsident der nach eigenen Angaben mittlerweile fünftstärksten Partei Frankreichs und war einer der Gegenkandidaten von Emmanuel Macron bei den französischen Präsidentschaftswahlen 2017. Dass trotzdem kaum einer diese Partei kennt, hängt damit zusammen, dass sie von den französischen Medien weitgehend totgeschwiegen wird. Das wiederum hängt mit den drei Kernforderungen der Partei zusammen: Austritt aus der EU, Austritt aus der Euro-Zone und Austritt aus der Nato. Aber die Partei ist dabei, sich über andere Kanäle bekannt zu machen, vor allem über ihre Internetseite (<link www.upr.fr>www.upr.fr), die auf hohe Zugriffszahlen verweist. Am 28. Februar 2018 wurde François Asselineau von der auflagenstarken Schweizer Tageszeitung «Le Matin» interviewt.
«Le Matin»: Warum singen Sie so oft ein Loblied auf die Schweiz?
François Asselineau: Weil Ihr Land, welches das demokratischste und weltoffenste Land ist, das es gibt, beweist, dass Nichtzugehörigkeit zur EU nicht gleichbedeutend ist mit Isolation. Die Schweizer verdienen die Bewunderung der Welt. Sie haben es abgelehnt, in die EU einzutreten, und diese Abstimmung wurde respektiert, anders als das, was wir in Frankreich erlebt haben nach der Abstimmung über die europäische Verfassung 2005. (Mit 55 % abgelehnt.) Die Schweiz häuft Erfolge an. Die Medien scheinen mir freier zu sein als in Frankreich, wenn es um die Darstellung verschiedener Meinungen geht. Das Lebenshaltungsniveau und die Lebensqualität sind hoch. Ihr Land befindet sich übrigens regelmässig in der Spitzengruppe bei der Bewertung des «Menschlichen Entwicklungsindexes» (IDH).
Ihre Gegner teilen nicht immer diese Analyse …
Die EU-Befürworter, die die Schweiz kaum kennen, halten mir oft mit Verachtung vor, dass sie nur von den Banken lebt. Die Realität ist jedoch, dass dieses Land, im Gegensatz zu unserem, seiner Industrie Sorge trägt – vor allem der Uhrenindustrie, der optischen und der pharmazeutischen Industrie. Ganz zu schweigen vom Tourismus und den Dienstleistungen. Es kommt noch besser: Die Schweiz, Island und Norwegen – die drei Länder Westeuropas, die sich geweigert haben, der EU beizutreten – sind an der Spitze des IDH-Rankings! Schweden, Dänemark und das Vereinigte Königreich, die den Euro abgelehnt haben, sind wirtschaftlich gesehen unter den dynamischsten Ländern der EU!
Die Schweiz ist mit der EU über bilaterale Verträge verbunden, und der Druck seitens der EU wächst. Werden wir eines Tages gezwungen sein, der EU beizutreten?
Die bilateralen Verträge sind nützlich, aber das Volk muss genau hinsehen, was damit geschieht, denn Ihr Land hat auch globalisierte Eliten, die ihm möglichst unbemerkt die EU aufzwingen wollen. Es darf nicht passieren, dass die demokratische Schweiz, mit Ganovenmethoden gedrängt von einem grossen Bruder, dessen Führungspersonen von niemandem gewählt wurden, sich morgen in der Situation befindet, den europäischen Zwängen gehorchen zu müssen, ohne sich an den Entscheidungen beteiligen zu können. Wenn ich Schweizer wäre, wäre ich sehr wachsam. Die Schweiz hat noch die Macht, ihre nationalen Interessen zu vertreten. Frankreich, an die divergierenden Interessen der 27 Mitgliedsstaaten der EU gebunden, kann dies nicht mehr!
Ihnen scheint eine Reform der EU unmöglich. Weshalb?
«Das andere Europa», das von allen möglichen Seiten gefordert wird, von Heuchlern, Inkompetenten oder auch «nützlichen Idioten», ist unrealistisch, denn will man nur ein Wort in den europäischen Verträgen ändern, erfordert dies die Einstimmigkeit der 28 Mitglieder und der 28 Völker, deren Interessen sich in allen Bereichen widersprechen. Frankreich ist zum Beispiel Nettozahler (das heisst, es zahlt mehr Geld an die EU, als es zurückerhält) und leidet unter der Entsendungsdirektive für die Arbeitskräfte. Bulgarien zum Beispiel profitiert davon und erhält mehr, als es einzahlt. Die einzige vernünftige Entscheidung ist, die EU zu verlassen, wie dies das grosse britische Volk getan hat, indem es den Artikel 50 in Anspruch genommen hat. Ich möchte in dem Zusammenhang bemerken, dass im Gegensatz zu dem, was die Propheten der Apokalypse herausposaunt hatten, es dem Vereinigten Königreich gut geht. Die Arbeitslosenzahlen sind auf ihrem niedrigsten Niveau seit 1975 (4,2%).
Wenn man Ihnen zuhört, erhält man den Eindruck, die Schweiz mache alles richtig.
Nein. Die Tatsache, dass sie Mitglied der «Partnerschaft für den Frieden» ist, einer Struktur der Nato, deren Name dem Neusprech von Orwells «1984» würdig ist, erstaunt mich. Als Schweizerbürger wäre ich darüber empört. Die Schweiz handelt damit in völligem Gegensatz zu ihrer Neutralität, die ja gerade ihre Stärke ausmacht. Sie ist damit in die amerikanische Geopolitik des «Kampfes der Kulturen» eingebunden und muss zum Beispiel Soldaten in den Kosovo schicken. Das steht im Gegensatz zu ihrer ganzen Geschichte und ihren Interessen. Ihre direkte Demokratie und insbesondere die Volksabstimmungen finde ich jedoch beispielhaft und nachahmenswert.
Wie Joseph Stiglitz, Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften oder der Historiker Emmanuel Todd, sagen auch Sie dem Euro den Tod voraus. Warum?
Dem Euro geht es sehr schlecht, insbesondere wegen des italienischen Staatsdefizits. Aber die Spezialisten verheimlichen dies der Öffentlichkeit. Da müsste man einen eigenen Artikel schreiben, um dies zu erklären. Vincent Brousseau, unser Spezialist in der UPR, der 15 Jahre bei der EZB gearbeitet hat, kann das sehr gut erklären. Sagen wir nur, dass der Euro eine Währung ist, deren Wechselkurs gegenüber dem Dollar nicht hoch genug ist für die deutsche Wirtschaft, aber zu hoch für die französische und die meisten anderen der Euro-Zone. Dies führt zu mehr Arbeitslosigkeit und grösseren Handelsdefiziten. Resultat: Die Bundesbank sammelt immer weiter faule Schuldforderungen aus dem Süden Europas an. Sie haben mittlerweile 900 Milliarden überschritten. Wenn die 1000-Milliarden-Grenze überschritten sein wird, werden die Deutschen gezwungen sein, einen Schnitt zu machen, um nicht den gleichen Absturz wie 1923 zu erleben. Wie Stiglitz bin ich der Meinung, dass es den Staaten, die den Euro zuerst verlassen, noch am besten gehen wird.
Was würde das Ende des Euro für die Schweiz bedeuten?
Ihr Franken würde seine Rolle als Fluchtwährung voll einnehmen. Er würde stark steigen. Die Importe würden billiger, und die Exporte würden darunter leiden. Das würde einiges durcheinander bringen, aber in viel geringerem Mass als in der EU. Die Realität lässt uns keine Wahl: Der Euro wird zusammenbrechen – und die EU mit ihm! •
(Das Interview führte Laurent Grabe)
Quelle: «Le Matin» vom 28.2.18
(Übersetzung Zeit-Fragen)
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