Cannabis: wirkungslos bei psychischen Störungen

von Jean-Paul Vuilleumier

Eine am 28. Oktober veröffentlichte australische Metastudie kommt zum Schluss, dass der Einsatz von Cannabis und seinen Derivaten keine Hilfe für Menschen mit bestimmten psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Psychosen ist.
Um den Einsatz von Cannabis und seinen Derivaten zu erforschen, untersuchten australische Forscher 83 Studien über den Konsum von Cannabis oder seiner Wirkstoffe Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) bei Patienten mit sechs psychiatrischen Störungen: Depressionen, Angststörungen, Aufmerksamkeitsstörungen oder Hyperaktivitätsstörungen (ADHS), Tourette-Syndrom, posttraumatischen Belastungsstörungen und Psychosen.
«Dies ist eigentlich keine grosse Überraschung», sagt Dr. med. Xavier Laqueille, Leiter der Abteilung für Suchterkrankungen des Spitals Sainte-Anne in Paris. «Cannabis ist ein bekannter Risikofaktor für schizophrene Erkrankungen und verschlimmert viele psychiatrische Erkrankungen.»

Wirkt Cannabis gegen Angstzustände?

Einige Studien zeigen «eine kleine Verbesserung der Angstsymptome» mit THC bei Patienten mit anderen Gesundheitsproblemen wie chronischen Schmerzen oder Multipler Sklerose, aber ohne dass sich feststellen lässt, ob die Wirkung nicht mit einer Verbesserung der Krankheit selbst zusammenhängt, so der Artikel, der in der britischen Medizinzeitschrift The Lancet Psychiatry veröffentlicht wurde.
«Cannabis enthält zwei Hauptwirkstoffe, THC und CBD», erklärt Xavier Laqueille. «THC ist gefährlich, sogar giftig und fördert Psychosen. CBD könnte positive Auswirkungen auf Angstzustände haben, aber viel weniger als die bereits verfügbaren Medikamente.»
Der Suchtfachmann präzisiert jedoch: «Cannabis ist nicht wirksam gegen psychische Störungen, aber man kann eine gewisse Wirkung gegen körperliche Schmerzen feststellen. Dies muss jedoch noch durch weitere Studien bestätigt werden.»

Verwendung und Erprobung von «therapeutischem» Cannabis

Etwa dreissig Länder auf der Welt erlauben unter verschiedenen Bedingungen die Anwendung von «therapeutischem» Cannabis (etwa zwanzig europäische Länder, die USA, Australien, Kanada, Israel sowie mehrere lateinamerikanische Länder). Psychische Störungen sind laut der Studie einer der häufigsten Gründe für diesen Einsatz, gefolgt von chronischen Schmerzen ohne Einbezug von Krebserkrankungen.
«Einer der auffälligsten Aspekte» bei dieser Legalisierungswelle von Cannabinoiden für medizinische Zwecke ist, «dass dies in vielen Fällen ohne Rücksprache mit den Zulassungsbehörden geschieht, die normalerweise für die Kontrolle der Arzneimittelentwicklung zuständig sind», unterstreicht Louisa Degenhardt, die leitende Autorin der Studie, die von der AFP interviewt wurde.
Gleichzeitig sind die mit dem Cannabiskonsum verbundenen Risiken gut erwiesen, fügt sie hinzu und verweist auf das Abhängigkeitsrisiko, auf die Risiken des Lenkens eines Fahrzeuges unter dem Einfluss dieser Substanzen und auf «Daten, die zeigen, dass Menschen, die regelmässig Cannabis konsumieren, eher Depressionen oder psychotische Symptome entwickeln».
Die Autoren weisen auf die Notwendigkeit von weiteren qualitativ hochwertigen Studien zu diesem Thema hin – insbesondere mit einer grösseren Patientenzahl, einer längeren Laufzeit und mit Einbezug einer Placebo-Vergleichsgruppe. Bevor dies erfolgt ist, «können keine medizinischen Empfehlungen für den Einsatz von Cannabis oder seinen Wirkstoffen bei psychischen Störungen entwickelt werden», sagt Professor Degenhardt.
In den Ländern, in denen diese Verwendung bereits legalisiert wurde, müssen «Ärzte und Patienten über das begrenzte Ausmass an wissenschaftlich fundierten Belegen und über die Risiken der Cannabinoide informiert werden», ergänzt die Professorin am National Drug and Alcohol Research Centre der Universität von New South Wales, Sydney.
Frankreich hat vor kurzem einem zwei Jahre dauernden Versuch mit der Verschreibung von «therapeutischem» Cannabis grünes Licht gegeben. Dabei wird aber nur die Behandlung von Schmerzen bei bestimmten Indikationen ermöglicht und nur, wenn die bereits existierenden Medikamente keine Wirkung zeigen.    •
    

Quellen:
–    Keystone ATS/Agence Télégraphique Suisse vom 29. Oktober
–    Centre national de prévention, d’études et de recherches en toxicomanies (CNPERT), France, drogaddiction.com vom 1. November 

Titel und Link der Originalpublikation

«Cannabinoids for the treatment of mental disorders and symptoms of mental disorders: a systematic review and meta-analysis»
www.thelancet.com/journals/lanpsy/article/PIIS2215-0366(19)30401-8/fulltext

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