Gute Dienste und humanitäre Hilfe des IKRK

Die Friedensaufgaben der neutralen Schweiz in einer Welt von Krieg und Gewalt

Mosambik

von Dr. iur. Marianne Wüthrich

In einer globalisierten Welt seien die Guten Dienste der Schweiz nicht mehr so gefragt, weil «grössere Akteure» wie die Uno oder die EU mehr Einfluss nehmen könnten, so hört man zuweilen. Klingt hier der Drang von Kräften im In- und Ausland durch, dass die Schweiz sich von ihrem Status als neutraler und eigenständiger Kleinstaat verabschieden und statt dessen international mehr einbinden sollte? Zwei Berichte aus neuester Zeit belegen das Gegenteil: Um in Kriegs- und Konfliktgebieten Frieden vermitteln und humanitäre Hilfe leisten zu können, braucht es die neutrale Schweiz heute ebenso wie in früherer Zeit.

Friedensabkommen in Mosambik dank Schweizer Botschafter Mirko Manzoni

Mitte Oktober haben die Bürger in Mosambik ihr Parlament und den Präsidenten gewählt. Die sozialistische Befreiungsfront Frelimo, die seit der Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Portugal 1975 an der Macht ist, erzielte ein weiteres Mal deutliche Mehrheiten für die Präsidentschaft, im nationalen Parlament und auch in allen zehn Regionalwahlen.
Die Führung der grössten Oppositions- und früheren Bürgerkriegspartei, des Nationalen Widerstands Mosambiks (Renamo), fordert dagegen eine Wiederholung der Wahlen wegen «Gewalt und Einschüchterung durch die Regierungspartei».1 Gemäss swiss­info.ch kamen auch die Beobachtermission der EU sowie die US-Botschaft und die US-Organisation Human Rights Watch zum Schluss, die Wahlen seien geprägt gewesen von Gewalt und Regelwidrigkeiten.

Ruhiger Verlauf der Wahlen

Anderer Meinung ist Mirko Manzoni, Schweizer Botschafter in Mosambik: «‹Im Vergleich zu den beiden früheren Wahlen, die ich erlebt hatte, verlief der jetzige Wahlgang ruhig.› Es habe einzelne Fälle von Gewalt und Regelwidrigkeiten gegeben, aber diese dürfe man nicht verallgemeinern, so der Tessiner. Die Resultate seien davon jedenfalls nicht entscheidend beeinflusst worden.» (swissinfo.ch am 30. Oktober)
Mirko Manzoni wird die Lage vermutlich am besten einschätzen können, denn er ist der erfolgreiche Diplomat, dem es als Leiter der Friedensverhandlungen zwischen den verfeindeten Parteien Frelimo und Renamo innert drei Jahren gelungen ist, dass Präsident Filipe Nyusi und Oppositionsführer Ossufo Momade am 6. August ein Friedensabkommen unterzeichneten.

Geduld und Geschick des Verhandlungsführers

Botschafter Manzoni berichtet über den Verhandlungsverlauf: «Wir haben uns zuerst mit dem technischen Teil beschäftigt. Dann wurde eine politische Mediation auf sehr diskrete Art und Weise von einem kleinen, dreiköpfigen Team durchgeführt, das mit mir zusammenarbeitete. Drei Jahre lang haben wir verhandelt. Rund 30mal reisten wir in den Dschungel, wo sich die Kämpfer aufhielten.
Im Mai 2018 ist es uns gelungen, eine erste politische Einigung zu erzielen: die Revision der Verfassung, die eine bessere Umverteilung der Macht im Land vorsieht. Einige Monate später gelang es uns, das Militärabkommen abzuschliessen, das die Integration einer Reihe von oppositionellen Soldaten in strategische Positionen in der mosambikanischen Armee vorsieht.» Diese Reihenfolge der ausgehandelten Verträge wählte Manzoni in weiser Voraussicht. Er erklärt: «Neu ist, dass die wichtigsten Vorverträge – die neue Verfassung und das Militärabkommen – vor dem Friedensabkommen unterzeichnet wurden. Aus diesem Grund war es schwierig, zurückzurudern: Es gab keinen Grund mehr, militärisch zu kämpfen.»2
Obwohl im Mai 2018 – als noch kein Vertrag unterzeichnet war – Afonso Dhlakama verstarb, der seit 35 Jahren Vorsitzender der Partei Renamo gewesen war, gelang es Manzoni, das Abkommenspaket zu retten. Im August 2019 wurde es unterzeichnet, zwei Monate später fanden nun die Wahlen statt.

UN-Botschafter Mirko Manzoni könnte es eher schaffen als die Grossmächte

Am 1. November ist Mirko Manzoni von der Schweizer Botschaft in Maputo ins Büro der Vereinten Nationen am selben Ort gewechselt. Als Honorierung seines Verhandlungserfolgs wurde er von UN-Generalsekretär António Guterrez zu dessen persönlichem Gesandten in Mosambik ernannt und soll nun die Umsetzung des Vertrages sicherstellen. Ob dies gelingt, ist offen, aber Manzoni ist zuversichtlich: In bezug auf das Friedensabkommen seien sich immer noch alle einig, auch die bewaffneten Renamo-Kämpfer hätten diesbezügliche Zeichen gegeben.
Interessant ist die Tatsache, dass Human Rights Watch sowie eine EU-Konfliktforscherin aus den Niederlanden gemäss swissinfo.ch das erreichte Friedensabkommen abtun: Zwei frühere Abkommen in diesem jahrzehntealten und hartnäckigen Konflikt seien bereits gescheitert. Allerdings kann weder der langwierige Krieg noch das Scheitern eines Friedensschlusses allein den einheimischen Konfliktparteien zugeschoben werden. Denn nachdem das Land 1975 von der Kolonialmacht Portugal unabhängig geworden war und Frelimo sich mit der DDR und anderen sozialistischen Staaten verbündet hatte, griff der benachbarte Apartheidstaat Südafrika über die Oppositionspartei Renamo ein und führte bis zur Auflösung der Sowjet­union 1990 einen Krieg, der zu schrecklichen menschlichen Opfern mit mehr als einer Million Toten und dem Zusammenbruch der Wirtschaft führte (swiss­info.ch vom 30. Oktober). 2013 flammte der Krieg zwischen Frelimo und Renamo wieder auf. Dieser Zeitpunkt ist offenbar kein Zufall: Laut der Zeit vom Januar 2013 wurden nämlich damals in Mosambik – neben den bekannten bisherigen Bodenschätzen – riesige Gold- und Erdgasvorkommen neu entdeckt, für die sich ausländische Investoren ausserordentlich interessierten.3
In der letzten gescheiterten Vermittlung war übrigens die EU federführend. Nachdem sie diese 2016 erfolglos eingestellt hatte, übernahm die Schweiz die Angelegenheit. Dem Tessiner Mirko Manzoni ist weiterhin guter Erfolg zu wünschen.    •

1    Spörndli, Markus. Nairobi. «Das Einzige, worin sich alle noch einig sind, ist das Friedensabkommen»; swissinfo.ch vom 30. Oktober
2    Franchini, Federico. Mediation. «Mirko Manzoni, der Schweizer Friedensstifter in Mosambik»; swiss­info.ch vom 11. September
3    Hedemann, Philipp. «Mosambik. Rohstoff-Bonanza im Rouma-Becken». In: Die Zeit vom 31.1.2013

Die Guten Dienste der Schweiz

mw. «Die Schweiz trägt durch ihre Guten Dienste dazu bei, Lösungen zur Verhinderung oder zur Beilegung von tragischen Konflikten zu finden. Die Guten Dienste der Schweiz sind eine langjährige Tradition und helfen, die aussenpolitischen Ziele zu erreichen. Die Schweiz leistet damit einen Beitrag zur Einhaltung der Menschenrechte, zum Frieden und zur Demokratie im Ausland und trägt damit auch zur Sicherheit und zum Wohlstand der Schweizer Bevölkerung bei.» (Der Bundesrat verabschiedet einen Bericht über die Guten Dienste der Schweiz, Medienmitteilung vom 14.12.2018)
Laut der Medienmitteilung des Bundesrates umfassen die Guten Dienste drei Bereiche:

  • «Schutzmachtmandate: Als Schutzmacht wahrt die Schweiz fremde Interessen. Sie übernimmt einen Teil der konsularischen und/oder diplomatischen Aufgaben [die wichtigste konsularische Aufgabe ist die Hilfestellung an die Staatsangehörigen des vertretenen Staates], wenn zwei Staaten ihre Beziehungen ganz oder teilweise abbrechen. Während des Zweiten Weltkriegs hat die Schweiz über 200 Mandate wahrgenommen. Heute hat sie sechs Mandate inne: für die USA in Iran, für Russland in Georgien und für Georgien in Russland, für Iran in Saudi-Arabien und für Saudi-Arabien in Iran sowie für Iran in Ägypten.»
  • «Gaststaat für Friedensverhandlungen: Die Schweiz, in ihrer Rolle als Gastgeberin, garantiert Sicherheit, Ruhe und Diskretion für sensible Verhandlungen. Sie verfügt über die notwendige Infrastruktur, um solche Anlässe zu organisieren und zu beherbergen. Das positive Umfeld hilft den Parteien in Friedensverhandlungen, Lösungen näherzukommen.» Beispiele: Syrien-Friedensgespräche unter der Schirmherrschaft des Uno-Sondergesandten für Syrien, Verhandlungen über das iranische Atomprogramm (2008 bis 2015).
  • «Mediation und Fazilitation [Vermittlung]: Die Schweiz ist Mediatorin […] und sie unterstützt Mediationen und Verhandlungen weltweit.» Beispiele: Der oben beschriebene Friedensprozess in Mosambik, die Verhandlungen der kolumbianischen Regierung und der FARC (2012–2016), das Zollabkommen zwischen Russland und Georgien (2011) als Voraussetzung für den Beitritt Russlands zur WTO.

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