Die Meinungsfreiheit in Deutschland ist gefährdet

Die Meinungsfreiheit in Deutschland ist gefährdet

Beobachtungen nach 70 Jahren des deutschen Grundgesetzes

von Karl Müller

Beobachtungen nach 70 Jahren des deutschen Grundgesetzes führen zu dem Schluss, dass der heutige «Kampf gegen rechts» in der Regel nichts mit der Sicherung der Demokratie, auch nichts mit einer gegen politischen Extremismus wehrhaften Demokratie, viel aber mit Plänen für eine weiterhin unipolare Weltordnung zu tun hat.

Sonntagabend, 12. Mai, 20:15 Uhr, ZDF, beste Sendezeit: Der unter «Romantikkomödie» gefasste deutsche Fernsehfilm versteht sich auch als öffentlich-rechtlicher Beitrag gegen «Ausländerfeindlichkeit». Hauptpersonen sind unter anderen eine sehr sympathische, einfühlsame und mitmenschlich engagierte junge Frau sowie eine türkische Familie, deren Familienvater eine kleine, leider schlecht gehende Autowerkstatt betreibt. Diese Autowerkstatt ist abgebrannt, und einige im Dorf, vor allem ein Stammtisch um einen recht unsympathischen «rechten» Gemeinderat, verdächtigen den türkischen Familienvater, der Brandstifter zu sein und die Versicherung betrügen zu wollen. Die Familie, bislang halbwegs gut im bayerischen Dorf integriert, fühlt sich zunehmend isoliert. Unbekannte haben deren Haus mit «Ausländer raus!» beschmiert. Die Tochter des Hauses ist verzweifelt und begeht sogar einen Selbstmordversuch. Doch am Ende wendet sich alles zum Guten. Alle Familien und Paare haben zwar eine Reihe zwischenmenschlicher Probleme – die sind auch am Ende des Films nicht alle gelöst. Doch die oben erwähnte junge Frau organisiert einen Protestzug «gegen rechte Hetze», an dem sich, bei Dunkelheit auch noch mit einer Art Lichterkette, viele Dorfbewohner mit Schildern «gegen rechts» und für «Toleranz» beteiligen. Zwischenzeitlich hatte sich zudem herausgestellt, dass es gar keine Brandstiftung war.
Da mag keiner mehr widersprechen.

Fiktion und Wirklichkeit

Man darf aber fragen, ob hier die deutsche Wirklichkeit seit Sommer 2015 wahrheitsgetreu abgebildet wurde.
Der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz – von seinem Dienstherrn entlassen, weil jener daran festhielt, dass Vorgänge im ostdeutschen Chemnitz falsch dargestellt wurden – hat nun schon mehrfach zum deutschen «Kampf gegen rechts» öffentlich Stellung genommen, zuletzt in einem Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 8. Mai. Hans-Georg Maassen sagte dort unter anderem:
«In der seit September 2015 im wesentlichen unveränderten Migrationspolitik sehe ich erhebliche Risiken für die Sicherheit und den Zusammenhalt des Staates. Notwendig ist, dass Zurückweisungen an der Grenze durchgeführt werden. Wir müssen die Türen für diejenigen schliessen, die nicht politisch verfolgt werden, und wir müssen die rund 240 000 Ausländer, die ausreisepflichtig sind, umgehend abschieben und uns nicht von den Herkunftsstaaten auf der Nase herumtanzen lassen. Wir haben bisher keine Vorkehrungen getroffen, um eine neue, grosse Welle von Einwanderern zu stoppen.»

«Gift für die Demokratie»

Und, so Maassen weiter: «Menschen, die sich nicht im politisch-medialen Mainstream bewegen, haben es schwer. Sie werden mitunter als rechts oder rechtspopulistisch stigmatisiert. Das schüchtert ein und schreckt ab. Ich habe wiederholt gehört, dass Menschen lieber gar nichts sagen wollen, als öffentlich an den Pranger gestellt zu werden. […] Es ist Gift für die Demokratie, denn bestimmte politische Positionen, die nicht extremistisch sind, werden dadurch tabuisiert und dem demokratischen Diskurs entzogen.»
Und sogar: «Politiker sind gegenüber ihrer Partei oft loyaler als gegenüber dem Volk. Ich habe zum Beispiel mit SPD-Politikern über die sogenannte Flüchtlingskrise gesprochen. Sie räumten mir gegenüber ein, dass die Asylpolitik in den Jahren 2015 und 2016 ein schwerer Fehler der Regierung und eine Katastrophe für Deutschland gewesen sei. Öffentlich sagen könne man das aber nicht, denn die SPD dürfe sich nicht erneut konservativer als die Union positionieren, so wie sie es damals bei der Agenda 2010 getan habe.»

Schweig lieber, wenn Du anders denkst!

Wir wissen nicht, wie Hans-Georg Maassen den ZDF-Fernsehfilm beurteilen würde; aber dieser Film ist sicher keine Einladung dazu, sich öffentlich kritisch zur Migrationspolitik der Bundesregierung seit 2015 zu äussern. Dieser Film des ZDF ist vielmehr nur ein Beispiel von unzählig vielen dafür, wie Stimmung in Deutschland gemacht wird. Oft nicht mit dem Holzhammer, sondern professionell suggestiv. Und immer wieder mit einer zentralen Stossrichtung: Dem kann doch jetzt niemand widersprechen. So ergeht es Menschen in öffentlichen Veranstaltungen, am Arbeitsplatz und in der Freizeit. Man könnte es auch Propaganda nennen. Oder besser noch Appell: Schweig lieber, wenn Du anders denkst!

Die Macht eines Komplexes aus Medien und NGO …

Und man muss damit anfangen, die Äusserungen eines ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz ernst zu nehmen. Ein Land, in dem keineswegs extremistisch gesonnene Bürger und auch Politiker nicht mehr frank und frei das sagen können, was sie denken, ist ein Land ohne Meinungsfreiheit – mag sie auch in der Verfassung garantiert sein, mögen bislang auch offizielle staatliche Sanktionen noch die Ausnahme sein. Zu sanktionieren, das überlässt man einer neuen Art von «Volksgemeinschaft», ein Komplex aus Medien und NGO.
Beschämend für das Land ist es, wenn es bislang fast ausnahmslos Persönlichkeiten wie der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz sind, die öffentlich Stellung nehmen und Haltung zeigen. Aber auch er wird in die «rechte» Ecke gestellt. Weil diejenigen, die dies tun, denken, so leichtes Spiel zu haben.
Dabei müsste jeder, dem die Demokratie etwas wert ist, Alarm schlagen.

… gegen die Meinungsfreiheit

Das deutsche Grundgesetz, das in wenigen Tagen 70 Jahre in Kraft ist, legt in Artikel 5 sehr genau fest, was Meinungsfreiheit heisst und was die Grenzen sind.

Artikel 5 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äussern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Nirgendwo steht hier, dass die öffentlich ge­äusserten Meinungen «politisch korrekt» sein müssen. Jeder Bürger ist aufgerufen, Vorurteile zu korrigieren, selbstverständlich auch solche gegen in Deutschland lebende Ausländer. Das setzt Gleichwertigkeit im Umgang und Sachlichkeit in der Auseinandersetzung voraus.

Sich äussern, wenn die Demokratie in Gefahr ist

Aber genauso ist auch jeder Bürger aufgerufen, sich öffentlich zu äussern, wenn die Demokratie in Gefahr ist. Weil – interessen- und machtpolitisch motiviert – sozial ausgegrenzt werden soll.
Deutschland täte wie jedes andere Land besser daran, die tatsächlichen Aufgaben des Landes (Frieden schaffen ohne Waffen, Wirtschaft und Finanzen in Ordnung bringen, soziale Frage lösen, politische Kultur verbessern usw.) zu diskutieren und zu bewältigen.

Offenes Visier fordern

Wie wäre es, wenn diejenigen, die auf die Auflösung von Staaten, die Aushöhlung von Freiheitlichkeit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, eine noch mächtigere EU oder gar Global governance – summa summarum: eine wieder unipolare Weltordnung – setzen, mit offenem Visier kämpfen und damit aufhören, ihre Kritiker immer wieder in die «rechte» Ecke zu stellen und vom «Kampf gegen rechts» zu sprechen; wo sie doch etwas ganz anderes meinen. Feinde der Demokratie gibt es nicht nur im links- und rechtsextremen Spektrum (siehe Kasten), nicht nur auf seiten des gewalttätigen Islamismus. Feinde der Demokratie sind heute leider auch solche Kräfte, die schon sehr viel Macht und Einfluss haben und so tun, als könnten sie alleine darüber bestimmen, wie wir zusammenleben sollen.    •

Wie der «antitotalitäre Konsens» weiter schwindet

km. In den fünfziger Jahren hat das deutsche Bundesverfassungsgericht in seinen Urteilen zum Verbot der linksextremen Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und der rechtsextremen Sozialistischen Reichspartei (SRP) klare Kriterien dafür formuliert, was der Kernbestand des Grundgesetzes, die freiheitlich-demokratische Grundordnung, ist und wann eine politische Partei deshalb verfassungswidrig ist. Das Gericht hatte 1952 herausgearbeitet: «Freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Art. 21 II GG ist eine Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmässigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmässige Bildung und Ausübung einer Opposition.» (BVerfGE 2, 1 (Leitsatz 2, 12f.))
Diese strengen Kriterien kennt im heutigen politisch-polemischen Kampf kaum einer noch.
Hans-Georg Maassen hat im Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 8. Mai zudem darauf hingewiesen, dass sowohl linksextreme als neuerdings auch rechtsextreme politische Kräfte in Deutschland Unterstützung aus nicht extremistischen Kreisen erhalten: «Bei den Linken gab es nie eine klare Trennung zwischen Linksextremismus und dem linken oder linksliberalen Spektrum. Es gab immer eine Brücke zwischen links und Linksextremismus. Beim Rechtsextremismus bestand seit dem Zweiten Weltkrieg eine deutliche Abgrenzung zwischen Rechten und Rechtsextremen. Diese Trennung hat sich in den letzten Jahren zunehmend verflüchtigt. Wie beim Linksextremismus kann man nun eine Brücke zwischen dem bürgerlichen Spektrum und den Extremisten feststellen.» Der «antitotalitäre Konsens», der im Grundgesetz von 1949 seinen Ausdruck fand, schwindet dadurch. Die politischen Gefahren dieser Grenzverwischungen sind gross.

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