Corona-Pandemie – viele Beispiele konkreter Hilfe im Alltag

von Eva-Maria Föllmer-Müller

Die weltweite Corona-Krise beschäftigt uns alle. Staatliche Massnahmen werden getroffen, die das Arbeits- und Alltagsleben von uns allen einschränken, ganz zu schweigen von den wirtschaftlichen Folgen. Die deutsche Bundeskanzlerin spricht von der grössten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg. Neben dem grossen Einsatz, den Menschen im Gesundheits- und Pflegebereich in diesen Wochen leisten, werden aber auch in vielen Ländern bei anderen Bürgern Kräfte geweckt, die zeigen, wozu Menschen in der Lage sind, wenn Vernunft und Mitgefühl zum Einsatz kommen: So haben viele Mitbürger innerhalb kürzester Zeit unzählige kleinere und grössere Initiativen gestartet, die alle eines wollen: helfen, schützen, mittun. Hier nur einige Beispiele, die bereits Schule gemacht haben.

Soziale Medien – sinnvoll genutzt

In Wien hatten einige Twitter-Nutzer die Idee, Fotos von Zetteln zu posten, die sie in der Nachbarschaft aufgehängt hatten, um älteren Menschen und Menschen mit geschwächtem Immunsystem ihre Hilfe anzubieten.

Die Nachricht wurde über #NachbarschaftsChallenge verbreitet, und innerhalb kürzester Zeit fand die Idee über die Sozialen Medien Nachahmer auch in Deutschland und der Schweiz. In verschiedenen Abwandlungen hat sich die Idee inzwischen weit verbreitet und findet lokale Nachahmer.

Da Hotels und Pensionen bis Ostern schliessen müssen, wäre die Firma «Frucht-Express», die im österreichischen Vorarlberg unzählige Hotels und Gastronomen mit Obst und Gemüse beliefert, auf ihrem randvollen Warenlager buchstäblich sitzengeblieben; die Waren wären auf dem Müll gelandet. Kurzerhand hat der Unternehmer einen ausserordentlichen Lager-Verkauf gestartet.

Zahlreiche Einkaufsgruppen haben sich inzwischen gebildet, um die älteren Mitbürger im Alltag bei verschiedenen Aufgaben mit dem Einkauf von Lebensmitteln, dem Gang zur Apotheke oder Postgängen zu unterstützen. Die Hilfsangebote werden von den Lokalmedien bereitwillig veröffentlicht. Der österreichische Pensionistenverband zeigte sich angesichts dieser Welle von Hilfsbereitschaft, Wertschätzung und Solidarität gegenüber älteren Menschen überwältigt.

Der Bürgermeister aus dem österreichischen Unterkohlstätten im Burgenland ist stolz auf seine Gemeinde, denn obwohl man jetzt Abstand halten müsse, würden die Menschen «innerlich immer mehr zusammenrücken». Seit zwei Wochen erledigt dort die Feuerwehr für ältere, alleinstehende Menschen wichtige Besorgungen.

Verbunden mit dem dringenden Aufruf, dass gefährdete Personen und Personen über 65 Jahre, wenn möglich, zu Hause bleiben sollen und möglichst nicht mehr selbst einkaufen sollen, wird in zahlreichen Gemeinden in der Schweiz inzwischen Unterstützung angeboten, und man kann sich melden, wenn man selbst helfen möchte.

Auch Schüler nutzen ihre Freizeit dazu und organisieren in ihren Gemeinden Nachbarschaftshilfe für jene Menschen, die zur Risikogruppe zählen, die krank sind oder durch ihre Arbeit als Pflegekraft, Arzt oder Polizist stark belastet sind: «Gerade in solchen Zeiten ist es notwendig, auch an jene zu denken, die man nicht kennt.» «Stehen wir in diesen herausfordenden Zeiten zueinander und unterstützen wir all jene in unserer Gesellschaft, die darauf angewiesen sind», appellieren drei Gymnasiasten aus dem österreichischen Bezirk Freistadt.

Auch viele Vereine, Pfarreien und Jugendorganisationen, kirchliche Jugendverbände und -gruppen bieten vor Ort Alltagshilfe für andere an: «Wenn wir eh’ Zeit haben, dann können wir auch etwas Gutes tun für Menschen, die Hilfe brauchen», sagt eine Gruppenleiterin von der katholischen jungen Gemeinde im österreichischen Niederkirchen. Dort gibt es mehr Angebote zur Unterstützung als Hilfsanfragen.

Tirol – unzählige Hilfsangebote

Im Tirol, das besonders stark betroffen ist, gibt es unzählige Angebote, Risikogruppen zu unterstützen: Am 14. März startete über Facebook die «Aktion Corona Nachbarschaftshilfe». Übers Wochenende hatte sich die Gruppe bereits auf über 2300 Mitglieder vergrössert. Dort kann man sich über ein Online-Formular melden und mitteilen, was man tun kann, wie mobil man ist und für welches Eisatzgebiet man im Tirol bereitsteht. Dabei werden Hilfestellungen geboten: Einkaufen gehen und Erledigungen machen, Menschen Beistand leisten (je nach Übertragungsrisiko), Kinderbetreuung (je nach Übertragungsrisiko).

Der Verein Tierrettung hat die Facebook-Gruppe «Nachbarschaftshilfe für Tiere in Tirol» gegründet als Austauschforum und mit Hilfsangeboten für Hunde (Gassi gehen), Pferde, Kühe und andere Tiere. Auch Jungbauern und Landjugend bieten Bauern ihre Hilfe an.

«Aber es gibt ausserordentliche Situationen, zum Beispiel nach einer Naturkatastrophe, wo man nur Egoismus erwarten würde. Diese Erwartung schüren die Medien mit ihren Geschichten von Chaos, Plünderungen, Gewalt. Aber über 500 dokumentierte Fälle von Katastrophen seit den 1950er Jahren zeigen, was tatsächlich geschieht: Die Zusammenarbeit explodiert. Leute helfen einander. Diese Tatsache ist den meisten Menschen unbekannt. Sogar Rettungskräfte wissen das oft nicht.»

Quelle: Rutger Bregmann im Interview in der «NZZ am Sonntag» vom 15. März 2020

Die deutschen Tafeln versorgen landesweit regelmässig 1,6 Millionen bedürftige Menschen mit Nahrungsmitteln. Davon sind 30 % Kinder und Jugendliche, 26 % Senioren und 44 % Erwachsene im erwerbsfähigen Alter. Viele Tafeln mussten nun wegen der Corona-Krise schliessen. Einer der Gründe ist, dass etwa 90 % der ehrenamtlich arbeitenden Menschen im Rentenalter sind. Sie brauchen Unterstützung von jüngeren Bürgern, die ihre Aufgaben übernehmen.

Viele gute und wichtige Initiativen und Vorschläge entstehen, häufig im Kleinen, verbreiten sich in Windeseile und finden überall Nachahmer. Auch zahlreiche Medien sind in der jetzigen Krise dazu übergegangen, ihre Produkte im Internet kostenfrei anzubieten.

Wie kommt das?

«Unsere Institutionen sollten nicht auf der Theorie des menschlichen Egoismus aufbauen. Wir müssen mit der Idee beginnen, dass Menschen zum Guten neigen und zusammenarbeiten. Denn was wir von anderen erwarten, bekommen wir auch. Danach können wir neue Schulen, neue Gefängnisse, neue Demokratien gestalten.»

 

Quelle: Rutger Bregmann im Interview in der «NZZ am Sonntag» vom 15. März 2020

«Gutmensch zu sein, ist nichts, wofür man sich schämen muss»

In einem Interview der NZZ am Sonntag vom 15. März 2020 mit dem niederländischen Historiker und Autor Rutger Bregmann über sein neues Buch «Im Grunde gut» wird er gefragt, ob er ein Gutmensch sei. Er sagt über sein Buch: «Damit will ich dieses Wort zurückerobern. Gutmensch zu sein ist nichts, wofür man sich schämen muss, sondern etwas, das tief in unserer Natur und Geschichte verankert ist.» Und angesprochen auf die Corona-Krise: «Natürlich werden Sie Geschichten hören, dass Leute Toilettenpapier stehlen. Aber die überwältigende Mehrheit verhält sich sozial. Tausende von Krankenpflegern und Ärztinnen arbeiten so hart, wie sie nur können. Millionen Menschen ändern ihr Verhalten, um die Ausbreitung des Virus zu bremsen.»

«Wenn man also denkt, dass die Menschen im Grunde gut sind, soll man einfach anfangen, diese Idee anzuwenden. Wer weiss, wohin sie führt. […]

Jedes gesellschaftliche Denken basiert auf einer Theorie von der menschlichen Natur.»

 

Quelle: Rutger Bregmann im Interview in der «NZZ am Sonntag» vom 15. März 2020

Dringende Aufrufe zu Solidarität und Kooperation

Am 17. März 2020 rief der deutsche Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bei einer Pressekonferenz in München alle Bürger zu Solidarität auf, um mit den massiven Einschränkungen im Alltag bei der Corona-Krise umzugehen: «Wir werden die Situation bewältigen, wenn wir zusammenstehen, wenn wir besonnen bleiben und aufeinander acht geben.» Jetzt gehe es darum, Zeit zu gewinnen, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, Zeit, um die Krankenhauskapazitäten auszubauen und um die ältere Bevölkerung und die Menschen mit Vorerkrankungen zu schützen. «Das ist die Aufgabe, die jetzt für uns ansteht, als Nation, für uns als Bürger und für uns als Menschen.» Spahn betonte auch die gute Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern beim Umgang mit der Corona-Krise: Was im Föderalismus manchmal länger brauche bei der Entscheidung, sei dafür um so effektiver in der Fläche: «Der Föderalismus zeigt seine Stärke in der Umsetzung.» Er nehme auch eine grosse Bereitschaft in der Bevölkerung wahr, einander zu helfen und mitzuhelfen.
Bundespräsident Walter Steinmeier wandte sich am 16. März mit einer Videobotschaft an die Bevölkerung: «Manchmal erfordert die Vernunft einschneidendes Handeln. Das ist jetzt der Fall. Wir müssen jetzt unseren Alltag ändern. Jede und jeder einzelne! Gemeinsam müssen wir dafür sorgen, dass sich das Virus möglichst langsam ausbreitet. Also, wo immer möglich: Bleiben Sie zu Hause! Meiden Sie den Nahkontakt! Suchen und nutzen Sie andere Wege, um zu kommunizieren, zu arbeiten, einander hilfreich zu sein! Und: Haben Sie Verständnis für alle einschränkenden Massnahmen. Sie sind notwendig – bitte halten Sie sich daran!» Er sagte weiter: «Ich danke allen, auf die es in diesen Tagen besonders ankommt: Krankenschwestern und Pflegern, Ärztinnen und Ärzten, Einsatzkräften und Krisenstäben und ebenso der Kassiererin und dem Lkw-Fahrer, die unsere Versorgung aufrechterhalten. Dank und Hochachtung Ihnen allen!»
Bundeskanzlerin Angela Merkel wandte sich am 18. März ebenfalls an die Bevölkerung: «Ich glaube fest daran, dass wir diese Aufgabe bestehen, wenn wirklich alle Bürgerinnen und Bürger sie als ihre Aufgabe begreifen. Deswegen lassen Sie mich sagen: Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst. Seit der Deutschen Einheit, nein, seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Herausforderung an unser Land mehr, bei der es so sehr auf unser gemeinsames solidarisches Handeln ankommt. […] Das ist, was eine Epidemie uns zeigt: wie verwundbar wir alle sind, wie abhängig von dem rücksichtsvollen Verhalten anderer, aber damit eben auch: wie wir durch gemeinsames Handeln uns schützen und gegenseitig stärken können.»

Beispiel wissenschaftlicher Redlichkeit und gelebter Mitmenschlichkeit

Seit dem 26. Februar 2020 informiert Professor Christian Drosten, Leiter der Virologie an der Berliner Charité, täglich im Podcast des NDR unter dem Titel «Corona-Virus update» (https://www.ndr.de/nachrichten/info/Corona-Podcast-Alle-Folgen-in-der-Uebersicht,podcastcoronavirus134.html) über die Situation, über neue Forschungsergebnisse, Entwicklungen und beantwortet Fragen, die viele beschäftigen. Er gehört zu den Mitentdeckern des ersten Sars-Erregers Sars-CoV, für den er zusammen mit Stephan Günther wenige Tage nach der Identifizierung des Virus als erster einen diagnostischen Test entwickelte. Der von Drosten geleiteten Forschergruppe gelang im Januar 2020 die schnelle Entwicklung eines Tests für Sars-CoV-2, den sie Mitte Januar weltweit zur Verfügung stellten. Aus in Deutschland gewonnenen Proben veröffentlichten sie auch das sequenzierte Genom. Drosten berät auch die Bundesregierung. Sachlich, ruhig und in verständlicher Sprache informiert er die vielen Menschen über den Stand der Forschung, wobei er ganz offen auch jene Fragen anspricht, die die Forschung heute noch nicht beantworten kann. In einem Interview mit Zeit online vom 20. März 2020 sagte er: «Wissenschaftliche Erkenntnisse müssn für alle transparent kommuniziert werden, damit sich jeder ein Bild von der Situation machen kann. Aber ich sage auch deutlich, wo die Grenzen meines Wissen sind. Das habe ich immer getan.»    •

Spitäler rufen zur freiwilligen Hilfeleistung auf

ev. Laut einem Bericht von SRF haben sich in Zürich Hunderte von Medizinstudenten im sechsten, also letzten Studienjahr, als freiwillige Helfer für die Intensivpflege gemeldet. Die Initiative ging von einer Studentin und einem Studenten aus, die beim Lernen auf die aktuelle Situation zu sprechen kamen und dabei überlegten, wie sie dazu beitragen könnten, dass das Gesundheitswesen die Corona-Krise so gut wie möglich bewältigen kann.
Die Idee, das Universitätsspital anzuschreiben, war schnell umgesetzt. «Nach zehn Minuten erhielten wir Antwort vom Chef der Intensivmedizin», berichtete die Studentin gegenüber SRF.1 Auf ihr darauffolgendes Schreiben an alle Studierenden ihres Abschlussjahrganges war die Reaktion überwältigend: «Innert eines halben Tages meldeten sich 90 Freiwillige. Täglich kamen mehr dazu, mittlerweile haben wir Kontakt mit 300 Leuten», so die zukünftige Ärztin weiter.
Beim Universitätsspital Zürich wird die Initiative sehr begrüsst. Der dortige Koordinator der Freiwilligen-Einsätze, Lorenzo Käser, erklärte am Freitag, 20. März, gegenüber SRF: «Ich bin unglaublich gerührt, was die Sechstjahres-Studierenden hier selber auf die Beine gestellt haben. Das ist eine unglaubliche Unterstützung.» Bereits letzte Woche sei mit der Schulung von 103 Studierenden für Einsätze auf der Intensivpflegestation begonnen worden, so Käser am Freitag. Denn dort brauche es besonders Unterstützung durch Freiwillige.
Dabei haben Spital und Universität im Auge, dass auch das Lernen für den Studienabschluss nicht zu kurz kommt. Bereits ein Tag pro Woche oder ein Wochenende stellen eine grosse Unterstützung dar. Und umgekehrt kann ein solcher Einsatz zu einer Erfahrung werden, welche die angehenden jungen Ärzte in ihrem zukünftigen Beruf begleiten wird.
Nicht nur in der Intensivpflege, auch in anderen Bereichen sind alle Spitäler in nächster Zeit dringend auf die Hilfe Freiwilliger angewiesen. Natürlich nicht nur von Medizinstudenten, sondern besonders von all jenen, die in irgendeiner Form einen medizinischen Hintergrund haben. So zitiert SRF den Koordinator für die Freiwilligenhilfe, Lorenzo Käser, mit den Worten: «Das können Personen in der Pflegeausbildung sein, aber auch solche, die ehemals in der Pflege gearbeitet haben und jetzt vielleicht auf einem anderen Beruf tätig sind. Ebenso jene, die nur Spitaloder Praxiserfahrung in einem anderen medizinverwandten Beruf haben. Wir werden alle brauchen.» Verschiedene Spitäler haben denn auch Programme zur Unterstützung begonnen.
So schreibt das Universitätsspital auf seiner Homepage (www.usz.ch/bildung/Seiten/Freiwillige-Corona.aspx): «Vielen Dank für Ihre Unterstützung und Ihr Engagement im gemeinsamen Vorgehen gegen Corona! Herzlichen Dank für Ihre Anmeldung und Ihre Unterstützung! Zurzeit haben wir bereits viele Meldungen erhalten, die wir mit Hochdruck erfassen, ordnen und zur Kontaktnahme für die Einsatzplanung vorbereiten. Beachten Sie, dass auf Grund des zeitlichen Verlaufs der Pandemie auch im April und Mai noch zahlreiche und dannzumal noch frische Einsatzkräfte benötigt werden. Es kann also sein, dass wir uns erst zu einem späteren Zeitpunkt für den konkreten Einsatz melden werden. Das gesamte Gesundheitswesen und alle Gesundheitsinstitutionen in der ganzen Schweiz werden Ihre Hilfsbereitschaft benötigen!» •

1 Brunner, Christoph: «Hunderte von Medizinstudentinnen und -studenten melden sich für IPS.», in: srf.ch vom 20.3.2020

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