UN-Experte Nils Melzer ersucht US-Präsident Donald Trump, Julian Assange zu begnadigen

In einem offenen Brief an US-Präsident Donald Trump bittet der UN-Menschenrechtsexperte Nils Melzer ihn, den Wikileaks-Gründer Julian Assange, der seit seiner Verhaftung durch die britischen Behörden im April 2019 in der Botschaft Ecuadors in London im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh festgehalten wird, zu begnadigen.
  Ein britisches Gericht wird am 4. Januar 2021 entscheiden, ob Assange an die USA ausgeliefert werden soll, um dort strafrechtlich verfolgt zu werden und im Falle einer Verurteilung bis zu 175 Jahre Gefängnis für die Veröffentlichung von Geheimdokumenten durch die Whistleblower-Plattform WikiLeaks im Jahr 2010 zu erhalten. Dies ist der Text des Briefes von Nils Melzer, Sonderberichterstatter über Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe:

Herr Präsident,

heute bitte ich Sie in aller Form, Herrn Julian Assange zu begnadigen.
  Herr Assange ist in den letzten zehn Jahren willkürlich seiner Freiheit beraubt worden. Dies ist ein hoher Preis für den Mut, wahre Informationen über das Fehlverhalten von Regierungen in der ganzen Welt zu veröffentlichen.
  Ich habe Herrn Assange im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London zusammen mit zwei unabhängigen Ärzten besucht, und ich kann bestätigen, dass sich sein Gesundheitszustand ernsthaft verschlechtert hat, und zwar so sehr, dass sein Leben jetzt in Gefahr ist. Kritisch ist, dass Herr Assange an einer nachgewiesenen Atemwegserkrankung leidet, die ihn extrem anfällig für die Covid-19-Pandemie macht, die kürzlich in dem Gefängnis ausgebrochen ist, in dem er festgehalten wird.
  Ich möchte Sie bitten, Herrn Assange zu begnadigen, denn er ist kein Feind des amerikanischen Volkes und war es auch nie. Seine Organisation, WikiLeaks, kämpft gegen Geheimhaltung und Korruption in der ganzen Welt und handelt daher im öffentlichen Interesse sowohl des amerikanischen Volkes als auch der Menschheit als Ganzes.
  Ich richte diese Bitte an Sie, weil Herr Assange niemals falsche Informationen veröffentlicht hat. Die Ursache für eine Rufschädigung, die durch seine Veröffentlichungen entstanden sein könnte, ist nicht in einem allfälligen Fehlverhalten seinerseits zu suchen, sondern in eben jenem Fehlverhalten, das er aufgedeckt hat.
  Ich richte diese Bitte an Sie, weil Herr Assange keine der Informationen, die er veröffentlicht hat, gehackt oder gestohlen hat. Er hat sie aus authentischen Dokumenten und Quellen auf die gleiche Weise erhalten, wie jeder andere seriöse und unabhängige investigative Journalist seine Arbeit ausführt. Auch wenn wir persönlich mit seinen Veröffentlichungen einverstanden oder nicht einverstanden sind, können sie eindeutig nicht als Verbrechen angesehen werden.
  Ich bitte darum, weil die strafrechtliche Verfolgung von Herrn Assange für die Veröffentlichung wahrer Informationen über schweres behördliches Fehlverhalten, ob in Amerika oder anderswo, darauf hinauslaufen würde, «den Boten zu erschiessen», anstatt das Problem zu korrigieren, das er aufgedeckt hat. Dies wäre unvereinbar mit den Grundwerten der Gerechtigkeit, der Rechtsstaatlichkeit und der Pressefreiheit, wie sie in der amerikanischen Verfassung und den von den Vereinigten Staaten ratifizierten internationalen Menschenrechtsinstrumenten zum Ausdruck kommen.
  Ich richte diese Bitte an Sie, weil Sie, Herr Präsident, geschworen haben, eine Agenda zur Bekämpfung von Korruption und Fehlverhalten der Regierung zu verfolgen, und weil die Fortsetzung der Strafverfolgung von Herrn Assange bedeuten würde, dass unter Ihrem Erbe das Aussprechen der Wahrheit über solche Korruption und solches Fehlverhalten zu einem Verbrechen geworden ist.
  Mit Ihrer Begnadigung von Herrn Assange, Herr Präsident, würden Sie eine klare Botschaft der Gerechtigkeit, Wahrheit und Menschlichkeit an das amerikanische Volk und an die Welt weitergeben.
  Sie würden einen mutigen Mann rehabilitieren, der seit mehr als einem Jahrzehnt Ungerechtigkeit, Verfolgung und Demütigung erlitten hat, nur weil er die Wahrheit gesagt hat.
  Nicht zuletzt würden Sie den beiden jungen Söhnen von Herrn Assange den liebevollen Vater zurückgeben, den sie brauchen und zu dem sie aufschauen.  Sie würden auch diesen Kindern, und durch sie allen Kindern der Welt, Mut machen, dass es nichts Falsches ist, die Wahrheit zu sagen, sondern dass es das Richtige ist; dass es ehrenhaft ist, für Gerechtigkeit zu kämpfen und dass dies die Werte sind, für die Amerika und die Welt stehen.
  Aus diesen Gründen appelliere ich mit allem Respekt an Sie, Julian Assange zu begnadigen. Was auch immer unsere persönlichen Ansichten und Sympathien sein mögen, ich glaube, dass nach einem Jahrzehnt der Verfolgung das ungerechte Leiden dieses Mannes jetzt enden muss.
  Bitte nutzen Sie Ihre Gnadenmacht, um das Julian Assange zugefügte Unrecht wiedergutzumachen, seinen ungerechten Leidensweg zu beenden und ihn wieder mit seiner Familie zu vereinen!
  Ich danke Ihnen bei allem Respekt, dass Sie diesen Appell mit Weitsicht, Grossmut und Mitgefühl berücksichtigen.
  Bitte empfangen Sie, Herr Präsident, die Versicherung meiner vorzüglichen Hochachtung  •

Quelle: https://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=26625&LangID=E vom 22.12.2020

(Übersetzung Zeit-Fragen)

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