Konsequenzen der Bombardierung der Bundesrepublik Jugoslawien mit abgereichertem Uran im Jahr 1999

Konsequenzen der Bombardierung der Bundesrepublik Jugoslawien mit abgereichertem Uran im Jahr 1999

Erstes Internationales Symposium in Niš, Südserbien, Juni 2018*

von Dr. phil. Barbara Hug und Dr. phil. Niels Peter Ammitzboell

Die Universität von Niš war der prominente Tagungsort einer Konferenz, die sich dem Thema der völkerrechtlichen Verantwortung und zivilen Haftung für Schäden widmete, die aus der Bombardierung Jugoslawiens mit Munition aus abgereichertem Uran erfolgen. Vor uns liegt ein umfangreicher Reader, der die in Niš/Südserbien im Juni 2018 gehaltenen Vorträge beinhaltet.

Der von langer Hand geplante, mit höchster militärischer und geheimdienstlicher Präzision vorbereitete Krieg zur Zerstückelung Jugoslawiens währte von März bis Juni 1999. 19 Nato-Mitgliedsstaaten gaben sich her zum dreckigen, blutigen Einsatz. Es sollte ein Krieg sein, der aus «moralischen» Gründen habe geführt werden müssen, so die Lügenversion der unbarmherzigen westlichen Allianz. Im Frühjahr 1999 sangen keine Vögel, und die Blätter fielen braun von den Bäumen. Die Bilder der bald danach an Leukämie erkrankten Kinder sprechen die Sprache des Todes, auch diese Kinder wollten leben, doch im Namen einer pervertierten «Moral» müssen sie leiden und sterben.
Der Krieg gegen Jugoslawien ist in seiner Bedeutung bisher zu wenig ausgeleuchtet, obwohl es etliche mutige und kluge Autoren gibt, die sowohl zu den Weichenstellungen in den Jahren der Kriegsvorbereitung als auch zu den Kriegsmotiven publizierten.1 Für die Zukunft meint Erich Schmidt-Eenboom etwa, die Perspektive auf einen gesamteuropäischen Friedensraum habe durch den Kosovo-Krieg einen schweren Schaden genommen, und das nicht nur materiell, sondern vor allem im Bewusstsein der Menschen und ­politischen Eliten in Russland.
Völkerrechtliche Verantwortung – wer trägt sie? Die Nato als internationale Organisation, die Mitgliedsstaaten der Nato oder beide zusammen? An wen sind Anträge für Entschädigung zu richten, wer haftet zivilrechtlich? Die Rückschau auf die Fakten und die Darlegung der zahlreichen Kriegsfolgen geben auch den Blick auf die Krebsraten frei, deren Steigerung einen erschreckenden Verlauf zeigen.
Der schwere Schaden für die internationale Gemeinschaft, für die Kriegsächtung, den Friedenserhalt und die rechtlichen Vereinbarungen unter den Staaten spiegelt sich in den Ausführungen der russischen Vortragenden wider. Russische Rechtsprofessoren legten dem Publikum ihre konzentrierten Kenntnisse der völkerrechtlichen Verbrechen der Nato-Allianz ohne Beschönigung vor. Die serbischen Vortragenden standen ihnen in nichts nach. Sehr aufklärend für die zahlreich anwesenden Zuhörer!
So erwähnte Marija Zekic, Rechtsanwältin aus Belgrad, die Vertuschungsmanöver, zu denen sich die UNEP auf Veranlassung ihres Generaldirektors Klaus Töpfer hingab. Bakary Kante aus Senegal, damals Direktor einer Abteilung der UNEP, hatte in seinem Bericht unzweideutig darauf hingewiesen, dass die kommenden Generationen, die in dem bombardierten Gebiet leben, an Krebserkrankungen und Leukämien leiden werden und Fehlgeburten und Missbildungen von Neugeborenen zunehmen werden. Die Nato-Bombardierungen geschahen in einer Zeit der Aussaat, deren Ernte absolut lebensnotwendig für die Bevölkerung sei – Getreide, Sonnenblumen, Sojabohnen, Zuckerrüben und Gemüse, so Kante. Dieser Bericht sollte verborgen bleiben.
Slobodan Petkovic, ehemaliger General der jugoslawischen Armee, in der ABC-Abwehr tätig, wies auf das Handbuch für die Kfor hin: «Kfor, International Brigade, West, Depleted Uranium, Information and Instructions». Hier werden die Soldaten vor den radioaktiven Gefahren, ausgehend von der Uranmunition, gewarnt. «Das Einatmen von nichtlöslichen Partikeln von Uranstaub ist langfristig mit gesundheitlichen Folgen verbunden, inklusive Krebs und Missbildungen bei Neugeborenen».
Prof. Radomir Kovačević, Vorstand des Instituts für Arbeitsmedizin, Belgrad, trug zu den folgenschweren genetischen Veränderungen in der Bevölkerung Südostserbiens vor, die als Konsequenz der Nato-Aggression 1999 zu finden seien.
Als verzögerter Genozid des Volkes, das auf dem Territorium Jugoslawiens lebt, ebenso wie in den Nachbarstaaten, wird die Bombardierung von Ratomir Antonovic bezeichnet. Das Jahr 2019 wird ein Jahr der «Epidemie» für Krebserkrankungen sein. Der Plan der Nato, die Serben als ethnische Gruppe drastisch zu reduzieren, würde sich vollziehen. Antonovic ist an der juristischen Fakultät der Universität Konstantin der Grosse in Niš mit Fragen des Sicherheitsmanagements betraut.
Aus der überwältigenden Fülle der Kriegshandlungen gegen das internationale Völkerrecht, begangen von der Nato, ergibt sich die Frage, wer für die mannigfaltigen Kriegsschäden haftet, insbesondere für die massiv angestiegenen Zahlen der Krebserkrankungen, und wie eine angemessene Entschädigung für die Opfer und ihre Angehörigen erreicht werden kann.
In einer Art Pilotstudie untersucht der Anwalt Srdjan Aleksić die rechtlichen Möglichkeiten für Kompensationszahlungen. Damit wächst das internationale Bewusstsein über dieses Verbrechen, das niemals durch «moralische» Erwägungen übertüncht werden kann. Moral ist gekennzeichnet durch die sittliche Haltung, nicht zu schaden und aus dieser humanen Überzeugung heraus zu handeln.2
Da in den Planungen der westlichen Kriegs­allianz häufiger von «kleinen regionalen Kriegen» die Rede ist, die man gewärtigen müsse, kann uns der Serbien-Krieg als übergrosse Warnung dienen. Es war ein lokal begrenzter Krieg, geführt mit einer vernichtenden Wirkung: die «nachhaltig» angelegte Dezimierung der Bevölkerung. Berechnet man das radioaktiv-toxische Potential der verwendeten Waffen, kann einem das Blut in den Adern gefrieren.    •

1    Rückblickende und vorausschauende Analysen stellten Dieter S. Lutz, Erich Schmidt-Eenboom, Matthias Küntzel, Heinz Loquai, Cathrin Schütz, Hannes Hofbauer, Maria Mies, Diana Johnstone, Ramsey Clark, Wolfgang Richter, Mira Beham, Jörg Becker, Norman Paech, Peter Handke, Michel Chossudovsky, Noam Chomsky, Falco Accame, Ralph Hartmann, Gerhard Beestermöller – Aufzählung nicht erschöpfend – zur Verfügung.
2    Die «Aussenpolitik» der Nato-Allianz richtete sich somit direkt gegen die Friedenslehre der katholischen Kirche, wie sie im Wort der Deutschen Bischofskonferenz «Gerechtigkeit schafft Frieden» von 1983 festgeschrieben ist. Für den katholischen Theologen Gerhard Beestermöller konnte der deutsche Bundestagsbeschluss vom 16.10.1998 katholische Soldaten in Gewissensnot bringen. Durften sie an einem völkerrechtswidrigen Krieg teilnehmen?

*    Organisation der Konferenz und Herausgeber des Buches: Srdjan Aleksić, Rechtsanwalt in Niš, und Sreto Nogo, Juristische Fakultät Belgrad; 1. Auflage 2018 in Serbisch und Russisch, 2. Auflage 2019 in Englisch (100 Exemplare für die ausländischen Konferenzteilnehmer); ISBN der serbischen Ausgabe 978-86-7746-723-4; elektronische Version, englisch, auf Anfrage bei Law Office «Aleksić», Niš, <link>advokati.aleksic@gmail.com
Tagungsort der Konferenz war die Aula der Universität Niš.

Während des Krieges 1999 wurde Serbien bombardiert von Belgien, Kanada, der Tschechischen Republik, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Island, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen, Polen, Portugal, Spanien, der Türkei, dem Vereinigten Königreich und den USA.

Vorträge am Symposium

  • Prof Ilija Zindovic, PhD, Legal Basis for Civil Liability for the Consequences of Nato Bombing
  • Academician Juri Golik, Nato Aggression against FRY Must Be Punished
  • Prof Manfred Mohr, ICBUW, Uranium Weapons I: A Case of Environmental Destruction through War Political and Legal Framework
  • Aicha Kheinette, ICBUW, Uranium Weapons II:Nato Bombing of Yugoslavia – Facts and Consequences
  • Academician Sergey Baburin, Peace Keeping Issues and the Problem of the Responsibility of the Aggressor
  • Prof Aleksandr Korobeev, PhD, Jurisdiction of UN International Court of Justice on the Cases Submitted in Relation to the Countries – Nato Members and Their Use of Force: Analyses of Judicial Practice
  • Dr Mirosav Baljak, Jurisdiction of the European Court of Human Rights
  • Dr Konjahin Vladimir, PhD, About the Question on Establishing the Liability of Nato Countries for the Aggression against Yugoslavia – Reality and Perspectives
  • Dr Pilikina Ekaterina Georgievna, PhD, Criminal Legal Command Responsibility on the Example of Nato Operations against Yugoslavia
  • Radomir Kovacevic, Contamination with Depleted Uranium and Genetic Changes in Population of Southeast Serbia as a Consequence of Nato Aggression against Yugoslavia in 1999
  • Dr Margit Savovic, The Crime that Must Not Be Forgiven
  • Dr Yuri Duk, PhD,  Nato Justice and Democracy, Yugoslav Version
  • Prof Tatjana Minazeva, PhD, State Sovereignty as the Power of Law in «Risky Society»
  • Prof Luydmila Inogamova-Hegaj, Problems of National Jurisdiction for Aggression
  • Marija Zekic, Dishonor of the «Civilized Nations»
  • Prof Kozukharik Dmitriy Nikolayevich, PhD, About the Responsibility for Genocide and Aggression against the Yugoslav People
  • Prof Hatidza Berisa, PhD, The Consequences of Nato Aggression of 1999 on the Environment and the Health of People
  • Ratomir Antonovic, MA, The United Criminal Enterprise of Nato Countries against FRY
  • Viktor Nuzdic, The Consequences of Nato Bombing of the Republic of Serbia
  • Jovan Nikolic, MD, Urologist Methods of Rhetoric and Demagogy in Concealing the Harmful Effects of the Radioactive Ammunition Use
  • Prof Slavko Milojkovic, PhD, Prof. Srdjan Aleksic, PhD Nato Aggression against FRY in 1999 and Post Traumatic Stress Disorder
  • Prof Milenko Kreca, PhD, Principle of Sovereignty and International Criminal Tribunals for the Former Yugoslavia and Rwanda
  • Slobodan Petkovic, Retired General, Depleted Uranium, Protection of Environment and Population is Our Lasting Concern and Obligation
  • Zhao Xiaolin, PhD, Nato Legal Responsibility for Bombing of Yugoslavia
  • Prof Andon G. Kostadinovic, PhD, The Consequences of Nato Aggression on the Employees’ Social and Material Position and Increased Number of Malignant Patients in Our Country Population
  • Danilo Kostic, Civil and Legal Responsibility of Nato Member States for Aggression against FR Yugoslavia in 1999
  • General Prof Spasoje Mucibabic, PhD, Preparation and Implementation of the Project «Lawsuit against Nato States that Participated in the Aggression against Serbia in 1999»
  • Prof Srdjan Aleksić, PhD, Misa Petkovic, Lawyer,  Civil Liability of the International Organization and Member States, with a Reference to Nato Responsibility for the Bombing of FRY in 1999

bha./na. In Serbien gibt es einen offensichtlichen Anstieg an Krankheiten, deren Auftreten in einen Kausalzusammenhang mit den Konsequenzen der Bombardierung gebracht werden kann, insbesondere mit dem Gebrauch von Munition mit abgereichertem Uran. Dr. Slobodan Čikarić, PhD, namhafter Radiologe, nun in Ruhestand, Präsident der Serbischen Anti-Krebs-Gesellschaft und Chefredaktor der Zeitschrift Krebs, Vorbeugung, Entdeckung, Heilung, analysierte den Stand des Anstiegs maligner Erkrankungen in Serbien. Er stellt fest, dass er durch das Monitoring des Fortschreitens maligner Tumore in Zentralserbien in der Periode von 2001 bis 2009 zur folgenden Schlussfolgerung kam:
«Wir haben die 17 häufigsten bösartigen Tumoren identifiziert, bei denen die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen bei mehr als 10 auf 100 000 Einwohner lag, und wir folgten dem Wachstums­trend beider Raten [der Neuerkrankungen und der Todesfälle] in der erwähnten Zeitperiode. Im besonderen haben wir systemische Neoplasmen (Leukämie/Lymphome) identifiziert und haben den Trend des Auftretens und der Sterblichkeitsrate in der Bevölkerung beider Geschlechter und aller Altersgruppen in Zentralserbien beobachtet in der Zeit 2001–2009.
Das Wachstum beider Raten unterscheidet sich leicht bei allen 17 Tumoren in der Zeit 2001–2005 (Latenzzeit). Čikarić sagt weiter, dass der Trend der Anzahl der Patienten, die an Tumoren litten, im Durchschnitt 1 % war, und die Anzahl Todesfälle war 1,4 % und im Fall von Leukämie und Neoplasmen 2,5 % im Jahr.  Aber bereits in den Jahren 2006, 2007, 2008 und 2009 steigerte sich das Vorkommen und die Todesrate bei malignen Tumoren an allen Orten bei beiden Geschlechtern im Vergleich mit der vorherigen 4-Jahres-Periode, bei der Anzahl der Patienten um 6,6 % und der Anstieg bei den Todesfällen um 7,8 % im Durchschnitt pro Jahr. Bei den systemischen Neoplasmen (Leukämie und Lymphomen) ist der Anstieg noch drastischer und liegt für die Anzahl erkrankter Patienten bei 74 % und für die Anzahl Verstorbener bei 139 %.
Indem Čikarić die Situation im Jahr 2014 analysiert, schliesst er, dass die Anzahl der neuregistrierten bösartigen Tumore in Serbien 2,8 mal so hoch ist wie im Rest der Welt. Das nennt er ‹die serbische Katastrophe›.» (aus dem Vortrag von Slobodan Petkovic)

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