Ernst Würtenberger – Künstler, Literaturfreund und Pädagoge

Ernst Würtenberger – Künstler, Literaturfreund und Pädagoge

Zwei Ausstellungen in Konstanz und Gaienhofen

von Urs Knoblauch Kulturpublizist, Fruthwilen TG

Im folgenden werden zwei Ausstellungen vorgestellt: Wieder ist der Leiterin der historischen Städtischen Wessenberg-Galerie in Konstanz, Frau Dr. Barbara Stark, eine eindrückliche Ausstellung gelungen, mit zahlreichen Werken Ernst Würtenbergers und anderen Künstlern in seinem Umfeld. In der Ausstellung wird besonders sein fast 20jähriges Wirken in der aufblühenden Kunststadt Zürich in Verbindung mit Werken von Zeitgenossen und Vorbildern thematisiert.
Ebenso erfreulich ist die von Ute Hübner und Inga Pohlmann gestaltete Literatur-Ausstellung im Hesse-Museum in Gaienhofen auf der Insel Höri. Das Museum beherbergt eine Ausstellung über Leben und Werk des Dichters und Bilder der Künstler aus der Bodenseegegend sowie Werke von Malern, die in der Weltkriegszeit hier Zuflucht fanden. Dank der gründlichen gemeinsamen kunst- und literaturwissenschaftlichen Forschung kann nun in beiden Ausstellungen das Werk und Wirken Ernst Würtenbergers (1868–1934) wieder entdeckt werden. Es liegt ein reich bebildertes Katalogbuch mit Beiträgen verschiedener Autoren vor. Die Autorinnen würdigen den Künstler in der Einführung des Kataloges: Ernst Würtenberger «war ein brillanter Porträtist und erfolgreicher Maler, ein meisterhafter Holzschneider, ein ebenso einfühlsamer wie didaktisch begabter Lehrer, ein analytisch denkender Kopf und scharfzüngiger Rhetoriker, ein gesellschaftlich vielfältig engagierter Netzwerker, ein treuer Freund sowie ein fürsorglicher Vater und Ehemann. Er besass Humor und vielfältige literarische Interessen und schätzte den intellektuellen Diskurs».

Glückliches Familienleben, gründliche Ausbildung und Freundschaften

Die Familie Würtenberger lebte in Steiss­lingen bei Radolfzell, im badischen Hegau. Ernst konnte dort mit seinen drei Geschwistern das Landleben bis zum siebten Lebensjahr geniessen. Die fürsorgliche Mutter entstammte einer Brauerei- und Wirtsfamilie aus der Umgebung. 1876 zog die Familie in die Schweiz, nach Emmishofen bei Kreuzlingen. Der Vater, ursprünglich Geometer und Privatgelehrter, übernahm dort als Teilhaber eine Ziegelfabrik. Schon früh erwachte in Ernst die Freude am Zeichnen, insbesondere am Porträtieren. Auch sein Bruder entwickelte die Freude am künstlerischen Gestalten und wurde Plastiker und Keramiker. Ernst besuchte das Konstanzer Gymnasium und konnte danach durch die Unterstützung des Vaters, nach dem Bestehen der anspruchsvollen Aufnahmeprüfung, an der berühmten Kunstakademie in München von 1888–1892 studieren. 1895/96 erweiterte er seinen Horizont durch Aufenthalte in Florenz, Besuche im Atelier von Arnold Böcklin und als Meisterschüler bei Ferdinand Keller in Karlsruhe. Schon früh verfasste er Schriften über Themen der Kunst und den Maler Arnold Böcklin, der zu den wichtigsten Künstlern seiner Zeit gehörte. Es entstanden zahlreiche Freundschaften, so beispielsweise 1903 mit Hermann Hesse und vielen weiteren Schriftstellern der Literatur- und Kunstszene am Bodensee, wodurch er auch einige Bücher gestalten und illustrieren konnte. Würtenberger gehörte zur bedeutenden Künstlergruppe eines wertorientierten Realismus, welcher das 19. Jahrhundert entscheidend prägte. Das Meisterwerk «Der Konstanzer Stadtrat» von 1899 ist mit seiner genauen und einfühlsamen Beobachtung der Menschen am politischen Gesprächs­tisch ein Beispiel dafür.

Reichhaltiges Wirken in Zürich und Karlsruhe

1902 übersiedelte Würtenberger mit seiner Familie nach Zürich, wo er seine künstlerisch wichtigsten Schaffensjahre bis 1921 verbrachte. Hier bekam er eine Anstellung als Kunst- und Zeichenlehrer an Luise Stadlers «Kunst- und Gewerbeschule für Damen» und etablierte sich als freischaffender Künstler mit zunehmendem Erfolg. 1914–1921 war er Lehrer für figürliches Zeichnen an der Kunstgewerbeschule Zürich. Die freundschaftliche Verbindung zum Literaturhistoriker Adolf Frey und zu Hans Trog, Feuilletonchef bei der «Neuen Zürcher Zeitung», waren von Respekt und gegenseitiger Stärkung des Wirkens geprägt. Würtenberger engagierte sich in der Zürcher Kunstgesellschaft, war lange Zeit Mitglied der Sammlungs- und Ausstellungskommission. Er war mitverantwortlich für wegweisende Ausstellungen über die französischen Impressionisten oder Felix Vallotton. Der Künstler war inspiriert vom Werk von Ferdinand Hodler, er setzte sich für ihn und den Neubau des Zürcher Kunsthauses ein. Würtenberger steht in der Tradition einer neuen figürlichen Malerei, wie dies in der grossen Schau «Die andere Moderne – Kunst und Künstler in den Ländern am Rhein 1900–1922» in der Wessenberg-Galerie in Konstanz, im Museum Giersch in Frankfurt und in der Städtischen Galerie in Karlsruhe 2013/14 zu bewundern war.
1920 schuf Würtenberger eine eindrückliche Holzschnittserie zu Ulrich Bräkers «Lebensgeschichte und natürliche Abenteuer des armen Mannes im Tockenburg». 1921 wurde er als Professor an die Badische Landeskunstschule berufen, wo er bis zu seinem Tod 1934 wirkte. Für seine Studenten schuf er wertvolle Lehrwerke über seine Erfahrungen mit den verschiedenen grafischen Techniken. Bekannt wurde er mit seinen Büchern «Zeichnung, Holzschnitt und Illustration» (1919) und «Arnold Böcklin» (1927).
Würtenberger war ein grosser Verehrer von Gottfried Kellers Werken. In den beiden Ausstellungen ist die Farblithographie von 1905 zur Novelle «Das Fähnlein der sieben Aufrechten» von Keller zu bewundern. Auf dem Bild marschieren Jeremias Gotthelf, Conrad Ferdinand Meyer, der Maler Anselm Feuerbach mit Fahne, es folgen u. a. der Architekt Julius Kunkler, der Maler Rudolf Koller und am rechten Rand Gottfried Keller und dahinter Arnold Böcklin. Das prominente Künstler-Gruppenbild und die beiden sehenswerten Ausstellungen regen zum Lesen und auch Nachdenken über die Aufgabe und den Sinn der Kunst an. Im «Fähnlein der sieben Aufrechten» (Zürcher Novellen) finden wir beispielsweise die wunderschönen Worte zur staatsbürgerlichen Verantwortung: «Keine Regierung und keine Bataillone vermögen Recht und Freiheit zu schützen, wo der Bürger nicht imstande ist, selber vor die Haustür zu treten und nachzusehen, was es gibt.» Den beiden Ausstellungen ist eine grosse Besucherschar zu wünschen.    •

Die Ausstellung in Konstanz ist bis 1. April 2018, Di.–Fr. 10–18 Uhr und Sa., So. 10–17 Uhr geöffnet. ­
<link http: www.konstanz.de wessenberg>www.konstanz.de/wessenberg.

Die Sonderausstellung in Gaien­hofen ist bis 6. Mai 2018 zu sehen. Bis 11. März: Fr. und Sa. 14–17 Uhr, So. 10–17 Uhr, 13. März bis 1. Nov. 2018: Di.–So. 10–17 Uhr. <link http: www.hesse-museum-gaienhofen.de>www.hesse-museum-gaienhofen.de  

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