Wiederbelebung der Nato nicht im deutschen Interesse

von Prof. Dr. Eberhard Hamer

Nach Ansicht des französischen Präsidenten ist die Nato «hirntot». Auch US-Präsident Trump sah bei Amtsantritt die Nato als überflüssig an, bis er entdeckte, dass die Nato-Beiträge vor allem der US-Militärindustrie zugute kommen. Seitdem hat er die Beiträge durch Erpressung der Nato-Mitglieder um 130 Milliarden Dollar erhöht.
Nach Erhalt der Nato schreien vor allem die baltischen Staaten, welche sich an der Grenze zu Russland davon Sicherheit versprechen. Unverständlich ist dagegen, weshalb Merkel die Nato auf jeden Fall erhalten will und freiwillig jetzt ebensoviel einzahlt wie die Amerikaner.
Anlass für die Gründung der Nato war die Furcht vor dem aggressiven Kommunismus vor allem in Europa und das Interesse der Amerikaner, den Wirtschaftsraum Europa für sich zu halten. Ein Militärbündnis und Gelder für dieses Militär können nur bestehen, wenn ein gemeinsamer Feind gezeigt wird. Ohne Feind hält ein Militärbündnis nicht zusammen.
Als die Russen 1989 die Wiedervereinigung erlaubten, sich sogar aus Deutschland und den osteuropäischen Ländern zurückzogen und Putin ständig Verständigungssignale schickte, ging der Nato der Feind verloren, hätte sie eigentlich aufgelöst werden müssen. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die USA bzw. das angelsächsische Finanzsyndikat durch hemmungsloses Gelddrucken und Verleih von Dollars in 156 Staaten der Welt ein Dollar-Imperium geschaffen. Die Kredite bzw. deren Zinsen und Rückzahlungen wurden in der Regel durch amerikanisches Militär gesichert. Dazu mussten auch die Ölinteressen der USA weltweit militärisch gesichert werden, so dass die USA einen Militärhaushalt von über 640 Milliarden Dollar haben, das Zehnfache von dem der Russen, um ihre Weltmacht zu sichern. Das wurde auch innenpolitisch immer schwieriger zu begründen.
Da kam die Sprengung der zwei Türme in New York am 11. September 2001 als willkommener Anlass, um den «Terrorismus» als neuen weltweiten Feind darzustellen und um zum «Krieg gegen den Terrorismus» aufzurufen. Der bis dahin defensive Charakter der Nato wurde damit offensiv. Folglich musste auch das Bündnis überall dort eingesetzt werden, wo dieser Terrorismusfeind war: in Afghanistan, im Irak, in Syrien und überall sonst, wo die Amerikaner ihre Ölinteressen verteidigen oder vertreten, formell aber den Terrorismus bekämpfen wollten.
Da die Europäer bei diesen weltweiten US-Abenteuern nur unwillig mitmachten (Schröder verweigerte den Irak-Feldzug), boten der freiwillige Anschluss der Krim an Russland und der Kampf der russischen Einwohner im Donezk-Becken gegen die von den Amerikanern eingesetzte ukrainische Regierung willkommenen Anlass, nun auch wieder die Russen vor den Osteuropäern als Feind darzustellen und Aufrüstung Europas gegen Russ-land zu fordern. Der Krieg wurde mit Wirtschaftssanktionen, Finanzsanktionen und politischen Schädigungen in allen Lebensbereichen bis hin zum Sport gegen Russland begonnen und als Nato-Sinn betrieben, obwohl gerade die europäischen Nato-Staaten z. B. von den Wirtschaftssanktionen den meisten Schaden selbst hatten.
Inzwischen hat sich aber in Europa wiederum der politische Wind gedreht, hat Trump mit seinem brutalen Nationalegoismus die Europäer verschreckt und sehen diese immer weniger ein, weshalb sie die tägliche Putin-Hetze mitmachen oder den Krieg der Amerikaner gegen die arabischen Länder mit Flüchtlingsmassen büssen sollen.
Tatsächlich ist die Nato-Doktrin der militärischen Verteidigungsabschreckung immer schwerer zu begründen, wenn in der vertraglich verfestigten Europäischen Gemeinschaft kein Staat mehr Feind des anderen ist und der Nutzen Europas mehr in Frieden als in Streit mit Russland liegt. Und die Kämpfe der USA ums Weltöl sind nicht Verteidigung Europas, sondern Angriff, wofür die Nato nicht gedacht war.
Macron hat somit Recht: Beide Nato-Prinzipien – Hass gegen Putin und Terrorismusbekämpfung – sind für Europa widersinnig. Sie liegen nicht im Interesse der europäischen Staaten, schaden ihnen dagegen, zumal Russ-land weniger Aggressor in den europäischen Staaten ist als die USA und die Nato selbst, wie die Nord-Stream-2-Sanktionen zeigen. Die Nato hat also in beiden Fällen falsche militärische Zielrichtungen, eine falsche Sinngebung und ist sogar für die Mitgliedsstaaten, die zunehmend dafür zur Kasse gebeten werden, immer schädlicher.
Was treibt Merkel, als Wadenbeisser der USA ständig gegen Russland zu hetzen und Sanktionen zu fordern, damit der deutschen Wirtschaft zu schaden und sogar freiwillig den höchsten Beitrag (wie die USA) an die Nato zu zahlen, welche keinen Sinn mehr hat?
Statt mehr als 40 Milliarden Militärbeiträge im fremden Interesse, in fremde Kriege und in eine zur Söldnertruppe gewordene Armee zu investieren, hätte längst die Diskussion über den Sinnverlust der Nato auf die echte Frage ausgeweitet werden müssen, wo heute ein Ordnungs- und Sicherheitsbedarf und wo eine Abwehr in nationalem Interesse überhaupt notwendig wäre.
Zukunftsforscher («Visionen 2050») haben darüber nachgedacht, ob wir nicht angesichts der veränderten Gefahrenlage statt einer Bundeswehr und Nato eine Bundespolizei zur Sicherung unserer Grenzen, unserer Sicherheit, unserer Ordnung und zum Schutz vor auch importierter Kriminalität brauchen. Der von Macron mit Recht festgestellte Sinnverlust der Nato ist also auch eine Chance des Neuanfangs und der Frage, wo heute ein Ordnungs- und Sicherheitsbedarf und wo eine Abwehr in nationalem Interesse überhaupt notwendig ist.

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