«Agrarpolitik 2020» (AP 22) schwächt die Landwirtschaft

Stellungnahme der Schweizerischen Vereinigung Industrie + Landwirtschaft (SVIL) zur Botschaft Agrarpolitik 2020 (AP 22) des Bundesrates vom 13. Februar 2020

Gemäss Verfassung muss die Agrarpolitik die Ernährungssicherheit im teuren Umfeld der Schweiz mittels Einkommensstützung und Grenzschutz gewährleisten. Wir vermis- sen in der Botschaft, wie diese Kosten- und Preisunterschiede auch künftig zu Gunsten der Landwirtschaft ausgeglichen werden.

Statt dessen versucht der Bundesrat, diese Aufgabe zunehmend der Landwirtschaft selbst zuzuschieben, indem er verlangt:

«Die Land- und Ernährungswirtschaft soll

•  die Wertschöpfung am Markt steigern,

•  die betriebliche Effizienz erhöhen und

•  die Umweltbelastung sowie den Verbrauch von nicht erneuerbaren Ressourcen weiter reduzieren.»

Die eingangs erwähnte Hauptfrage der Ernährungssicherheit bleibt im unklaren und verkehrt sich gar in das Gegenteil des Verfassungsauftrages:

•  Verschiebung der Wertschöpfung in ertragsstarke Nischen und in Verarbeitung und Dienstleistung auf Kosten der eigentlichen Lebensmittelproduktion;1

•  Intensivierung und Rationalisierung der restlichen Produktion auf immer weniger Kulturland im Hochkosten-, Hochlohn-umfeld der 10-Mio.-Schweiz;

•  Absenkung der Gesamtproduktion zu Gunsten der «Umwelt» und Absenkung der Einkommen aus der Produktion.

Zudem wird es nicht gelingen, die Kosten- und Preisunterschiede zum Import auszu- gleichen und mit dem gleichen Geld auch noch zusätzliche «Umweltsystemleistun- gen» und den «Absenkpfad» von Produktion und Einkommen entschädigen zu können.

Die AP 22 führt die von der AP 14–17 eingeleitete Richtungsänderung, die Landwirt- schaft zu extensivieren und in die Nischen des City-State Schweiz abzuschieben, diskussionslos weiter. Doch das Stimmvolk hat im Herbst 2017 mit 80 % der Ernährungssicherheitsinitiative des Bauernverbandes zugestimmt. Darüber hat sich der Bundesrat in seiner damals umstrittenen «Gesamtschau» vom November 2017 hinwegsetzen wollen. Das gelang nicht. Statt dessen kamen aus den gleichen Kreisen, welche die AP 14–17 unterstützt und die Initiative des Bauernverbandes bekämpft haben, zwei Initiativen (Trinkwasser und Pestizide Juni 2018), welche die Umweltbelastungsfrage des immer dichter genutzten Gesamt-raumes zwischen Genfer- und Bodensee allein der Landwirtschaft anlasten. Folglich müsse die Landwirtschaft als «Raumressource» für den ökologischen Ausgleich im City-State herhalten. In der Trinkwasser- und in der Pflanzenschutzinitiative werden die Direktzahlungen zweckentfremdet und an eine Nulltoleranzforderung gebunden. Die AP 22 lehnt zwar diese Extremforderung der beiden Initiativen ab. Dennoch muss man den Zusammenhang sehen: Bisher war die Landschaftspflegeleistung der Landwirtschaft ein Zusatzargument für die notwendige Einkommensstützung der WTO-bedingten abgesenkten Produzentenpreise. Seit der AP 14–17 und nun in der AP 22 werden Stoffwechselkonflikte2 aus der Anpassung der Kalorienproduktion an eine explosionsartig wachsende Bevölkerungszahl bei begrenztem Raum ausschliesslich der Landwirtschaft angelastet. Von ihr verlangt die AP 22 ökologische Mehrleistungen und Einschränkungen der Produktion, was unter dem Strich Mehrarbeit und geringere Erträge verursacht. Dass in dieser Situation die AP 22+ den Zahlungsrahmen der Direktzahlungen um 100 Mio. Franken kürzt, legt die dahinterstehende politische Absicht der AP 22 schonungslos frei: Die Direktzahlungen als Einkommensstützung für die Lebensmittelproduktion werden, abweichend vom Verfassungsauftrag, aufgehoben und neu nur noch für «Umweltsystemleistungen» ausgerichtet. Wir haben diese Zweckentfremdung der Direktzahlungen bereits bei der AP 14–17 kritisiert. Dies gilt auch für die AP 22.

Auch wenn die AP 22 die beiden Initiativen nicht unterstützt, bleibt diese nicht mehr verfassungskonforme Verwendung der Direktzahlungen auch unser Hauptkritikpunkt an der AP 22.

Die Lockerung im Bodenrecht, die Aufweichung des getrennten Bodenmarktes, die erhöhte Besteuerung der landwirtschaftlichen  Wohnhäuser, die raumplanerische Behinderung der bäuerlichen Siedlungsstandorte, die Opferung der Fruchtfolgeflächen zugunsten der Landschaftspflege usw., das alles bestätigt, dass die AP 22 die Landwirtschaft als Begrenzung des wachsenden City-State schwächen und diesem Wachstumsprozess unterordnen will mit den gängigen Schlagworten von mehr Markt und mehr Ökologie.

Die Subventionen für die Land- und Ernährungswirtschaft müssen klare Anreize geben, um unsere Ernährungssicherheit in der Hochpreisinsel Schweiz unter Einhaltung der gewünschten Standards bei Lebensmitteln und der dazu notwendigen Naturgrundlage sicherzustellen. Nur so bleibt gewährleistet, dass die ökologischen Anliegen der erwähnten Initiativen nicht dazu führen, auf Importe auszuweichen.

Hans Bieri, 17. Februar 2020

Auskünfte erteilt Hans Bieri, Tel.: 079 432 43 52

1  Zu den ertragsstarken Nischen gehören zum Beispiel der Agrotourismus oder die Verarbeitung der eigenen Produkte und der Betrieb von Hofläden. Dadruch verlagert sich allerdings die Tätigkeit des Landwirts von der Primärproduktion (Ackerbau, Getreide, Gemüse, Obst, Fleisch und Milchproduktion) weg in den Dienstleistungsbereich.

2  Stoffwechselkonflikte: Beim Abbau und der Gewinnung  von Stoffen aus der Natur, aber auch durch weitere  menschliche Aktivitäten (Grossstädte usw.) werden immer auch Stoffe in die Natur eingebracht. Dazu gehört einerseits das Ausbringen von Pflanzenschutz- und Düngemitteln. Weniger thematisiert wird die Problematik vermehrten Abwassers angesichts wachsender Bevölkerungszahlen, wozu auch die Reste von Medikamenten und Hormonpräparaten, Drogen usw. gehören, sowie all das, was an Eisenbahntrassen und Strassenborden und in Gewässern zurückbleibt (z.B. Plastik) und ebenfalls Spuren im Boden hinterlässt.

 

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