Deutschland sollte das Eigenkapital gesunder Betriebe stärken

von Prof. Dr. Eberhard Hamer, Hannover

zf. Der folgende Beitrag wirft einen sehr pointierten kritischen Blick auf die finanzpolitischen Massnahmen, die in Deutschland als Reaktion auf die Corona-Pandemie bislang beschlossen und umgesetzt wurden. Es gehört zu einer Demokratie, dass die Wirksamkeit und Angemessenheit dieser Massnahmen auch öffentlich diskutiert werden müssen, sicher auch kontrovers. Dies kann dabei behilflich sein, dass sich alle Verantwortlichen – und dazu zählen auch wir Bürger – ein genaueres Bild machen und Schritt für Schritt angemessene Entscheidungen treffen können.

Deutschland steht vor einem Absturz der Wirtschaft und vieler Unternehmen – je nachdem, wie lange und in welchem Umfang die Regierung die Zwangsstillegung aufrechterhält. Die Regierung hat sich im Bundestag ein «Hilfspaket» von 156 Milliarden Euro bewilligen lassen und glaubt, damit das Schlimmste verhindern zu können.

Sie hat aber leider ein untaugliches Mittel zur falschen Zeit und auch noch in untauglicher Weise eingesetzt.

Die Rezession war seit mehr als einem Jahrzehnt überfällig. Volkswirtschaftlich dient eine Rezession zur Bereinigung von Fehlallokationen und Überkapazitäten (Blasen), ist also wie der Winter für die Natur ein Gesundungsprozess für die Wirtschaft, um die Finanzblase, die Schuldenblase, die Börsenblase oder die Immobilienblase wieder zu reduzieren.

Einen solchen Gesundungsprozess hat die Politik 20 Jahre lang künstlich verhindert. Wenn sie nun auch wieder den Beginn einer Korrektur aufhält, will sie die schädlichen Blasen und damit auch unrentable Unternehmen und Überkapazitäten erhalten.

Die Bundesregierung hat ihre Geldspritze zu früh und dadurch schädlich angesetzt. Die Mittel werden in einer blossen Verzögerung des Abschwungs nutzlos verpuffen. Würde das Geld später eingesetzt, wenn die volkswirtschaftlichen Fehlentwicklungen ausgeschwitzt sind, würde es dagegen zum Wiederaufschwung beitragen können, zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht. Das Hilfspaket von 156 Milliarden Euro wird also zu früh und deshalb wirkungslos ausgegeben.

Dazu hat die Regierung auch noch vor, das Geld falsch einzusetzen:

  • Den grössten Teil des Hilfspakets sollen wieder die grossen Kapitalgesellschaften bekommen, obwohl sie nur 2 % unserer Betriebe ausmachen, ihre Gewinne im Wesentlichen in Steueroasen verstecken und zu über 70 % in ausländischer Hand sind. Die Bundesregierung will also wieder einmal auf deutsche Kosten die Dividenden an das internationale Kapital subventionieren. Solche Hilfe ist ein überflüssiges Geschenk an das Grosskapital zu Lasten aller deutschen Bürger und Steuerzahler.
  • Den etwa 1,3 Millionen Soloselbständigen werden 9000 Euro geschenkt – also praktisch «Hartz-IV für Selbständige». Dies rettet sie keinesfalls vor dem grossen Sieb des Marktes im kommenden Abschwung, wo der Markt darüber entscheidet, ob sie als Selbständige noch überleben oder nicht. Praktisch hat der Staat damit «Hartz-IV für alle» eingeführt, die Vorstufe des künftigen «bedingungslosen Grundeinkommens» für alle.
  • Kleinunternehmen bis zu 10 Mitarbeitern bekommen einen Zuschuss von 15 000 Euro. Das macht die Kosten von drei Mitarbeitern für einen Monat aus. Was soll das bringen? Es ist keine Rettung, sondern wiederum nur eine Verzögerung der kommenden Marktauslese durch die Rezession.
  • Am schlechtesten wird vom «Rettungspaket» die Masse der mittelständischen Betriebe bedacht. Ihnen werden nur Kredite angeboten, welche ihre Last erhöhen statt vermindern würden. Schon jetzt haben Personalunternehmen 7 % höhere Steuern zu zahlen als Kapitalgesellschaften, werden sie von allen Betriebsgrössen und -typen ungerechterweise steuerlich am meisten abgestrippt. Die angebotenen Darlehen verzögern so nur den Untergang der überschuldeten Unternehmen, die in der Rezession ohnehin Konkurs anmelden müssen. Den guten Unternehmen nützt nicht höhere Verschuldung, sondern mehr Eigenkapital, also die von der Mittelstandsforschung immer geforderte «Hilfe zur Selbsthilfe» in Form von Selbstfinanzierung. Je stärker die Unternehmen nämlich mit Eigenkapital finanziert sind, desto besser überstehen sie die Rezession.

Kein Land hat so gute Erfahrungen mit Eigenkapitalhilfe gemacht wie wir. Ludwig Erhard hat das Wirtschaftswunder damit zustandegebracht, dass er als «Gewinn» nur die Ausschüttungen wertete, also nur das besteuerte, was aus dem Betrieb herausgenommen wurde. Wenn dagegen interne Überschüsse reinvestiert und für Arbeitsplätze wiederverwandt wurden, wurde diese interne Kapitalverwendung nicht besteuert. Solche «Steuerfreiheit des im Unternehmen verbleibenden Gewinns» hat damals den Unternehmen erlaubt, aus eigener Kraft zu wachsen, Arbeitsplätze zu schaffen und das Wirtschaftswunder zustande zu bringen.

Die Grossbanken haben nach dem Tode von Ludwig Erhard dafür gesorgt, dass nicht nur der ausgeschüttete Gewinn, sondern auch jeder rechnerische interne Überschuss und sogar der Unternehmerlohn als Gewinn versteuert werden musste. Seitdem haben wir die Fremdfinanzierung und die Eigenkapitalproblematik im Mittelstand.

Die Umstellung des Gewinnbegriffs würde nach Schätzungen der Mittelstandsforschung in den ersten drei bis vier Jahren – also während der Krise – Steuermindereinnahmen von 45 bis 55 Milliarden Euro bringen, also weniger als ein Drittel des Rettungspaketes der Bundesregierung. Das wäre also nicht nur möglich, auch steuerlich nützlicher (den Betrieben ihre Gewinne zu lassen, statt sie erst abzusteuern und ihnen dann als Darlehen Teile zurückzugeben) und – wie das Wirtschaftswunder gezeigt hat – auch am erfolgreichsten.

Würde die Gewinndefinition auf ausgeschüttete Gewinne wieder eingeführt, würde dies dazu führen,

  • dass die gewinnträchtigsten Betriebe auch am meisten wachsen können,
  • dass von den Umsatzerträgen höhere Investitionen, mehr Arbeitsplätze, mehr Wachstum finanziert würden statt Staatsabgaben,
  • dass die Eigenkapitalquoten unserer Betriebe wieder aus der Gefahrenzone herauswachsen und die Betriebe mit Eigenkapital für die Krise gerüstet werden,
  • dass die inzwischen steuerrechtlich zu komplizierte Gewinnermittlung vereinfacht würde, es auf Abschreibungshöhen, Verrechnungssätze, die komplizierten innerbetrieblichen Vorgänge nicht mehr ankäme, sondern nur noch auf den einfach feststellbaren ausgeschütteten Gewinn,
  • dass auch für internationale Konzerne die nationalen Ausschüttungen festgestellt und versteuert werden müssten, so dass sie nicht mehr durch Verrechnungspreise mit ihren Gewinnen in die Steueroase flüchten können
  • und dass dafür alle Subventionen gestrichen werden können (ca. 50 Milliarden Euro) – die ohnehin zu 90 % alle an die grossen Kapitalgesellschaften gehen.

Wenn überhaupt, ist jetzt der richtige Zeitpunkt für die bevorstehende Korrektur des Gewinnbegriffes.

Der politische Widerstand gegen diese Änderung kam bisher immer von den Grossbanken – die aber inzwischen selbst in Atemnot und mit sich beschäftigt sind – und aus den Reihen der SPD und der Linken, die aber ohnehin jede Höhe des Unternehmergewinns verteufeln, selbst das Existenzminimum. Deren Widerstand müsste aber besänftigt sein durch das flächendeckende Kurzarbeitergeld und das «Hartz-IV für Selbständige» – beides Übergang zu dem von ihnen gewünschten «bedingungslosen Grundeinkommen».

Statt also die grösste Zusatzverschuldung unserer Nachkriegsgeschichte für Konzern- und Sozialgeschenke sinnlos auszugeben, sollte die Regierung damit das Eigenkapital der gesunden Betriebe stärken, die einzige Massnahme, welche den Sanierungsprozess der Rezession nicht behindert, sondern fördert und gleichzeitig die gesunden Betriebe für die Zeit nach der Krise stärken würde.

Die Mittelstandsforschung und einige Mittelstandsverbände (BVMW, BDS u. a.) fordern diese Wirtschaftswundermassnahme schon seit über 50 Jahren!    •

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