Die Genossenschaftsidee als Kulturerbe der Menschheit

Auf den Spuren von Elinor Ostrom in der Schweiz und in Sri Lanka

von Dr. rer. publ. Werner Wüthrich

Wie jedes Jahr lud der Verein Jugendberatung in Zürich zu Beginn des neuen Schuljahres die Schüler, Eltern, Lehrer und Mitglieder zu einer Veranstaltung ein. Der Verein bietet vor allem Lernhilfe für tamilische Schülerinnen und Schüler an. Diesmal stand der Gedanke der gegenseitigen Hilfe – in allen Lebensbereichen – im Zentrum. Ich wurde eingeladen, ein hochaktuelles Thema vorzustellen – die Genossenschaftsidee. Zwei junge Frauen übersetzten den Vortrag auf Tamilisch – auf eine engagierte und lebendige Art – mit Hilfe und Beteiligung des Publikums. Tarmina besucht das neusprachliche Gymnasium und Vanusha macht eine Lehre als Informatikerin. Eindrückliche Bilder aus dem Wallis und von Sri Lanka veranschaulichten die Ausführungen. Das Interesse war gross. Der Saal im Quartiertreff Fluntern war an diesem sonnigen Samstag­nachmittag bis auf den letzten Platz gefüllt – zum Vortrag, der hier im Wortlaut wiedergegeben wird.

2009 hat Elinor Ostrom für ihr Buch «Die Verfassung der Allmende» den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten. Die Professorin für Wirtschaft und Politik hatte herausgefunden, dass die Menschen überall auf der Welt schon seit langem das Problem lösen müssen, wie sie mit knappen Gütern umgehen sollen, die alle brauchen – wie zum Beispiel mit dem Wasser, den Fischbeständen im Meer oder mit dem Weideland für das Vieh.
Sollen solche Güter unter Privaten aufgeteilt werden, oder soll der Staat die Verteilung von oben regeln? Frau Ostrom hat herausgefunden, dass der Nutzen für alle und auch der wirtschaftliche Erfolg am grössten sind, wenn es den Bürgern gelingt, solche Fragen vor Ort auf genossenschaftliche Art zu lösen. Sie hat viele Länder besucht – so Spanien, die Philippinen, Japan, Kalifornien, die Schweiz und auch Sri Lanka – und sie hat mit der Bevölkerung gesprochen und sich erkundigt, wie sie solche Fragen gelöst haben und heute lösen. Und sie hat auch untersucht, warum in manchen Fällen der Erfolg ausgeblieben ist.
2012 hat die Uno das «Jahr der Genossenschaften» ausgerufen und damit die Genossenschaften mit ihren weltweit 800 Millionen Mitgliedern in über 100 Ländern gewürdigt. Die Genossenschaften kennenzulernen, ist auch das Ziel dieses Beitrages. So gibt es auch in Schweizer Städten Möglichkeiten, Probleme genossenschaftlich zu lösen – wie zum Beispiel in den zahlreichen Wohnbaugenossenschaften. Jede vierte Mietwohnung in der Stadt Zürich ist eine Genossenschaftswohnung.

Frau Ostrom besucht die Schweiz und Sri Lanka

In der Schweiz hat Frau Ostrom den Bergkanton Wallis besucht. Das grosse Tal ist auf beiden Seiten eingebettet in Berge von bis zu 4600 Meter Höhe. Unten auf dem Talgrund fliesst die Rhone, die von einem mächtigen Gletscher, dem Rhone-Gletscher, gespeist wird. Die Rhone führt immer genügend Wasser, so dass die Wasserversorgung auf dem Grund des Tales – etwa 500 Meter über Meer – kein Problem ist. Die Menschen haben sich jedoch auch an den steilen Berghängen auf beiden Seiten des Tales und in den Seitentälern angesiedelt – auf einer Höhe bis 1800 Meter. Sie haben hier zahlreiche Dörfer gebaut, in denen das Leben – auf den ersten Blick – nicht einfach ist. Alles ist steil und unwegsam, und oft fehlt das Wasser. Aber diese Bergdörfer hatten einen grossen Vorteil: Das Leben dort bedeutete Freiheit. Ihre Lage bot Schutz vor räuberischen Übergriffen und hielt fremde Kriegsherren ab, ihr Land zu besetzen. Das war den Wallisern ganz wichtig.
Das Wallis ist eine Sonnenstube. Vieles wächst und gedeiht dort, Wein, Aprikosen und Gemüse. Auf zahlreichen Alpen werden Milch und Käse erwirtschaftet. Eines ist jedoch in den Bergdörfern knapp: das Wasser. Fehlt es, entstehen grosse Probleme speziell für die Landwirtschaft.
Frau Ostrom hat auch Sri Lanka besucht. Das wunderschöne Land ist von der Natur mit einer reichhaltigen Vegetation und Tierwelt verwöhnt. Berühmt ist Sri Lanka für seinen Tee, der zu einem grossen Teil in die ganze Welt exportiert wird. Lebenswichtig ist jedoch der Reisanbau. Der Reis ist ein Grundnahrungsmittel für die Bevölkerung. Das Wasser ist auch hier ein Problem. Die ausreichende Versorgung ihrer Felder ist für die Reisbauern in Sri Lanka ähnlich wichtig wie für die Bauern im Wallis. Fehlt das Wasser, verschlammen ihre Felder, es wächst Unkraut und möglicherweise verdirbt die ganze Ernte.
Frau Ostrom hat sich im Wallis und in Sri Lanka informiert, wie die Bauern die ausreichende Versorgung mit Wasser in den Griff oder nicht in den Griff bekommen haben. Wir begleiten sie auf ihrer Reise.

Zuerst ins Wallis

Frau Ostrom hat das Bergdorf Törbel besucht, das auf 1500 Meter Höhe liegt – rund 1000 Meter über dem Talgrund der Rhone. Sie hat sich bei den Bewohnern erkundigt, wie sie die Frage der Wassers gelöst haben. Es gibt zwar Wasser in Törbel, aber es ist weit oben auf 3000 bis 4000 Metern Höhe im Eis der Gletscher eingefroren. Diese Gletscher speisen einige Bäche, die ins Tal fliessen. Die Bewohner stehen nun vor der schwierigen Aufgabe, dieses Wasser zu fassen, es umzuleiten und gerecht auf die verschiedenen Siedlungen und auf die weitläufigen Weiden zu verteilen.
Die Bewohner in Törbel und auch in anderen Bergdörfern haben diese anspruchsvolle Aufgabe gelöst, indem sie zahlreiche Suonen gebaut haben. So heissen die Wasserleitungen, die sie aus Holz konstruiert oder ins Erdreich eingegraben haben. Diese Suonen führen den steilen Hängen entlang oder wurden manchmal auch an senkrechten Felswänden aufgehängt. Wichtig ist jedoch, dass diese Leitungen permanent überwacht werden, weil sie nicht selten verstopfen oder nach einem Gewitter oder wegen Steinschlag kaputt gehen. Als Kontrolle haben die Bewohner in die Leitungen oft eine Vorrichtung eingebaut, die klappert. Fliesst das Wasser, ertönt ein regelmässiges Klopfgeräusch. Die Bewohner wissen, dass alles in Ordnung ist. Verstummt es, bedeutet das, dass das Wasser nicht mehr fliesst. Die Ursache für die Störung muss sofort gesucht und behoben werden.
Frau Ostrom hat erfahren, dass es im Wallis keine staatliche Behörde gibt, die die Wasserversorgung von oben regelt. Sondern die Bewohner in den Dörfern machen es selbst – auf eine freiheitliche Art. Sie treffen sich in Dorfversammlungen, diskutieren die anstehenden Fragen und machen Vorschläge, wie diese zu lösen sind. Die Aufgaben werden verteilt und möglichst von den Bewohnern selber ausgeführt. Im Frühjahr zum Beispiel trifft sich die ganze arbeitsfähige Bevölkerung zum sogenannten «Gemeinwerk». Die vielen Leitungen und auch die Wege, die im Winter Schaden genommen haben, müssen repariert und gereinigt werden. Die Organisation und das Regelwerk sind in der Dorfverfassung niedergeschrieben, die nur die Bürger selber verändern können. – So entsteht eine Genossenschaft. Es wird viel diskutiert, jeder hat eine Stimme und jeder kann mitentscheiden. Alle helfen mit und fühlen sich mitverantwortlich – schon seit langem.
Auch die Alpwirtschaft haben die Bewohner von Törbel genossenschaftlich organisiert. Die Bauern treiben ihr Vieh im Sommer auf die Alpen, die sie gemeinsam bewirtschaften. Die anstehenden Fragen werden auch hier auf eine ganz ähnliche Art wie beim Wasser gelöst. Es gibt zum Beispiel die Regel, die verhindern soll, dass die Alpweiden übernutzt werden: «Ein Bauer darf nur so viele Kühe auf die Alp treiben, wie er in den Wintermonaten mit eigenem Heu durchfüttern kann.» Die erste schriftliche Dorfverfassung in Törbel ist mehr als 600 Jahre alt.
Ostrom war beindruckt von den genossenschaftlichen Strukturen, die sie in Törbel und in anderen Gemeinden vorgefunden hat. Sie hat einen Bericht verfasst, der lediglich fünf Seiten umfasst (Ostrom, Elinor. Verfassung der Allmende. S. 79–85, Tübingen 1999). Sie konnte sich kurz fassen und eigentlich nur berichten, dass das genossenschaftliche System an vielen Orten nicht nur im Bereich der Wasserversorgung gut funktioniert – schon seit Jahrhunderten. Wir finden genossenschaftliche Strukturen und Abläufe auch in der Schweizer Politik. Nicht nur in den Gemeinden, sondern auch in den Kantonen und im Bund können die Bürgerinnen und Bürger heute über Gesetze und Sachfragen direkt abstimmen und Initiativen einreichen.

Zu den Reisbauern in Sri Lanka

Frau Ostrom hat das Gebiet von Gal Oya besucht und sich erkundigt, wie hier die Wasserversorgung funktioniert (Ostrom, a.a.O., S. 204–225). Diese hat eine Geschichte. Das Land wurde 1825 von den Engländern erobert. Zuvor waren bereits die Portugiesen und Spanier hier, weil die Insel im Indischen Ozean militärisch und wirtschaftlich eine strategische Bedeutung hat. Die Engländer haben die Bedeutung des Landes sofort erkannt, und sie haben schnell begonnen, eine Verwaltung und eine Infrastruktur aufzubauen. So haben sie eine Eisenbahn gebaut und Plantagen für den Teeanbau errichtet. Damit liess sich gut Geld verdienen. Ihre Ingenieure haben auch für die Reisbauern Kanäle und Dämme gebaut. Wenn alles klappt – so ihr Plan –, sind im Jahr zwei bis drei Ernten möglich, so dass die Bauern die Steuern bezahlen können.
Vieles klappte jedoch nicht. Die britischen Ingenieure bauten zwar Kanäle und Dämme. Um die Nutzung im Alltag und die unerläss­liche Wartung und Pflege der Leitungen kümmerten sie sich aber nicht. Das war nicht mehr ihre Sache. Dafür war eine andere Behörde zuständig. Kein Wunder, dass es schon früh zu Schwierigkeiten kam. Die Kolonialisierung ging oft über die ansässigen Menschen und ihre Lebensweise hinweg. Die neuen Herren organisierten zwar vieles, aber bezogen die Bevölkerung nicht mit ein.

Gal Oya

Als Sri Lanka nach 1948 unabhängig wurde, wurde das System aus der Kolonialzeit in manchen Bereichen mehr oder weniger unverändert weitergeführt. Verschiedene Länder leisteten dem jungen Staat Entwicklungs- und Aufbauhilfe. Dazu gehörte ein umfangreiches Bewässerungsprojekt im Gebiet von Gal Oya, von dem etwa 19 000 Reisbauern profitieren sollten. Projektleiter aus der amerikanischen Universität Cornell begleiteten es und verfassten Berichte. Zuständig für die Wasserversorgung war das Landwirtschaftsministerium in Colombo und zum Teil auch das Finanzministerium, das an den Steuern interessiert war. Beamte der Regierung entwickelten Programme und Pläne und setzten Komitees ein, die diese umsetzen sollten. Dazu stellten sie bezahlte Bewässerungsbeamte ein, die die Bauern anleiten und überwachen sollten. Es war ein System, das dem der Briten ähnlich war. Deshalb funktionierte es auch nicht gut.
Die Bauern versuchten ihre Felder so viel wie möglich mit Wasser zu fluten. So konnten sie verhindern, dass Unkraut sich ausbreitete und in mühseliger Kleinarbeit wieder entfernt werden musste. Versiegte der Zufluss ganz, verdarb die ganze Ernte. Einzelne reiche Bauern wurden aber bevorzugt, weil sie gute Beziehungen zu den Komitees oder gar zur Regierung hatten. Das vergiftete die Stimmung und verunmöglichte eine effiziente Kooperation unter den Bauern. Wasserleitungen verstopften oft, und Kanäle muss­ten ausgebessert werden. Niemand fühlte sich zuständig. In den Berichten steht, dass Tore oft ganz fehlten, die das Wasser den verschiedenen Bauern zuteilen sollten. Auch die Kontroll- und Messanlagen waren fehlerhaft, so dass einzelne Bauern Wasser erhielten und andere nicht. Es gab Wasserdiebe, die von intakten Kanälen illegal Wasser anzapften. Angezeigt wurden sie meist nicht, weil sie jemanden bei den Behörden oder in der Regierung gut kannten. Es kam sogar vor, dass einzelne Felder mit selbst gebauten, illegalen Kanälen bewässert wurden, und niemand etwas dagegen unternahm.
Dazu kamen Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen auf. Die Reispflanzer in den unteren Anbauflächen waren oft tamilisch sprechende Siedler, die in den oberen Feldern dagegen umgesiedelte Singhalesen. Wenn der Durchfluss des Wassers von oben nach unten gestört war, wurden die tiefer liegenden Felder schlecht versorgt. Es kam zu Streit und auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Schuld war jeweils der andere. – Es war offensichtlich nicht gelungen, ein Bewässerungssystem aufzubauen, das wirklich funktioniert.

Was tun?

Was waren die Ursachen, und was kann man tun? Dies fragten sich die Leiter des Bewässerungsprojekts in Gal Oya. Sie erkannten bald, dass Geld allein nicht genügte, um die Probleme zu beheben. Es macht keinen Sinn, einfach neue Wasserpumpen zu installieren oder neue Kanäle zu bauen. Es müss­te gelingen, eine neue Kultur aufzubauen, in der die Bauern selber dafür sorgen, dass es funktioniert – so wie im Wallis. Die Bauern sollten freiwillig miteinander kooperieren, weil es ihre Sache ist. Und sie müssen auch bereit sein, sich unentgeltlich dafür einzusetzen. Aber: Wie macht man das, wenn die Stimmung unter den Bauern vergiftet ist und Streit herrscht? Sollen die Behörden ein neues Gesetz schaffen und Beamte einsetzen, die es von oben durchsetzen? Die Projektleiter wuss­ten, dass das nicht der Weg war. Das hatten schon die Engländer versucht. Sondern: Wir müssen eine neue Kultur schaffen, in der die Bauern die Verantwortung selber übernehmen. Und wir können diese Aufgabe nicht den Behörden überlassen, die die Bauern bisher bevormundet haben. Es braucht einen neuen Ansatz.
Die Projektverantwortlichen hatten eine Idee: Wir suchen Leute aus der Region, die mit den Bauern Kontakt aufnehmen. Dazu werden wir sie ausbilden und auf ihre Aufgabe vorbereiten. Sie werden die Bauern besuchen und sie fragen, was schlecht funktioniert und wie man es besser machen könnte. Sie werden mit ihnen die Probleme direkt angehen. Nur – wo finden wir solche Leute, die bereit und dazu in der Lage sind? Sri Lanka hat ein relativ gutes Bildungssystem. Die Projektleiter gingen in die höheren Schulen, Gymnasien und Colleges und gewannen die Schulleitungen für ihr Projekt. Sie begeisterten junge Leute, die sie in einem sechswöchigen Kurs ausbildeten und auf ihre Aufgabe vorbereiteten.
Der Plan war anspruchsvoll: Die jungen Leute besuchen die Bauern und suchen das Gespräch mit ihnen. In einem zweiten Schritt bilden sie Gesprächskreise mit zehn bis fünfzehn Bauern und suchen gemeinsam nach Lösungen. Sobald der Kontakt und das Vertrauen untereinander hergestellt sind, werden die ersten Schritte eingeleitet, um die Probleme mit der Wasserversorgung auf diese neue Art zu lösen. Die Bauern übernehmen selbst die Verantwortung und setzen sich freiwillig dafür ein, weil es ihre Sache ist. – In einem späteren Schritt finden zusammen mit den Behörden grössere Versammlungen statt, die die Regeln beschliessen, an die sich alle in der Region halten müssen.

Erste Resultate

Das Projekt war ein Anfang. Rückschläge gab es immer wieder. So kam es nicht selten vor, dass einzelne der jungen Leute absprangen und eigene Wege gingen, als sie einen guten Job in Aussicht hatten. Die Projektleiter liessen sich nicht entmutigen. Sie waren überzeugt, dass es so und nicht anders geht, und sie gaben nicht auf. Würde es gelingen?
Auch darüber berichtet Frau Ostrom: «Während meiner Inspektion beobachtete ich fünfzehn tamilische und zwölf singalesische Bauern, die gerade mit der Säuberung des Kanals fertig wurden. Die Intensität der Konflikte nahm ab. Bauern gaben an, dass nicht ein einziger Streit über die Wasserzuteilung entstanden sei. […] Alles in allem stellt das Gal Oya Projekt eine eindrucksvolle Kehrtwendung in einem System dar, in dem kaum Hoffnung bestand, die Bauern zur Kooperation bei der Wassernutzung und Instandhaltung der Feldkanäle zu bewegen. […] Die Beamten des Bewässerungsministeriums änderten allmählich ihre Grundeinstellung gegenüber den Bauern. […] Die frühere Elite – reiche Bauern mit guten politischen Kontakten – gaben ihren Widerstand auf.»

Genossenschaftsidee – ein Kulturerbe der Menschheit

Kooperation in Freiheit und Gleichheit ist die Grundidee der Genossenschaft. Menschen schliessen sich zusammen, die ähnliche Interessen haben und miteinander in Kontakt stehen. Sie verfolgen ein gemeinsames Ziel – in unserem Fall, die Wasserversorgung für alle sicherzustellen. Sie besprechen sich, suchen nach Lösungen und überlegen, wie sie vorgehen wollen. Regeln werden auf demokratische Art und Weise beschlossen. Alle haben eine Stimme. Der organisatorische Rahmen wird besprochen und schriftlich festgehalten. Die verschiedenen Aufgaben werden verteilt. So braucht es einen Vorstand, der für die täglichen Geschäfte zuständig ist. Es braucht einen Kassier, der die Finanzen verwaltet, und einen Revisor, der sie kontrolliert. Einmal im Jahr treffen sich die Genossenschafter zur Generalversammlung und genehmigen die Geschäftsführung. Sie können Fragen stellen und Auskunft verlangen. So helfen und verwalten sie sich selber, ohne dass sie von oben bevormundet werden und ohne dass einer befiehlt und alle gehorchen müssen. – So entsteht eine Genossenschaft.
Diese Vorgehensweise entspricht der menschlichen Natur und hat sich an vielen Orten auf der Welt herausgebildet – nicht immer gleich – aber oft auf eine ganz ähnliche Art und Weise. Wichtig ist aber: Genossenschaftliche Strukturen entstehen nicht von allein – das hat das Beispiel von Gal Oya gezeigt. Sie müssen gelernt werden, und dazu braucht es manchmal auch einen Anstoss von aussen, weil Hindernisse aus der Kolonialzeit überwunden werden müssen.
Frau Ostrom zeigt in ihrem Buch auf, dass es auch in Ländern möglich ist, eine freiheitliche Kultur zu schaffen, die über viele Jahrhunderte von ihren Kolonialherren geknechtet und bevormundet wurden. Jegliche Form von Herrschaft und Machtstrukturen sind Gift und stören oder verhindern, dass eine solche Kultur entsteht. Wer gewohnt ist, dass von oben alles bestimmt wird und er gar nicht gefragt wird, der muss erst wieder lernen, selbst zu denken und auf demokratische Art nach Lösungen zu suchen – für sich und auch für andere. Einfach ist es jedoch nicht. Das mussten die Projektleiter in Sri Lanka erfahren. Sie hielten aber an ihrer Grundidee fest und liessen sich nicht entmutigen. Der Erfolg in Gal Oya hat ihnen recht gegeben.
Das Beispiel aus Sri Lanka ist ein Lehrstück und gehört zur Botschaft an die Welt, wofür Elinor Ostrom zu Recht den Nobelpreis erhalten hat.
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Viele der Zuhörer meldeten sich in der anschliessenden Diskussion zu Wort. Einige der tamilischen Väter, die das politische Geschehen in ihrem Heimatland aufmerksam verfolgen, bestätigen den Bericht von Elinor Ostrom. Das positive Beispiel von Gal Oya sei bekannt – Ähnliches komme aber nicht so häufig vor. Sie wiesen auf die Situation nach dem Krieg hin, der Jahrzehnte gedauert hatte. Noch manche Probleme müssten gelöst und Spannungen abgebaut werden.
Besondere Aufmerksamkeit erhielt die neue Hunderternote, welche die Schweizerische Nationalbank SNB herausgab und von denen sie 133 Millionen Stück im Umlauf bringt. Das Wasser ist das Hauptelement – auf der Vorderseite der Note als Lebens­elixier und mit der dargebotenen Hand als Symbol für die humanitäre Hilfe der Schweiz, auf der Rückseite ist eine Suone aus dem Gebiet von Ayent (VS) abgebildet. In dieser Region werden noch heute 80 Prozent der Felder und Obstkulturen mit diesen traditionellen Leitungen bewässert.    •
Literatur:
Ostrom, Elinor. Die Verfassung der Allmende. Tübingen 1999

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