Mit Blick auf Indien stärkt Pakistan die militärischen Beziehungen zu Iran

von M. K. Bhadrakumar*, Indien

Trotz der verhaltenen Berichterstattung der pakistanischen Medien über den zweitägigen Besuch des Armeechefs General Qamar Bajwa in Iran bedeutet dieses Ereignis eine deutliche Verbesserung des «mil-to-mil»-Austauschs zwischen den beiden Ländern [d. h. Treffen der Militärführungen, Anm. d. Übers.].
Die iranische Seite gab dem Treffen eine klare politische Färbung: Der Generalstabschef der pakistanischen Armee (COAS=Chief of Army Staff) traf sich mit Präsident Hassan Rohani, Aussenminister Mohammad Javad Zarif und dem Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrates Ali Shamkhani, abgesehen von Gesprächen mit seinem Gastgeber, dem Generalstabschef der iranischen Streitkräfte, Generalmajor Mohammad Hossein Baqeri.
Grenzsicherheit und Terrorismusbekämpfung sind für Iran zentrale Themen. Aber General Bajwas Ausführungen befassten sich ausführlich mit regionalen Entwicklungen sowie mit «Absprachen der beiden Länder zu wichtigen Fragen der muslimischen Welt».
Die iranischen Berichte erwähnten weder die Kaschmir-Frage noch die Spannungen zwischen Indien und Pakistan; es ist jedoch kaum vorstellbar, dass General Bajwa diese Themen nicht auch angesprochen hat.
Noch während General Bajwa am Montag nach Teheran reiste, führte Pakistan einen Teststart der Boden-Boden-Rakete Shaheen-1 durch, einen Tag, nachdem Indien den ersten Nachttest seiner Agni-II-Rakete durchgeführt hatte.
Die iranische Nachrichtenagentur IRNA hielt fest, dass der Start von Shaheen-1 «darauf abzielte, die Einsatzbereitschaft des Kommandos der strategischen Armeestreitkräfte (Army Strategic Forces Command) zu testen, um Pakistans ‹glaubwürdige Minimalabschreckung› zu gewährleisten».
Der pakistanische Armeesprecher twitterte, dass General Bajwa mit Präsident Rohani das «regionale Sicherheitsumfeld und Fragen von gemeinsamem Interesse» diskutiert habe. Laut der iranischen Agentur IRNA erklärte General Bajwa Präsident Rohani, dass Pakistan bereit sei, die bilateralen Beziehungen «in allen Bereichen» zu stärken.
Rohani wiederum begrüsste den Einsatz Pakistans für den regionalen Frieden und bezeichnete die Beziehungen zwischen den beiden muslimischen Nationen als «einen unschätzbaren Vorteil», der genutzt werden sollte, um die gegenseitige Zusammenarbeit weiter zu stärken.
Die iranischen Berichte zitierten General Bajwa mit der Aussage, dass Pakistan und Iran «gemeinsamen Bedrohungen ausgesetzt sind und gemeinsame Interessen haben», und forderten eine enge Zusammenarbeit und Interaktion.
In einem IRNA-Kommentar heisst es: «In den letzten Jahren haben Teheran und Islamabad wichtige Treffen von hochrangigen Armeevertretern erlebt, und der jüngste Besuch des pakistanischen Armeechefs in Iran zeigt das Engagement beider Seiten, die Verteidigungsbeziehungen durch aktive Diplomatie zu stärken.»
Die halboffizielle Agentur Fars berichtete, dass die Generäle Bajwa und Baqeri «verschiedene Themen erörterten, die von der Sicherheitspartnerschaft über regionale Entwicklungen bis hin zur Aufrechterhaltung einer stabilen Sicherheit auf regionaler Ebene reichen» und «Wege zur Stärkung und Wiederbelebung der Verteidigungsbeziehungen erforschten».
Insbesondere Admiral Shamkhani, der dem Obersten Führer Ali Khamenei direkt unterstellt ist, forderte eine «umfassende Ausweitung der Beziehungen» zu Pakistan, «um die regionale Sicherheit zu gewährleisten». Ebenso diskutierten Aussenminister Zarif und General Bajwa «ein breites Spektrum von Themen, darunter die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Beziehungen» zwischen Iran und Pakistan sowie die «regionale Zusammenarbeit und die laufenden Entwicklungen in der Region, einschliess­lich der Situation in Afghanistan».
Zweifellos haben die iranischen Berichte einhellig die hohen Erwartungen Teherans bestätigt, dass eine neue Phase der iranisch-pakistanischen Beziehungen beginnen könnte.
Der Besuch von General Bajwa bekräftigt die Intensivierung des Austauschs auf hoher Ebene zwischen den beiden Ländern, der in den letzten zwei Jahren – seit seiner wegweisenden Reise nach Iran im Jahr 2017 – stattgefunden hat. Es war damals der erste Besuch eines Generalstabschefs der pakistanischen Armee in Iran seit über zwei Jahrzehnten.
Während des Besuchs von 2017 hatte General Bajwa Präsident Rohani mitgeteilt, dass Pakistan entschlossen sei, seine Beziehungen zu Iran in allen Bereichen auszubauen, und hoffe, dass die beiden Nachbarn im Hinblick auf regionalen Frieden und Sicherheit zusammenarbeiten könnten. Die Verschiebungen in der Geopolitik der Region haben seither sicherlich noch weiteren Schwung in die Beziehung gebracht.
Die wichtigste dieser Verschiebungen könnte Delhis neue, von seiner «Hinwendung zu Saudi-Arabien» geprägte Golf-Strategie sein. Diese weicht deutlich vom traditionellen Weg ab, bei Golf-internen Unstimmigkeiten und Rivalitäten einen neutralen Standpunkt einzunehmen.
Selbst als sich die US-iranischen Spannungen zu verschärfen begannen, erfüllte die Modi-Regierung kurzerhand Washingtons Diktat, die Beziehungen zu Iran durch die Einstellung aller Ölimporte aus diesem Land zu beenden. Die kleinmütige Haltung der selbsternannten nationalistischen Führung in Delhi kam für Teheran überraschend.
Teheran drückte offen seine tiefe Enttäuschung darüber aus, dass die Regierung Modi auf höchster Führungsebene sogar von ihren Verpflichtungen zur Zusammenarbeit mit Iran bei der Entwicklung des Hafens Tschahbahar zurücktrat. Diese war bisher eine wichtige Grundlage für die regionale Vernetzung und Sicherheit für die Stabilität Afghanistans.
Die indische Abkehr von Tschahbahar symbolisiert den phänomenalen Wandel in der indischen Regionalpolitik in Richtung Harmonisierung mit der US-Strategie zu einem kritischen Zeitpunkt. Die extremen Druckversuche Washingtons schüren die Spannungen im Golf und führen zu einer stetigen Zunahme der amerikanischen Streitkräfte in Saudi-Arabien, die durchaus die Vorbereitung für eine Konfrontation mit Iran sein könnte.
Die schmerzhaftesten Vorfälle sind jedoch die Angriffe terroristischer Gruppen in der iranischen Provinz Sistan und Belutschistan, die angeblich von Saudi-Arabien unterstützt werden. Teheran spürt, dass die Modi-Regierung sich unaufhaltsam der US-israelischen-saudischen Achse annähert und die traditionelle unabhängige Golf-Politik Indiens aufgibt.
Die leidenschaftliche persönliche Freundschaft von Premierminister Modi mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman und dem israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu muss in Teheran die Alarmglocken ausgelöst haben.
Pakistan beobachtet die Talfahrt der indisch-iranischen Beziehungen sehr genau und erkennt, dass die 40jährige strategische Umarmung Irans durch Indien als «zweite Front» nun endet. Mittlerweilen würdigt die iranische Führung, zum ersten Mal seit der islamischen Revolution von 1979, die unabhängige Aussenpolitik Pakistans.
Teheran erkennt wahrscheinlich, dass die Zeit für einen Durchbruch zugunsten einer militärischen Zusammenarbeit zwischen Pakistan und Iran reif ist. Wichtig ist dabei, dass der vom UN-Sicherheitsrat festgelegte fünfjährige Zeitrahmen für ein Waffenembargo nach und aus Iran im nächsten Jahr abläuft und dass die Wiener Nuklearvereinbarung über das iranische Nuklearprogramm [JCPoA] nach acht Jahren im Jahr 2023 enden wird.
Natürlich könnte Teherans Bereitschaft, Pakistan in der Kaschmir-Frage zu unterstützen, ein entscheidender Faktor sein.
Geopolitisch gesehen bringt Irans weitreichende aussenpolitische Agenda der eurasischen Integration Teheran und Pakistan auch in der Regionalpolitik einander näher.
Zarif bestätigte bei einem kürzlichen Treffen in Teheran mit einer Gruppe von indischen Schriftstellern und Journalisten, dass wirtschaftliche und politische Aktionen der USA «eine Verständigung» zwischen China, Russland und Iran geschaffen habe, «dass wir alle (US-)Ziele sind» und dass die Regierungen aller drei Länder «eine Gemeinsamkeit empfinden». Natürlich ist sich Islamabad dessen sehr wohl bewusst, da es bereits früher selber «Ziel» geworden war.     •

*    M. K. Bhadrakumar hat rund drei Jahrzehnte als Karrierediplomat im Dienst des indischen Aussenministeriums gewirkt. Er war unter anderem Botschafter in der früheren Sowjetunion, in Pakistan, Iran und Afghanistan sowie in Südkorea, Sri Lanka, Deutschland und in der Türkei. Seine Texte beschäftigen sich hauptsächlich mit der indischen Aussenpolitik und Ereignissen im Mittleren Osten, in Eurasien, in Zentralasien, Südasien und im Pazifischen Asien. Sein Blog heisst «Indian Punchline».

Quelle: Indian Punchline vom 20.11.2019

(Übersetzung Zeit-Fragen)

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