Massengewalt in Stuttgart

km. In der Nacht von Samstag auf Sonntag (20./21. Juni 2020) ist es in der Stuttgarter Innenstadt zu massenhaften Ausschreitungen gekommen, die über die Landesgrenzen hinaus sehr viel Aufsehen erregt haben. In drei verschiedenen Pressemitteilungen des Polizeipräsidiums Stuttgart vom 21. und 22. Juni ist unter anderem zu lesen:
  
«In der Nacht zum Sonntag kam es in Stuttgart zu erheblichen Angriffen auf Polizeibeamte, Streifenwagen und Ladengeschäfte in der Innenstadt. Mehr als ein Dutzend Polizeibeamte erlitten Verletzungen. Viele Feiernde aus dem Bereich des sich vornehmlich in den Abendstunden und Nächten […] sammelnden Klientels solidarisierten sich in Zusammenhang mit einer Polizeikontrolle anlässlich eines Rauschgiftdelikts gegen die Beamten. In der Folge zogen die Menschen in Richtung Schlossplatz und verteilten sich offenbar auch in Gruppen in der Innenstadt. Abgestellte Streifenwagen wurden massiv beschädigt. Mit Stangen und Pfosten wurde auf die Fahrzeuge eingeschlagen, die Scheiben zertrümmert. Auch auf vorbeifahrende Streifen warfen Randalierer grosse Steine und andere Gegenstände, auch Pflastersteine, die zuvor aus dem Boden gerissen oder auch von Baustellen aufgenommen wurden. Polizeibeamte wurden äusserst aggressiv angegangen, angegriffen und verletzt. Mehr als 200 Beamte aus dem Stuttgarter Umland mussten alarmiert und in den Einsatz gebracht werden. Viele Ladengeschäfte in der Innenstadt sind offenbar wahllos beschädigt worden. Vor allem wurden Schaufensterscheiben eingeworfen oder eingeschlagen. In Filmszenen ist auch zu sehen, wie massiv versucht wird, selbst schwere grosse Scheiben zu zertrümmern. Offenbar um ihre Identität zu verdecken, haben sich Täter auch absichtlich mit Sturmhauben und anderen Materialien vermummt. Aus einer noch unbestimmten Zahl von Geschäften wurden die Auslagen entwendet. […] Erst nach Stunden wurde die Situation ruhiger.»
  
«Nach ersten Erkenntnissen war ein Einsatz wegen eines Rauschgiftdeliktes offenbar der Auslöser für die dann folgenden Ausschreitungen. Während der vorläufigen Festnahme eines Tatverdächtigen gegen 23:30 Uhr im Bereich des Oberen Schlossgartens solidarisierte sich eine Vielzahl der umstehenden Personen, griff die eingesetzten Polizeibeamten an und bewarf sie mit Steinen und Flaschen. Nachgeforderten Einsatzkräften gelang es zunächst, auch unter Einsatz von unmittelbarem Zwang und Pfefferspray, die randalierende Menge von den einschreitenden Beamten in Richtung Schlossplatz wegzudrängen. In der Folge solidarisierten sich weitere anwesende Personen auf dem Schlossplatz, so dass sich nun mehrere hundert Personen gegen die Polizeibeamten stellten und weiter mit Steinen und Flaschen nach ihnen warfen. Auch eingesetzte Rettungskräfte wurden teilweise attackiert. Daraufhin wurden weitere Polizeikräfte aus umliegenden Polizeipräsidien sowie der Bundespolizei zur Unterstützung alarmiert, auch ein Polizeihubschrauber kreiste zeitweise über der Innenstadt. Die Randalierer zogen in einer Vielzahl von Kleingruppen unterschiedlicher Grösse durch die Innenstadt. Erst gegen 4:30 Uhr war die Situation beruhigt. Vorläufige Bilanz Stand 17:00 Uhr [21. Juni]: Einsatzkräfte nahmen 24 mutmassliche Randalierer fest. 19 Polizeibeamte wurden verletzt, ein Beamter konnte auf Grund einer Verletzung an der Hand seinen Dienst nicht fortsetzen. Im Bereich der Innenstadt, vor allem der Königstrasse und der Marienstrasse, wurden bislang 30 Geschäfte und Einrichtungen festgestellt, die von den Randalierern durch Einschlagen von Türen und Fensterscheiben teilweise erheblich beschädigt worden sind, darunter Mobilfunkläden, Bekleidungsgeschäfte und Juweliere. Darüber hinaus beschädigten die Täter auch Werbetafeln und brachten Graffitis an. Bislang wurden acht Geschäfte festgestellt, in die die Randalierer eindrangen und Waren plünderten. Bei dem Einsatz wurden nach derzeitigem Stand zwölf Streifenwagen teilweise erheblich beschädigt. Auf diversen Videosequenzen, die in den Sozialen Netzwerken kursieren, ist zu sehen, wie Randalierer mit Stühlen und anderen Gegenständen auf die Streifenwagen einschlugen und die Scheiben zerstörten.»
  
«Von den 25 vorläufig festgenommenen Personen werden heute [22. Juni] im Laufe des Tages sieben Beschuldigte im Alter von 16 bis 33 Jahren dem Haftrichter beim Amtsgericht Stuttgart mit dem Antrag auf Erlass eines Haftbefehls vorgeführt. Bereits gestern Abend wurde auf entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft gegen zwei weitere Beschuldigte im Alter von 18 und 30 Jahren Haftbefehle erlassen, wobei der Haftbefehl gegen den 18jährigen gegen Auflagen ausser Vollzug gesetzt wurde. Den Beschuldigten, die die deutsche, kroatische, irakische, portugiesische und lettische Staatsangehörigkeit besitzen, wird dabei unter anderem schwerer Landfriedensbruch (§ 125a StGB), gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB), tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte (§ 114 StGB) und Diebstahl in besonders schweren Fall (§ 243 StGB) vorgeworfen. Ein 16jähriger Beschuldigter soll zudem einen bereits am Boden liegenden Studenten, der die Ausschreitungen verbal kritisiert hatte und daraufhin von einer Personengruppe zusammengeschlagen worden war, gezielt gegen den Kopf getreten haben. Die Staatsanwaltschaft wirft diesem Beschuldigten versuchten Totschlag vor, da er den möglichen Tod des Studenten durch den gezielten Tritt gegen den Kopf zumindest billigend in Kauf genommen habe. Bei den übrigen 16 vorläufig festgenommenen Personen wurden derzeit die Voraussetzungen für die Untersuchungshaft verneint und die Betroffenen daher nach Abschluss der polizeilichen Massnahmen wieder entlassen.»

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«Die logische Schlussfolgerung aus all dem müsste sein, das Thema ganz oben auf die Tagesordnung zu setzen, nicht nur bei ein paar wenigen «Experten», die für «zuständig» erklärt werden, sondern bei allen, denen Zustand und Zukunft unserer Gesellschaft ein Anliegen ist.»



Eigentlich ist man sprachlos – und fragt sich, wie so etwas möglich ist. Hunderte von Jugendlichen und jungen Erwachsenen reagieren auf einen legitimen Polizeieinsatz gegen ein vermutliches Rauschgiftdelikt mit massiver Gewalt gegen Sachen und gegen Menschen, achten weder fremdes Eigentum noch das Recht anderer auf körperliche Unversehrtheit, missachten völlig das staatliche Gewaltmonopol – voller Hass auf Polizisten (sie nennen sie «Bullen») und Rettungskräfte. Mittlerweile gibt es eine grosse Menge öffentlicher Reaktionen, Stellungnahmen zum Verlauf der Gewaltaktion, zu den Ursachen und auch zu den Schlussfolgerungen. Stuttgart ist kein Ausnahmefall. Zeitgleich wurde aus der Schweiz berichtet, dass die Anzahl der Gewaltdelikte von Jugendlichen «markant» gestiegen ist. In der «Neuen Zürcher Zeitung» hiess es dazu am 22. Juni: «Im letzten Jahr ist die Zahl von Straftaten, die von Minderjährigen verübt wurden, schweizweit gestiegen. Besonders markant ist die Entwicklung bei den Gewaltdelikten. Beunruhigung ruft auch die Brutalität mancher Attacken hervor. Fusstritte an den Kopf, Messerstechereien, all dies sei keine Seltenheit mehr, heisst es von Jugendstrafbehörden.»
  
Die logische Schlussfolgerung aus all dem müsste sein, das Thema ganz oben auf die Tagesordnung zu setzen, nicht nur bei ein paar wenigen «Experten», die für «zuständig» erklärt werden, sondern bei allen, denen Zustand und Zukunft unserer Gesellschaft ein Anliegen ist. Genauer begründet werden muss das nicht, die Tatsachen sprechen für sich. Dass sich ohne genauere Untersuchungen schon gleich in den Tagen danach Stimmen zu Wort meldeten, die ganz genau wussten, welche Ursachen es gibt und was zu tun sei, war zu erwarten. Ob damit der Sache gedient ist, ist eher fraglich. Welchen Sinn beispielsweise hat es, wenn behauptet wurde, die Gewaltausbrüche in Stuttgart seien durch den Corona-Lockdown hervorgerufen worden – und solch ein Blödsinn in der Medienwelt auch noch die Runde macht. Jede Fachrichtung versucht beizutragen mit der ihr jeweiligen Denkweise. Das ist auch gut so. Am Anfang muss der entschlossene Wille stehen, dass so etwas nicht mehr toleriert wird. Nicht nur bei «Experten» und «Zuständigen», sondern bei uns allen.  •

Die Saat geht auf

Gedanken zu den Angriffen auf die Polizei in Stuttgart

ds. Vor zwanzig Jahren beschäftigte mich, dass Primarschüler unter sich wie selbstverständlich von Bullen sprachen, wenn es um die Polizei ging. Was dachten sie sich dabei? Hatten sie nicht Schulkollegen, deren Väter Polizisten waren und die sie als Väter ihrer Kollegen durchaus gern hatten und schätzten? Und so schlechte Erfahrungen mit der Polizei konnten zehn-, zwölfjährige Schüler ja noch nicht gemacht haben. Woher also diese abschätzige Sprache? «Haut die Bullen platt wie Stullen!»
  
Seither sind einige «Jugendrevolten» über die Länder gegangen, und aus den Bullen sind «Bullenschweine» geworden, und aus dem Sänger des Hass-Songs wurde ein «Künstler». Seit Jahren werden Polizisten und zunehmend auch Sanitäter und Feuerwehrleute bei ihren Einsätzen in manchen Grossstadtquartieren tätlich angegriffen. Bücher und zahlreiche Zeitungsartikel berichten darüber.
  
In der Nacht von Samstag auf Sonntag den 21. Juni 2020 haben nun «400 bis 500 junge Menschen» die Polizei in Stuttgarts Innenstadt massiv angegriffen und Geschäfte geplündert. Mindestens 19 Polizisten wurden verletzt. Der Sachschaden bewegt sich in Millionenhöhe. Auch zwölf Streifenwagen wurden demoliert.
  
Ausgangspunkt war laut der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 22. Juni die Drogenkontrolle eines 17jährigen. Daraufhin hätten sich 200 bis 300 Personen aus der «örtlichen Partyszene» mit dem Jugendlichen solidarisiert und die Beamten mit Steinen und Flaschen angegriffen. Die Gruppe sei dann auf 400 bis 500 Personen angewachsen. Mehrere Videos, die im Internet kursieren, zeigen das Ausmass der Gewalt: «Junge Männer – viele von ihnen vermummt – ziehen randalierend und plündernd durch die Einkaufsstrassen. Auf einem Video ist zu sehen, wie ein Vermummter einem knienden Polizisten mit Anlauf in den Rücken springt. Der Beamte stürzt, die Zuschauer jubeln», schreibt die «Neue Zürcher Zeitung».
  
Der Stuttgarter Polizeipräsident Franz Lutz spricht von einer «noch nie da gewesenen Dimension von offener Gewalt gegen Polizeibeamte». Er ist seit 46 Jahren Polizist.    •

 

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