Ja zu einem Gesetz «für die langfristige Koexistenz von Mensch und Wolf»

von Stefan Engler*, CVP-Ständerat und Co-Präsident des Komitees «JA zum fortschrittlichen Jagdgesetz»

Das geltende Jagdgesetz stammt aus dem Jahr 1985. Seither hat sich einiges geändert: Beispielsweise haben die Bestände geschützter Arten wie der Wolf oder der Biber in den letzten Jahren wieder zugenommen, was erfreulich ist. Es ist ein gutes Zeichen für die Natur und Artenvielfalt in der Schweiz.
    Allerdings führt beispielsweise die Zunahme des Wolfbestands auch immer wieder zu Konflikten mit der Landwirtschaft, dem Tourismus und der Bevölkerung. Um diesen veränderten Wildtierbeständen und den Bedürfnissen nach Schutz von Mensch und Tier besser entsprechen zu können, braucht es deshalb eine Revision des Jagdgesetzes.Was erfreulich ist.
    Das revidierte Jagdgesetz dient dazu, verschiedene Wildtiere und ihren Lebensraum besser zu schützen. Zudem bietet es eine pragmatische Lösung im Umgang mit dem Wolf, der 1995 in die Schweiz zurückgekehrt ist. Der Wolfbestand wächst stetig an: 2019 lebten rund 80 Wölfe in unserem Land.
    Manche Wölfe greifen Schafe und Ziegen an. Jährlich werden 300 bis 500 Tiere gerissen. Betroffen sind auch Herden, die von Zäunen oder Hunden beschützt werden. Denn Wölfe können lernen, Schutzmassnahmen zu umgehen. Und manche Wölfe verlieren die Scheu vor Siedlungen. Das revidierte Jagdgesetz bezweckt, Konflikte zu lindern, die mit dem wachsenden Wolfsbestand einhergehen.

Besserer Schutz der Natur

Das revidierte Gesetz bringt verschiedene Verbesserungen für die Wildtiere und ihren Lebensraum. Reservate und Schutzgebiete, die den Tieren als Rückzugsgebiete dienen, sowie Wildtierkorridore werden mit zusätzlichen Mitteln unterstützt. In der ganzen Schweiz werden rund 300 Verbindungswege in der Natur für Wildtiere vor Verbauung geschützt. Damit können ihre Lebensräume besser vernetzt werden. Bei Bahnlinien und Strassen sorgen Bund und Kantone für Brücken und Unterführungen für Wildtiere.
    Der Bund unterstützt die Kantone bei der Aufwertung der Lebensräume von Wildtieren und Vögeln in den rund 80 eidgenössischen Wildtierschutzgebieten und Vogelreservaten finanziell. Zwölf Wildentenarten dürfen in Zukunft gar nicht mehr gejagt werden. Zudem gilt für die Waldschnepfe eine längere Schonzeit. Das Gesetz verpflichtet die Kantone und Bauern, Zäune wildtierfreundlich zu errichten, damit Unfälle und Verletzungen von Wildtieren möglichst ausbleiben. Diese Massnahmen dienen der Artenvielfalt: Sie helfen, den natürlichen Lebensraum der Wildtiere zu bewahren und die Natur zu schützen.

Pragmatismus im Umgang mit dem Wolf

Das revidierte Jagdgesetz ermöglicht es den Kantonen, die Wolfsbestände zu regulieren, bevor Wölfe Schafe und Ziegen angreifen. Der Wolf bleibt aber eine geschützte Tierart. Ziel dieser Neuerung ist, dass die Wölfe die Scheu vor Menschen und Siedlungen bewahren, weniger Schäden an Schafen und Ziegen entstehen und so die Zahl der Konflikte abnimmt.
    Zentral im neuen Gesetz ist, dass die Umsetzungsverantwortung bei der Regulierung geschützter Arten neu bei den Kantonen liegt. Sie kennen das Gebiet, in dem sich das Raubwild aufhält. Sie kennen das Streifgebiet von Rudeln. Sie unterstützen den Herdenschutz. Sie stehen im Kontakt mit den Geschädigten, und vor allem sind es die kantonalen Wildhüter, die, falls es nötig ist, die Abschüsse zu tätigen haben. Ein Einschreiten der Wildhüterinnen und Wildhüter erfolgt nur dann, wenn Massnahmen zur Verhütung von Schäden alleine nicht mehr genügen.
    Die Kantone stehen in der Pflicht, alle präventiven Massnahmen auszuschöpfen, bevor sie regulierend eingreifen. Wo sich Wolfsrudel bilden, wissen wir mittlerweile aus Erfahrung, dass sich Schäden nicht allein durch Schutzmassnahmen verhindern lassen. Die Wölfe lernen schnell, den Herdenschutz zu umgehen. Damit sie ihre Scheu gegenüber Siedlungen und Schutzeinrichtungen nicht verlieren, braucht es zu einem wirkungsvollen Herdenschutz auch die Möglichkeit einzelner Abschüsse.
    Die Weidetierhaltung als ökologischste Tierhaltung muss in den Bergtälern auch in Zukunft möglich bleiben. Herden sind, wo das möglich und zumutbar ist, durch geeignete Massnahmen zu schützen; darin liegt der Beitrag der Landwirtschaft. Auch die Jäger haben sich mit den neuen Konkurrenten und den vorgefundenen Naturgegebenheiten zu arrangieren.
    Das neue Gesetz schafft den Rahmen für ein langfristiges Nebeneinander von Mensch und Wolf. Es verdient unsere Zustimmung. Deshalb sage ich mit Überzeugung ja zum neuen Jagdgesetz!       •

Quelle: Swissinfo vom 31.7.2020


Stefan Engler war von 1998–2010 Regierungsrat des Kantons Graubünden und leitete das Bau-, Verkehrs- und Forstdepartement. Seit 2011 ist er Bündner Ständerat.

Worum geht es beim Jagdgesetz?

von Monika Fry

So wie das Wappentier des Bündnerlandes, der Steinbock, in seinem Bestand reguliert wird, so soll gemäss neuem Jagdgesetz auch der Wolfsbestand reguliert werden können, damit die Berg- und Alpwirtschaft, das Wandern und vieles andere mehr weiterhin möglich sein werden. Wenn sich die Wölfe vermehren wie jetzt, besteht die Gefahr, dass viele Bauern ihren Betrieb aufgeben werden, weil sie dem Phänomen, dass sie ihre Tiere vor den Wolfsangriffen trotz Herdenschutzmassnahmen nicht schützen können, ausgeliefert sind. Die Bauern hängen an ihren Tieren, und es tut ihnen weh, die Tiere, die nach Wolfsangriffen nicht selten auch «erlöst werden müssen», schwer verletzt auf ihren Weiden anzutreffen. Im ersten Halbjahr 2020 hat es bereits 120 Nutztierrisse im Kanton Graubünden gegeben, noch im Jahr 2016 waren es 50 im Jahr. Dies sind aber nur die Verluste der klar nachgewiesenen Fälle. Tiere, die fliehen, abstürzen, nicht mehr aufgefunden werden in Folge der Wolfsangriffe, sind nicht mitgezählt. In kurzer Folge wurden zwei weitere Wolfsrudel im Kanton Graubünden festgestellt, unweigerlich werden noch viele folgen. Was die Aufgabe der Pflege der über Jahrhunderte kultivierten Berglandschaft bedeuten würde, kann sich wohl kaum jemand vorstellen. Wenn alles verbuscht, verschwinden schöne Bergwiesen und unser ausgiebiges Wanderwegnetz. Nur dank der ständigen Arbeit der Bauern und der Beweidung durch Schafe, Rinder und Ziegen stehen uns viele Zugänge in die Alpen überhaupt offen.
    In längerer Perspektive bedeutet die Ausbreitung des Wolfes, dass neben dem Verlust von Alpweideflächen für die Sömmerungstiere durch die Verbuschung auch das charakteristische Kulturlandschaftsbild für Freizeit, Erholung und Tourismus sowie die pflanzliche und tierische Artenvielfalt verlorengehen. Selbst das BAFU sagt, dass bei Annahme des Jagdgesetzes die Wolfsbestände weiter wachsen werden. Es handelt sich also in keiner Weise um ein «Abschussgesetz», wie es die Umweltschutzverbände nennen, sondern um einen vernünftigen Eingriff, um ein Miteinander-Leben überhaupt zu ermöglichen.       •

Jagdgesetz – die wichtigsten geplanten Änderungen

Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel (Jagdgesetz, JSG), Änderung vom 27. September 2019 (Auszüge)

Art. 7a Regulierung geschützter Arten

  1. Die Kantone können nach Anhören des BAFU eine Bestandsregulierung vorsehen für:
    a.  Steinböcke: im Zeitraum vom 1. August bis zum 30. November;
    b.  Wölfe: im Zeitraum vom 1. September bis zum 31. Januar;
    c.  weitere geschützte Tierarten, die der Bundesrat als regulierbar bezeichnet.
     
  2. Solche Regulierungen dürfen den Bestand der Population nicht gefährden und müssen erforderlich sein für:
    a.  den Schutz der Lebensräume oder die Erhaltung der Artenvielfalt;
    b.  die Verhütung von Schaden oder einer konkreten Gefährdung von Menschen; oder
    c.  die Erhaltung regional angemessener Wildbestände.
  3. Der Bund gewährt den Kantonen auf der Grundlage von Programmvereinbarungen globale Finanzhilfen an die Kosten für die Aufsicht und die Durchführung von Massnahmen zum Umgang mit Arten nach Absatz 1.

Art. 12 Abs. 2, 4, 5 und 6

2   Sie [die Kantone] können jederzeit Massnahmen gegen einzelne geschützte oder jagdbare Tiere, die verhaltensauffällig sind, Schaden anrichten oder eine Gefährdung von Menschen darstellen, anordnen oder erlauben. Mit der Durchführung dieser Massnahmen dürfen sie nur Jagdberechtigte und Aufsichtsorgane beauftragen. Gegen Verfügungen, die jagdbare Tiere betreffen, besteht kein Beschwerderecht [aber bezüglich Wölfen schon!mw] nach Artikel 12 des Natur- und Heimatschutzgesetzes vom 1. Juli 1966
4   Aufgehoben
5   Der Bund fördert und koordiniert die Massnahmen der Kantone zur Verhütung von Wildschaden, der verursacht wird durch:
a.  Grossraubtiere an Nutztieren;
b.  Biber an Bauten und Anlagen, die im öffentlichen Interesse liegen, und an Erschliessungswegen für Landwirtschaftsbetriebe oder an Uferböschungen, die für die Hochwassersicherheit von Bedeutung sind;
c.  Fischotter in Fischzuchtanlagen.
6   Er kann gegen Entgelt öffentlich-rechtliche Körperschaften oder Private mit dem Vollzug der Aufgaben nach Absatz 5 beauftragen.

Art. 13 Abs. 4 und 5

4 Bund und Kantone beteiligen sich an der Vergütung von Schaden an Wald, landwirtschaftlichen Kulturen und Nutztieren, den Tiere bestimmter geschützter Arten verursachen, soweit die zumutbaren Massnahmen zur Verhütung von Wildschaden getroffen worden sind. Der Bundesrat bestimmt nach Anhören der Kantone diese geschützten Tierarten und die Voraussetzungen der Entschädigungspflicht.
5  Bei Schaden, den Biber verursachen, beteiligen sich Bund und Kantone zusätzlich zu Absatz 4 auch an der Vergütung von Schaden an Bauten und Anlagen, die im öffentlichen Interesse liegen, an privaten Verkehrsinfrastrukturen sowie an Uferböschungen, wenn durch deren Schädigung die Hochwassersicherheit nicht mehr gewährleistet werden kann. Entschädigungen werden nur ausgerichtet, soweit die zumutbaren Massnahmen zur Verhütung von Wildschaden getroffen wurden.

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