«Antifa» – so entsteht keine gerechtere und friedlichere Welt

von Peter Küpfer

In Folge der Ereignisse in Minneapolis (USA) bringt Bob Barr, Jurist und ehemaliger Abgeordneter des amerikanischen Repräsentantenhauses, Licht und damit etwas Ruhe in die aufgeheizte Debatte, mit einer Rückbesinnung auf den demokratischen Rechtsstaat («Wo wir immer enden, wenn der Zweck die Mittel heiligt», Zeit-Fragen Nr. 13 vom 16. Juni 2020). Er begründet, warum nach amerikanischem Recht die sich selbst so nennende «Antifa-Bewegung» als «terroristisch» bezeichnet werden könne, sogar müsse. Dabei weist Barr darauf hin, die Ursprünge der amerikanischen Antifa lägen in Europa. Wie die «Antifa» über den Atlantik zu ihnen gekommen sei, sei noch nicht geklärt. Auch vermerkt Bob Barr in seiner Stellungnahme, die Bezeichnung «Antifa» sei ein höchst schillernder Begriff. Der nachfolgende Text befasst sich mit beiden Fragen.

Faschismus ist nicht das Gleiche wie Nationalsozialismus, auch nicht wie Rassismus. Die Begriffe Faschismus und Nationalsozialismus kennzeichnen historisch lokalisierbare Ereignisse. Als Faschismus bezeichnete man im engeren Sinne die Staatsform Italiens unter der Alleinherrschaft von Benito Mussolini. Im 20. Jahrhundert übertrug man diesen Begriff auf ähnliche Staatsformen, so zum Beispiel auf das Spanien unter der Diktatur von General Franco. Der italienische Staat unter Benito Mussolini (1925–1943) war ein Einparteienstaat, diktatorisch geführt und mit aggressiver Aussenpolitik. Ähnlich wie andere vergleichbare Staaten verherrlichte er die eigene nationale Grösse und Macht früherer Zeiten, insbesondere des antiken römischen Imperiums. Der Hitlersche deutsche Nationalsozialismus hatte manche Parallele zum faschistischen Italien. Beim Nationalsozialismus trat die völkische Ideologie dazu, gegründet auf einer wissenschaftlich unhaltbaren Theorie des Rassismus mit ihren verbrecherischen Folgen. Rassismus ist aber keine Staatsform, er ist eine ideologische Haltung oder Einstellung, welche die angebliche Überlegenheit einer Gruppe von Menschen über andere propagiert, die sie verachtet.

Denkschablonen sind gefährlich

Vor diesem faktischen historischen Hintergrund richtet die gegenwärtig bedenkenlos vermischte und willkürlich verwendete Terminologie im Zusammenhang der aktuellen «Antifa» Verwirrung und Schaden an. In den letzten Jahren haben sich unter dem schwammigen Kürzel Praktiken breitgemacht, mit denen bald jede bewahrende Tendenz als «rechtsextrem» verschrien und durchaus vertretbare Positionen jenseits des grün-rosa-liberalen Mainstreams als «faschistisch» bezeichnet werden. Dies trifft schon von der Sache her nicht ins Schwarze. Nicht jede Anschauung, die vom heute medial übermächtig präsenten Zeitgeist abweicht, ist «rechts». Nicht jeder, der in unseren Gesellschaften Bewahrenswertes findet, ist konservativ. Nicht jeder Konservative ist anfällig gegenüber rechtsextremen Strömungen. Und nicht jeder, der zu Recht oder Unrecht als «rechtsstehend» etikettiert wird, ist damit dann auch quasi «automatisch» ein Rassist.

Erneuerter «Antifaschismus»

Die Begriffe «Antifaschismus» und «antifaschistische Bewegung», von denen die schillernde Abkürzung «Antifa» abgeleitet ist, entstammen dem Bolschewismus. Der kommunistische Antifaschismus wurde zu Zeiten des Auftretens faschistischer Regime von der Kommunistischen Internationalen unter der Führung Josef Stalins zu einem Hauptprogramm der weltrevolutionären Strategie erhoben. Unter dem Banner des «Antifaschismus» kämpften im Spanischen Bürgerkrieg Anarchisten und Kommunisten aus der ganzen Welt in den «Internationalen Brigaden» auf der Seite der Republikaner gegen die Armee General Francos, der nach seinem Sieg eine eiserne Diktatur bis in die siebziger Jahre aufrechterhielt.
   
Nach dem Zweiten Weltkrieg, in der Zeit des Booms eines wieder erstarkten Kapitalismus (Stichwort «Hochkonjunktur»), entwickelten politisierte studentische Kreise in den westlichen Demokratien unter dem Einfluss der neomarxistischen «Frankfurter Schule» (Theodor W. Adorno, Max Horkheimer, Herbert Marcuse) die 68er Jugendbewegung. Sie riss schon damals, ähnlich wie die aktuelle Antifa heute, auf der ganzen Welt jugendliche Idealisten mit. Kernstück der 68er-Ideologie war, vor allem in Deutschland, ein stark plakatierter «moderner Antifaschismus». Dessen Führungsgestalten Rudi Dutschke, Günter Amendt, Oskar Negt und andere erhoben den Pauschalvorwurf an ihre deutsche Elterngeneration, sie sei in ihrem Denken und Fühlen immer noch stark von der nationalsozialistischen Ideologie geprägt. Das erhielt das Etikett «autoritär», wohingegen die 68er ihre «antiautoritäre» Gesinnung und Lebensweise propagierten. Beide Elemente gaben der damaligen Bewegung von Anfang an eine radikale Ausrichtung. Denn die 68er-Bewegung entfaltete gerade auch als «antiautoritäre» Kulturrevolution markant destruktive und aggressive Tendenzen. Wer der damals neuen «Selbstverwirklichungs-Ideologie» entgegentrat, wurde schon bald als «Faschist» bezeichnet. Niederbrüllen eines «konservativen» Professors in den Vorlesungen gehörte zeitweise zum Alltag in den Hörsälen der Universitäten.
   
Die damals neuartige Verschmelzung des Politischen mit dem persönlichen, oft provokant zur Schau gestellten «freien» Lebensstil unterstützte die destruktive Ausrichtung der «Bewegung». Schon damals heizten rhythmisch skandierte Parolen die Manifestanten auf. Oft waren sie in ihrem Inhalt katastrophal kurzschlüssig, wie zum Beispiel: «Kapitalismus führt zum Faschismus, Kapitalismus muss weg.» Es sind nicht die Wirtschaftsformen (Kapitalismus, Staatssozialismus), welche «automatisch» undemokratische oder aggressive Ideologien gebären, sondern die ihnen zugrundeliegenden Einstellungen und Wertungen.
   
Unter dem Einfluss der 68er Kulturrevolution und dem von ihr kreierten neuen Lebensstil wurden die Slogans noch einfacher, dadurch auch noch einmal gefährlicher: «Macht kaputt, was euch kaputt macht!» Es war schon damals für die so «Bewegten» klar: Kaputt machen dich die Arbeit und der Stress des Erwerbslebens, die Anforderungen der modernen Gesellschaft. Damit wurden bisher Marginalisierte unserer modernen westlichen Gesellschaften, insbesondere der wachsende Kreis der Drogenkonsumenten, von ehemaligen «Randgruppen» plötzlich zu «Widerstandskämpfern». Das Zerschlagen von Geschäftsauslagen, die Aggressionen gegen Uniformierte, sogar der Ladendiebstahl bekamen so eine vermeintlich «legitimierende» Dimension: die Zerschlagung «des Systems». Woher kam der dafür notwendige Hass?

Gezielte Destruktivität und ihre Folgen

Bewusst wurde schon damals die Konfrontation mit der Polizei erzwungen, die man aus strategischen Gründen zum Gebrauch des Knüppels und der Wasserwerfer, später des Tränengases provoziert. So sollte nach der Doktrin der studentischen «Revolutionäre» jedem Teilnehmer einer Manifestation handgreiflich klargemacht werden, dass die moderne Demokratie nur auf dem Papier eine Demokratie sei, in Wirklichkeit aber ein repressiver Staat, der jeden niederknüpple, der das System als Ganzes verneine. Dass die militanten Manifestierenden bewusst Rechtsnormen verletzten und die Polizei deshalb eingreifen musste, wurde bewusst unter den Teppich gekehrt. Damals tauchte der Schimpfname «Bulle» auf. Der einzelne -Polizeimann wurde damit bewusst entmenschlicht und zu einem blinden Werkzeug eines «Systems» gemacht. Es folgten denn auch systematische Sachbeschädigungen, zuerst gegen Botschaften autoritärer Staaten (wie etwa Persien unter dem Schah), dann gegen Banken, schliesslich, unter der Regie der sich weiter radikalisierenden RAF (Rote Armee Fraktion mit Ulrike Meinhof und Andreas Baader), immer mehr organisierte Gewalt. Der Weg führte über Molotow-Cocktails (geschleudert gegen Polizeibeamte im Dienst), den Berliner Kaufhausbrand zu gezielten Attentaten auf Polizeistationen und Militärkasernen, schliesslich zu politisch motivierten feigen Morden an «Exponenten» des Kapitalismus. Ulrike Meinhof erhielt vom deutschen meinungsmachenden Nachrichtenmagazin Der Spiegel Raum, um mit unnachahmlicher Kaltschnäuzigkeit zu vertreten, Polizisten und Exponenten des westlichen Kapitalismus umzubringen sei gerechtfertigter Widerstand: Meinhof schrieb dazu wörtlich: «Wir sagen, natürlich, die Bullen sind Schweine, wir sagen, der Typ in der Uniform ist ein Schwein, das ist kein Mensch, und so haben wir uns mit ihm auseinanderzusetzen. Das heisst, wir haben nicht mit ihm zu reden, und es ist falsch, überhaupt mit diesen Leuten zu reden, und natürlich kann geschossen werden.» (Ulrike Meinhof in: Der Spiegel Nr. 25 vom 15. Juni 1970, S. 74 f.)
   
Es wurde damals auch geschossen, auch von der RAF. Das militärische Know-how dazu holten sich die Exponenten der RAF, in Vermittlung über die DDR, in Ausbildungsstätten von palästinensischen Extremistengruppen.

Geht es um Zusammenwirken oder um Spaltung?

Die Frage von Bob Barr, woher die Antifa-Bewegung in den Vereinigten Staaten kommt, kann zu einem Teil beantwortet werden. Der neue Antifaschismus als Movens von «Bewegungen» entstand in Europa im Zuge der westlichen 68er-Bewegung. Diese war besonders heftig in Deutschland und fand von Europa ausgehend ihren Weg in die USA. Sie verfolgte dort eigene Wege, wurde insbesondere in der Bewegung gegen den Vietnam-Krieg, aber ebenfalls stark von dem in Kalifornien wirkenden Herbert Marcuse, einem prominenten Mitglied der Frankfurter Schule, geprägt. Als Neomarxist waren er und Gleichgesinnte immer noch stark vom Denken des Klassenkampfs geprägt. Diese Sicht der Gesellschaft geht von der letztlich unvermeidbaren «Neutralisierung» des Klassenfeindes aus (denn die Kapitalisten sind unbelehrbar), ein Konzept, das nicht ohne Gewaltanwendung auskommt.
   
In dieser Hinsicht ist die «neue Antifa» das getreue Ebenbild ihres ideologischen Vorgängers, der 68er-Kulturdestruktion. Viele ihrer heutigen Mitläufer wollen offenbar – wie ihre unruhigen Vorgänger vor 50 Jahren – eine «andere» Gesellschaft, in der Menschen andere weder verachten noch misshandeln. Dies wird sich kaum mit Hass und Destruktion verwirklichen lassen. Wenn einige unter den Antifa-Bewegten unsere modernen Gesellschaften wirklich verbessern, und das heisst vermenschlichen wollen, dann könnten sie sich doch einfach voll auf die Lebensaufgabe jedes Menschen konzentrieren, vor allem, wenn er jung und leistungsfähig ist. Sie besteht seit jeher darin – der Wiener Individualpsychologe Alfred Adler hat dazu gültige Grundlagen gelegt –, seinen eigenen unverwechselbaren und nützlichen Beitrag zum sinnvollen Ganzen zu erbringen. Dies ist in einer modernen demokratischen Gesellschaft nicht nur möglich (unter Umständen nicht immer einfach), sondern unabdingbar, sogar für sein eigenes Lebensglück. Wenn der einzelne hier ausweicht, zum Beispiel aus Mutlosigkeit den Anforderungen gegenüber, schränkt er sein Leben selbst ein, nicht «das System». Die moderne «Antifa» wendet in ihrem angeblichen Kampf gegen faschistoide Tendenzen ein Kampfmittel an, auf dem jede doktrinäre, intolerante Bewegung fusst: auf der Hasspropaganda gegen einen diabolisierten «Feind». Damit tut sie das, was sie angeblich bekämpfen will.     •

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