Die Covid-19-Pandemie und Schulschliessungen führen seit März 2020 notgedrungen zu Fernunterricht und dem verstärkten Einsatz digitaler Techniken. Dass IT-Verbände diese Entwicklung freudig begrüssen und fordern, den Einsatz von IT in Schulen zu verstetigen, war zu erwarten. Erstaunlich ist, dass auch Lehrerverbände für Fernunterricht und digitales Beschulen plädieren. Ist allen Beteiligten klar, was das bedeutet?
Im Mai 2020 hat die Gesellschaft für Informatik gemeinsam mit IT- und Wirtschaftsvertretern und Lehrerverbänden die «Offensive Digitale Schultransformation» (#OdigS) gestartet. Dieser Beitrag zur «digitalen Bildungspolitik» verkürzt schulische Bildung konsequent auf technische Aspekte (siehe Kasten). Das Ziel ist die digital gesteuerte Schule. Bei der Transformation nach den Parametern der IT-Wirtschaft und Datenökonomie gehe es nicht um eine «Eins-zu-Eins-Übertragung des Analogen ins Digitale», Lernstrukturen und -prozesse müssten vielmehr neu gedacht und IT-konform weiterentwickelt werden. Das bedeute konkret:
Wer statt der Optimierung technischer Systeme den Menschen und dessen individuelle Entwicklung als autonome Persönlichkeit im Blick hat, wird für den Einsatz von IT anderes fordern. Statt Daten für Nutzerprofile zu sammeln, werden Daten allenfalls lokal gespeichert (Edge Computing) und nach Gebrauch gelöscht. Persönlichkeits- und Leistungsprofile werden weder erstellt noch vermarktet. Technisch wird das mit offenen Betriebssystemen wie Linux und Open Source-Software im Intranet realisiert, mit lokalen Servern oder eigenen Servern beim Provider. Stichworte sind Datensparsamkeit, Dezentralisierung und Datenhoheit bei den Nutzern. Für die Kommunikation nutzt man verschlüsselte Messenger wie Signal oder Threema, die keine Meta-Daten aufzeichnen, für das Surfen Browser, die keine Verlaufsdaten speichern, oder Tor-Browser (The Onion Router), die die eigene Adresse anonymisieren.
Dadurch werden Rechner und Software wieder zu dem, was sie sein sollen: Werkzeuge der beruflichen wie privaten Kommunikation und Unterhaltung, aber auch Medien im Unterricht. Dort zum Beispiel Technik zur aktiven Medienproduktion, ohne erzwungene Datenprostitution. Technisch ist das alles machbar und in der Praxis bewährt. In dieser Form kann IT auch im Unterricht ab der Sekundarstufe pädagogisch und didaktisch sinnvoll eingesetzt werden. Man muss «nur» umdenken und an die Stelle der Anforderungen der Datenwirtschaft die Bedürfnisse der lernenden Menschen setzen und die Medien den Menschen und der Sache gemäss einsetzen, statt beides an IT-Systeme anzupassen.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Jochen Krautz,
Bergische Universität Wuppertal,
Präsident der GBW e.V.
(krautz@uni-wuppertal.de)
AR Dr. Matthias Burchardt,
Universität zu Köln,
Geschäftsführer der GBW e.V.
(m.burchardt@uni-koeln.de)
jk./mb. Die Forderungen der IT-Verbände1 wiederholen sich seit über 30 Jahren: mehr Geld, mehr Stellen, mehr Einfluss und Gewicht in Politik und Gesellschaft. Im Detail:
Das greift zu kurz und bleibt dem informatischen Denken verpflichtet. Wir müssen aber IT neu denken und konkrete Alternativen zu derzeitigen Strukturen entwickeln, bevor wir überhaupt weiter mit IT arbeiten wollen. Denn weder der «unbeschränkte Digitalkapitalismus nach amerikanischem Vorbild» noch die «orwellianische Staatsüberwachung» wie in China sind laut Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier auf dem Kirchentag 2019 eine Option für Europa und schon gar nicht für Schulen.
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