Die Schärfe des politischen Kampfes ruiniert die Demokratie

von Karl Müller

Deutschland 30 Jahre nach dem Mauerfall

Glaubt man dem Spitzenkandidaten der CDU bei den Landtagswahlen in Thüringen und zahlreichen Spitzenpolitikern von Bündnis 90/Die Grünen, so wird Deutschland, zumindest Ostdeutschland, von einem «Nazi» (so Mike Mohring von der CDU wenige Tage vor den Landtagswahlen in Thüringen über den dortigen Spitzenkandidaten der AfD, Björn Höcke) beziehungsweise einem «Faschisten» (so unisono die Bezeichnung von namhaften Grünen am Wahlabend für dieselbe Person) bedroht.
Überzeugende Belege für derartige Urteile sind nicht bekannt, und diejenigen, die solche Bezeichnungen wählen, blenden offensichtlich aus, was der Nationalsozialismus für Deutschland und die Welt tatsächlich bedeutet hat oder was Faschismus tatsächlich war und ist. Aber darauf kommt es den Parteipolitikern sehr wahrscheinlich auch gar nicht an. Sie wissen Gerichte1 und die Mainstream-Medien auf ihrer Seite. Und sie hoffen auf Wirkung.
Aber trotz der zahllosen öffentlichen Stimmen haben am 27. Oktober 23,7 Prozent der Wähler in Thüringen den Warnungen vor der AfD und ihrem Spitzenkandidaten nicht glauben wollen. Auch bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg am 1. September hatten 27,5 beziehungsweise 23,5 Prozent der Wähler die Partei gewählt, die nun schon sehr lange mit Breitseiten in Richtung «rechtsextrem», «faschistisch» und «nationalsozialistisch» bedacht wird. Manch ein Kommentator malte nach den Wahlen in Thüringen schon ein Szenario wie in der Endphase der Weimarer Republik an die Wand, als KPD und NSDAP zusammen die Mehrheit der Sitze im Reichstag hatten – wie jetzt die Linke und die AfD im neuen Landtag in Thüringen. Wobei zugleich an die CDU appelliert wird, doch ihre Vorbehalte gegen die Linke in Thüringen – die etwas Besonderes sein soll – aufzugeben und mit der Partei eine Koalition zu bilden. So logisch sind öffentliche Debatten in Deutschland geworden.

Verfall der politischen Kultur

Im Osten Deutschlands werden die Stimmenanteile der AfD sehr wahrscheinlich nicht dadurch zurückgehen, dass man die Partei verteufelt. Die Kampagne gegen die AfD wird die politische Stimmung in Deutschland insgesamt aber weiter vergiften – und die Spaltung im Land vertiefen. Ganz zu schweigen von der Glaubwürdigkeit, die viele Politiker immer mehr verlieren. Dass heute schon eine Mehrheit der Deutschen findet, man könne bei einigen politischen Themen nicht mehr offen sagen, was man denkt, ist ein alarmierendes Signal und auch ein Resultat der Kampagne gegen die AfD.
Ein CDU-Landrat aus Thüringen hat dem Deutschlandfunk am 31. Oktober ein Interview gegeben. Der Landrat ist Ostdeutscher und plädierte nicht nur für eine Zusammenarbeit der CDU mit der Linken. Er äusserte sich auch zu den Wählern der AfD: «Hier hatte die CDU zuweilen 70 Prozent nach der Wende, und viele, die heute AfD wählen, sie kommen aus der konservativen CDU. Aber es ist völliger Unsinn zu meinen, das seien alles Radikale. Das sind Leute, die im Grunde mehr Klarheit und mehr Wahrheit im Tagesgeschäft erwarten. Ich denke, die reden vielfach nicht anders, als ich das jetzt tue.» Solche Stimmen sind eine Ausnahme.

Worum geht es wirklich?

Die Kampagnenträger spielen nicht mit offenen Karten. Man attackiert die AfD – vielleicht wurde sie sogar extra deshalb geschaffen –, will aber jede auf Freiheit und Gleichberechtigung der Menschen und Völker, also auf Frieden zielende Alternative zur herrschenden Politik verunmöglichen. Und was ist die herrschende Politik? Sie ist de facto freiheits-, rechts- und souveränitätsfeindlich, leugnet so etwas wie die Bedeutung einer gewachsenen kulturellen Identität und folgt globalistischen Ideologien und Interessen.
Viele Menschen, insbesondere in Ostdeutschland, denken, dass der öffentliche Umgang mit der AfD nichts mit der Partei zu tun hat, deren Mitglieder sie vor Ort kennen. 30 Jahre nach dem Fall der Mauer identifizieren sie sich mit den Ostdeutschen vor 30 Jahren. Sie wehren sich auch mit dem Stimmzettel gegen eine Politik, die ihrer Meinung nach nichts mit Demokratie, sehr viel schon aber mit Totalitarismus zu tun hat. Ob sie heute erkennen, dass sie ein Spielball grösserer Transformationsprozesse sein sollen? Vor 30 Jahren haben sie dies nicht erkennen können. Kaum einer wuss­te damals, was in Think tanks in den USA globalstrategisch geplant wurde und sich dann von US-amerikanischer Seite her schon kurz nach 1990 «Ende der Geschichte», «Neue Weltordnung» und «einzige Weltmacht» nannte. Heute müsste man darüber diskutieren, wieviel das Ende der DDR mit dem mutigen Protest seiner Bürger zu tun hatte. – Aber auch, dass die Welt insgesamt ein nochmaliges «Ende der Geschichte» nicht mitmachen wird.    •

1    Zahlreiche deutsche Gerichte sehen in solchen Bezeichnungen keine Tatsachenbehauptungen, sondern zulässige und nicht einklagbare Werturteile
im Rahmen einer sehr weit verstandenen Meinungs­äusserungsfreiheit.

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