«Deshalb betreibt die Antifa das Geschäft der Kriegstreiber»

Ein Blick aus linker Perspektive auf die real existierende Antifa

von Diana Johnstone*

zf. «Antifaschismus» ist für viele Menschen bis heute das Synonym für einen gerechten Kampf gegen den verwerflichen Faschismus. Eine schon Jahrzehnte bestehende, weltweite Bewegung, die sich «Antifa» nennt, arbeitet mit dieser Aura – so, dass es bis ins bürgerliche Lager hinein Sympathie und Unterstützung für sie gibt – zum Teil allerdings auch, weil die meistens noch recht jungen Antifa-Kämpfer politisch instrumentalisiert werden können. Das tatsächliche Gesicht der Antifa wird dabei immer wieder ausgeblendet. Diana Johnstone, die sich explizit als Linke versteht, hat sich in einem schon im Oktober 2017 erschienenen Beitrag kritisch mit dieser Bewegung auseinandergesetzt. Wir veröffentlichen Auszüge aus dem damals erschienenen Text und verweisen darauf, dass die Fragen, die sich 2017 stellten, bis heute aktuell sind.

In den USA wird gerade eine historische Gelegenheit verspielt. Die desaströse Präsidentenwahl im Jahr 2016 hätte ein Weckruf sein können, denn ein korruptes politisches System, das den Stimmberechtigten nur die Wahl zwischen zwei unmöglichen Kandidaten lässt, ist nicht mehr demokratisch.
   
Diese Wahl hätte das Signal zur Befassung mit der Realität werden können. Das politische System der USA ist völlig verrottet; es dient nicht mehr der arbeitenden Bevölkerung, sondern nur noch den Konzernen und ihren Lobbyisten (im Kongress), die sie mit hohen Wahlkampfspenden im Amt halten. Die Zeit ist reif für eine echte Alternative, für die Gründung einer (neuen) unabhängigen Bewegung, die den Milliardären das Wahlsystem entreisst und die Kriegswirtschaft in eine Wirtschaft umwandelt, die nur noch dem Wohl der US-Bevölkerung dient. Wir brauchen eine Bewegung, die unseren Staat nach innen und aussen befriedet.
   
Das ist eine grosse Aufgabe. Aber mit breiter Unterstützung tatkräftiger junger Menschen, die von Tür zu Tür gehen, um eine öffentliche Debatte in Gang zu setzen und eine Massenbewegung für eine wirkliche Demokratie, für Gleichheit und Frieden ins Leben zu rufen, wäre sie zu meistern. In unserer gegenwärtigen Situation könnte ein derartig revolutionäres Programm tatsächlich verwirklicht werden. Dazu müsste die sterbende Linke aber zu neuem Leben erweckt werden und die Führung beim Aufbau einer solchen Bewegung übernehmen. Doch das genaue Gegenteil geschieht.

Soll ein neuer Bürgerkrieg provoziert werden?

Die erste Massnahme zur Verhinderung einer neuen konstruktiven Bewegung war die irreführende Interpretation des Trumpschen Wahlsieges durch die Mainstream-Medien, mit der die wahren Gründe für die Niederlage Hillary Clintons vertuscht wurden. Man erweckte den Eindruck, Trump habe nur gesiegt, weil er von den Russen unterstützt und von «Frauen- und Schwulenfeinden, Fremdenhassern und weissen Rassisten» gewählt wurde. Der wachsende Einfluss solcher Leute zeige das Erwachen «des Faschismus» in den USA mit Trump in der Rolle des «Führers».
   
Auf diese Weise wurden jede Systemkritik und jede Beschäftigung mit den wahren Ursachen für Trumps Erfolg unterbunden; mit der Dämonisierung Trumps gelang es den Clinton-Unterstützern, die Kontrolle über die Demokratische Partei zu behalten und die innerparteiliche linke Opposition auszuschalten.
   
In Charlottesville haben Gegner und Befürworter eines Stadtratsbeschlusses, die Statue des Konföderierten-Generals Robert F. Lee zu entfernen, einander provoziert: Die Antifa hat für die Entfernung des Denkmals demonstriert, um ihren Bekanntheitsgrad in den USA zu steigern und sich im «Kampf gegen die Faschisten» zu profilieren. Mit der Relativierung rechter Gewalt ist Trump in die Falle gegangen, die ihm seine Feinde in Charlottesville gestellt haben; sofort danach wurde er als «Rassist» und «Faschist» gebrandmarkt. Damit hat sich die desorientierte US-Linke auf einen Nebenkriegsschauplatz locken lassen: auf die Bekämpfung des «Faschisten Trump» und der «Faschisten in den USA». Das ist viel bequemer, als die Kriegsdrohungen Trumps gegen Iran und Nordkorea zurückzuweisen – oder gegen die offenen und verdeckten Versuche der US-Regierung, den Mittleren Osten zur Sicherung der regionalen Vormachtstellung Israels umzuformen, gegen die Vorbereitung eines Atomkrieges gegen Russland und gegen die US-Unterstützung für die echten Nazis in der Ukraine zu protestieren. Dabei trägt die Billionen Dollars verschlingende globale Kriegspolitik der USA viel mehr zur Gewalt und Ungerechtigkeit in den USA bei als die Aktivitäten der relativ wenigen Unbelehrbaren.

Die Linke und die Antifa

Die sogenannte «Antifa» soll die wirklich Linken desorientieren, die mehr soziale Gerechtigkeit und eine auf das Gemeinwohl ausgerichtete Wirtschaft anstreben, die endlosen US-Angriffskriege gegen andere Länder beenden wollen und die fortschreitende Militarisierung der US-Polizei und der US-Bevölkerung ablehnen. Die US-Linke muss endlich erkennen, dass die Oligarchen des US-Establishments nach der Übernahme der Demokratischen Partei durch die Clinton-Clique ihre Fusstruppen als «Linke» maskieren und sie mit angeblich «linken Parolen» auf die Strasse schicken, um auf diese hinterhältige Weise auch echte Linke vor ihren Karren zu spannen. Damit wird so viel Verwirrung gestiftet, dass kaum noch jemand weiss, was «links sein» eigentlich bedeutet.
   
Die «Clinton-Linke» hat die eigentliche linke Forderung nach wirtschaftlicher und sozialer Gleichstellung aller Menschen durch ihre «Identitätspolitik» ersetzt, die darin besteht, nur relativ wenigen Frauen, Schwarzen und Latinos einen spektakulären Aufstieg in die Elite zu ermöglichen, die Bedürfnisse der Mehrheit der Benachteiligten aber zu ignorieren. Die «Clinton-Linke» hat auch das Konzept der «humanitären Kriegseinsätze» erfunden, um ihre brutalen Überfälle auf widerspenstige Staaten als Kampf zur Durchsetzung der Demokratie gegen «Diktatoren» verkaufen zu können; damit hat sie auch viele echte Linke getäuscht und zu Unterstützern des US-Imperialismus gemacht.
   
Die Antifa verstärkt diese Desorientierung, indem sie die gemeinsame Entwicklung einer positiven Alternative durch den Kampf gegen das von ihr definierte «Böse» ersetzt. Mit ihren Angriffen auf «Dissidenten» (also auf alle, die ihre Ansichten nicht teilen) unterstützt die Antifa die Position der Neoliberalen, die ebenfalls das «Gespenst des Faschismus» bemühen, um ihre Überfälle auf Staaten zu rechtfertigen, in denen sie «Regimewechsel» herbeiführen wollen.

Die Ausreden der Antifa

Die Antifa versucht mit immer wieder vorgebrachten Ausreden, die Argumente derjenigen zu entkräften, die ihre Gewaltanwendung und die Methoden kritisierten, mit denen sie versucht, ihre Gegner mundtot zu machen.

  1. Die Antifa rechtfertigt ihre Gewaltanwendung mit der Gewaltbereitschaft, die sie ihren Gegnern unterstellt; die müssten daran gehindert werden, die geplante Ausrottung ganzer Personengruppen in die Tat umzusetzen.
    Diese Behauptung trifft nachweislich nicht zu, denn die Antifa geht mit dem Etikett «faschistisch» sehr leichtfertig um. Die meisten von der Antifa angefeindeten Menschen sind keine Faschisten, und sie konnte auch noch nicht nachweisen, dass «Rassisten» tatsächlich einen Genozid planen.
  2. Die Antifa sei auch auf andere Art und Weise politisch aktiv.
    Darum geht es überhaupt nicht. Niemand kritisiert ihre gewaltfreien politischen Aktivitäten. Vorgeworfen werden ihr nur ihre Gewaltbereitschaft und die Unterdrückung anderer Meinungen. Wenn die Antifa auf Gewalt und Zensur verzichtet, gibt es keinen Grund mehr, ihr entgegenzutreten.
  3. Die Antifa verteidige bedrohte Gemeinschaften.
    Dafür wäre sie nicht zu kritisieren, aber dabei bleibt es ja nicht. Bedrohten Gemeinschaften kann am besten durch die Unterstützung ihrer respektierten Vertreter geholfen werden, und nicht durch selbst ernannte «Zorros», die als maskierte Schlägertrupps auftreten. Was versteht die Antifa unter «bedrohten Gemeinschaften»? Es kann sich um eine Gruppe von Menschen wie die LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender, also Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender) oder um Einzelpersonen wie einen angefeindeten Studentensprecher einer Universität handeln. Um welche Gemeinschaft ging es bei ihrem Eintreten für Linwood Kaine, den jüngsten Sohn des Senators und demokratischen Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten Tim Kaine, der am 4. März letzten Jahres in St. Paul, Minnesota, wegen Anstiftung zum Aufruhr verhaftet wurde, weil er versucht hatte, eine Pro-Trump-Versammlung im Parlamentsgebäude zu stören? Der schwarz gekleidete maskierte Kaine-Sohn wurde nur kurze Zeit festgehalten, denn die «unterdrückte Gemeinschaft», für die er sich eingesetzt hatte, waren die Clinton-Demokraten, und er selbst entstammt einer Familie, die zur politischen Elite Washingtons gehört.
  4. Die Antifa behauptet, für die Erhaltung der Redefreiheit einzutreten, will sie aber Rassisten und Faschisten absprechen, weil ihnen mit vernünftigen Argumenten nicht beizukommen sei und sie mit ihren Hassreden zu Gewalttaten aufriefen.
    Das ist eine intellektuelle Kapitulation vor den Feinden der Freiheit. Damit gibt die Antifa zu, diesen Demagogen mit Argumenten nicht gewachsen zu sein. Die Hassparolen von Rassisten und Faschisten sollten aber mit überzeugenden Gegenargumenten entkräftet werden, und die Antifa sollte jede Gelegenheit nutzen, die Hassprediger öffentlich blosszustellen. Wenn sich die Hassprediger nicht auf eine Diskussion einlassen, gestehen sie damit ihre Niederlage ein. Wenn sie mit körperlicher Gewalt auf die Gegenrede reagieren, hätte die Antifa einen moralischen Sieg errungen, den sie mit Gegengewalt nur wieder verspielen kann.
  5. Die Antifa besteht darauf, dass der Staat die Rede- und Versammlungsfreiheit zu garantieren habe und sie einzelnen Bürgern nicht absprechen könne. Im Umgang miteinander sei es den Bürgern aber sehr wohl erlaubt, andere am Reden zu hindern.
    Das ist eine sehr sophistische Auslegung der Redefreiheit, wenn Leuten mit bestimmten Ansichten die Störung und Einschüchterung von Rednern mit anderen Ansichten erlaubt sein soll. Als Fusstruppe der Neoliberalen masst sich die Antifa an, die Zensur privatisieren zu können und diesen Job auch noch selbst auszuüben.

Die besonders schändliche verbale Gewalt der Antifa

Die verbale Gewalt der Antifa ist eigentlich noch schlimmer als ihre physische Gewalt, weil sie viel wirkungsvoller ist und grösseren Schaden anrichtet. Ihre physische Gewalt wirkt nur kurzfristig und kann nicht verhindern, was wirklich durchgesetzt werden soll. Mit verbaler Gewalt wird aber häufig eine unvoreingenommene Diskussion über strittige Themen verhindert, die unbedingt erfolgen müsste. […]
   
Die Schlussfolgerungen der Antifa entbehren jeder Logik. Wer als Linker gemeinsam mit Konservativen und Liberalen meint, es sei falsch gewesen, Libyen zu überfallen und zu zerstören, vertritt nach Auffassung der Antifa nicht nur faschistoide Ansichten, sondern schlägt sich auch auf die Seite von Diktatoren – ist also eigentlich selbst ein Faschist. So argumentiert die Antifa in Frankreich seit Jahren – und jetzt auch in den USA.
   
Eine besondere Spezialität der Antifa ist die Unterstellung, Kriegsgegner und Autoren, die diese unterstützen, seien «rotbraun» – wobei «rot» ihre linke Einstellung kennzeichnet und «braun» suggerieren soll, dass sie eigentlich Faschisten seien. Sie würden nur vorgeben, links zu sein, weil sie sich aber nicht ständig von den Rechten distanzieren, müssten sie als «rotbraun» eingeschätzt und unter Quarantäne gestellt werden.
   
Mit ihrer Behauptung, Minderheiten vor der Bedrohung durch Faschisten schützen zu müssen, masst sich die Antifa auch das Recht an, darüber zu entscheiden, wer als «Faschist» zu gelten hat.
   
Was immer die Antifa zu beabsichtigen vorgibt, in Wirklichkeit drängt sie die Linke nur in eine lähmende Intoleranz, die ein breites Antikriegsbündnis verhindert. Wer vor der Gefahr eines mit Atomwaffen geführten dritten Weltkrieges warnt und deshalb eine möglichst breite Allianz gegen den Krieg fordert, wird sofort als «rotbraun» diffamiert.
   
Deshalb betreibt die Antifa – wissentlich oder unwissentlich – das Geschäft der Kriegstreiber.       •

Quelle: https://www.globalresearch.ca/the-harmful-effects-of-antifa/5614797 vom 24.10.2017
(Übersetzung https://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_16/LP18517_221117.pdf vom 22.11.2017)

 


Diana Johnstone, Jahrgang 1934, studierte russische Regionalwissenschaft/Slawistik und promovierte in französischer Literatur. Sie lebt seit vielen Jahren in Paris und ist als freie Journalistin für verschiedene US- und internationale Medien tätig. Sie ist Autorin mehrerer Bücher, unter anderem «The Politics of Euromissiles: Europe’s Role in America’s World», «Fool’s Crusade: Yugoslavia, Nato, and Western Delusions», «Queen of Chaos: The Misadventures of Hillary Clinton», in deutscher Übersetzung «Die Chaos-Königin: Hillary Clinton und die Aussenpolitik der selbsternannten Weltmacht». Zuletzt schrieb sie Vorwort und Kommentare zu den Memoiren ihres Vaters Dr. Paul H. Johnstone, ehemaliger leitender Analytiker der Strategic Weapons Evaluation Group (WSEG) im Pentagon, «From Mad to Madness».

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